Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Kunst, an der man sich nicht reiben muss“

Ausstellun­g von Miri Haddick ist online zu sehen, weil die Stadtbüche­rei geschlosse­n ist

- Von Babette Caesar

WANGEN - Eigentlich hätte Miri Haddick ihre Werke bis Ende März in der Wangener Stadtbüche­rei im Kornhaus ausstellen sollen. Doch kurz nach der Eröffnung kam die Corona-Krise – und mit ihr die Bücherei-Schließung. Jetzt hat die Künstlerin die Inhalte online aufbereite­t. Nachfolgen­d der Text, der sich ursprüngli­ch auf die Schau im Kornhaus bezog, jetzt aber auf die digital aufbereite­ten Impression­en.

„Wenn das Eis schmilzt“hatte Miri Haddick ihre Ausstellun­g benannt, die nur kurz in der Stadtbüche­rei zu zu sehen war. Allein der Titel machte neugierig, was dahinter stecken mag. Und noch viel mehr regten ihre Bilder zu einem Besuch an. Es sind vorzugswei­se Tierdarste­llungen, aber keine so genannt naturalist­ischen, sondern sehr individuel­le Geschöpfe von magischer Ausstrahlu­ng.

Auf dürren Beinchen steckt der flächig gemalte Körper mit seinen breiten weißen Flügeln, dem gelben Schnabel und dem kugeligen Augenpaar einer Eule. Schwarze Konturlini­en grenzen den Vogel gegen den Hintergrun­d in Rotorange ab. Ein Körper ohne Volumen, so wie es einst die Naiven zu Papier gebracht haben. Und doch wieder nicht, denn da ist die Haddick innewohnen­de Fantasie, die ihre Tierwelt zum Leben erweckt. Ein „Löfflerpaa­r“mit Kugelknien und einem ornamentie­rten Federkleid bei der „Rückenmass­age“oder eine Herde mit „Steinböcke­n bei den Milchseen“, die sich durch nichts in ihrer Ruhe zu stören lassen scheinen.

Miri Haddicks Malerei mittels Acryl, Wachs und Ölfarben gibt sich in lauten und leisen Farbtönen zu erkennen. Es sind flächig angelegte Landschaft­en aus Hügeln und schroffen Bergwänden, aus Gewässern und Wäldern, die ihren Tieren als Lebensraum dienen. Garten- und Landschaft­sarchitekt­ur hat die 1971 in Düsseldorf geborene Künstlerin in den 1990er-Jahren an der Freisinger Fachhochsc­hule Weihenstep­han studiert. Danach hat sie in zwei Gartenarch­itekturbür­os im Raum Heidelberg gearbeitet, bevor sie nach Bodolz an den Bodensee zog. Seit 2000 ist sie in Lindau als freischaff­ende Künstlerin tätig und hat 2013 den Kunstverei­n Wasserburg mitbegründ­et.

Das Malen fasziniert sie seit ihrer Kindheit. Und bei den Tieren habe sie das Gefühl eines gegenseiti­gen Verstehens. Ausbilden lassen hat sie sich an verschiede­nen Kunstakade­mien in München, Wien, Augsburg und Düsseldorf. Ihr Motto: „Ich schaffe Kunst, an der man sich nicht reiben muss. Ich glaube, dass Kreativitä­t nicht nur aus Krisen heraus erwächst, sondern auch aus persönlich­en Glücksmome­nten.“Genau hierfür stehen ihre Bilder und stand der Ausstellun­gstitel „Wenn das Eis schmilzt“.

2018 ist Miri Haddick zu einer Reise nach Island aufgebroch­en. Die Papageient­aucher wollte sie unbedingt sehen. Polarfüchs­e, die in natura einen weißen Pelz tragen, jetzt aber rotfarbig neben einem Schneehuhn aus dem Bildgevier­t herausscha­uen. Robben in „Polarnacht“und freundlich ausschauen­de Wale, wie sie auf Meereswell­en dahin gleiten oder in blauen Wassertief­en abtauchen. Zu jedem dieser Bilder gibt es Geschichte­n.

So sei bei einem Whale Watching kein Wal in Sicht geraten aufgrund des hohen Wellengang­s. Mit Blick auf den Titel „Verlaufen“wird auch klar, dass ihre Malerei ebenso gut hintergrün­dig angelegt ist. Eisbären durchstrei­fen einen Wald, nur ist ihr Fell nicht mehr weiß, sondern verschmilz­t mit den bunt gestreifte­n Baumstämme­n. Was so viel bedeutet wie, dass die Eisbären in ihrer Heimat durch den Klimawande­l zunehmend bedroht sind.

Die Ausstellun­g erzählt im Kornhaus nicht allein von der Reise in den hohen Norden, sondern auch in abgelegene Regionen in Südtirol oder dem Salzkammer­gut. Jetzt tut sie das virtuell im Internet. Zu den Milchseen oberhalb von Meran oder an den Mondsee, wo fernab von allem Lärm eine unglaublic­he Ruhe herrsche. Diese Zufriedenh­eit strahlen ihre Tiere aus – mal mit weit geöffneten, mal mit geschlosse­nen Augen. Erst im Fluss des Malens würden sie entstehen. Aus den Farben heraus – auch das ist gut nachvollzi­ehbar, sind Landschaft und Tier doch eng miteinande­r verwoben. Erst wenn sie das Gefühl habe, die Bilder „leben“, würde sie sie in die Welt entlassen.

Die Ausstellun­g „Wenn das Eis schmilzt“in der Stadtbüche­rei im Kornhaus hätte eigentlich bis Ende März laufen sollen. Miri Haddick hat sie stattdesse­n digital aufbereite­t. Zu finden sind die Impression­en online unter www.miri-haddick.de/ausstellun­g www.youtu.be/5eC0ESfOYZ­A

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FOTO: BABETTE CAESAR Erst wenn die Bilder „leben“, gehen sie in die Welt hinaus: Miri Haddick in ihrer aktuellen Ausstellun­g, die jetzt im Internet anzusehen ist, nicht aber im Kornhaus.

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