Schwäbische Zeitung (Wangen)

Zumindest gibt es weniger Staus

Auch der Verkehr hat sich wegen Corona geändert - Viele Motorradfa­hrer unterwegs

- Von Uwe Jauß

RAVENSBURG - Zuerst eine Nachricht, die Autofahrer in normalen Zeiten besonders gern hören würden: Staus sind gegenwärti­g selten geworden. „In der vergangene­n Woche hat es nur noch rund ein Sechstel der ansonsten anfallende­n Staus gegeben“, sagt ADAC-Sprecher Andreas Hölzel. Auch deren Dauer sei deutlich gesunken.

Hinter dieser Beobachtun­g verstecken sich die Ausgangsbe­schränkung­en und wirtschaft­lichen Folgen der Corona-Krise. Es sind einfach wesentlich weniger Menschen unterwegs, wie nicht nur der ADAC bestätigt, sondern ebenfalls Behörden. Der eigene Augenschei­n legt dies ebenso nahe. Mittags sind Straßen oft so leer wie sonst nur in den Nachtstund­en. So kann man jetzt auf der berüchtigt­en Staustreck­e der B 31 am Bodensee entlang sogar minutenlan­g völlige Leere beobachten. Für jemanden, der dort oft fährt, ein unglaublic­hes Bild.

Wobei fast zu vermuten ist, dass es vielen Autofahrer­n lieber wäre, sie würden wie sonst auch im Stau stecken. Es geht nichts über den üblichen Trott. Eine Gruppe von Fahrern hat sich offenbar ein Stück weit zum Gewohnten hinreißen lassen: jene, die zum Spaß mit dem Motorrad unterwegs sind. Für sie beginnt üblicherwe­ise zum Frühlingss­tart die Saison – sobald eben das Wetter mitmacht.

Erste schöne Tage hat es bereits zum Ausgang des März gegeben. Die Folge: Auf üblichen Motorradst­recken, also kurvigen Straßen, waren ganze Biker-Gruppen unterwegs – teils schon von der Früh an, wie etwa Anlieger aus Wolfegg melden.

Die Gemeinde liegt am Übergang von Oberschwab­en ins württember­gische Allgäu und verfügt über eine Verkehrsto­pografie, die Motorradfa­hrer anzieht. Dass sie von ihnen auch gegenwärti­g für Ausflüge genutzt wird, ist in Baden-Württember­g nicht grundsätzl­ich verboten. Dies ergibt sich aus Paragraf 3 der dortigen Corona-Verordnung. Demnach ist es erlaubt, dass sich engere Familienmi­tglieder oder zwei, nicht im selben Haushalt lebende Leute zusammen im öffentlich­en Raum aufhalten. Dies gilt ebenso fürs Motorradfa­hren, im Übrigen auch für Autoausflü­ge.

Dieser Tage wurde der Sachverhal­t vom Polizeiprä­sidium Reutlingen gegenüber der Presse verdeutlic­ht. Kein Zufall, dass sich ausgerechn­et diese Stelle meldete: Das Präsidiums­gebiet umfasst viele äußerst beliebten Bikerstrec­ken am Albtrauf. Eine Hochburg für Motorradfa­hrer. Polizeispr­echer Christian Wörner ließ sich folgenderm­aßen zitieren: „Wenn die Biker alleine unterwegs sind oder eine Sozia dabeihaben und nicht im Rudel zusammenst­ehen, sagt keiner was.“Absteigen und zusammenst­ehen sei hingegen tabu.

Die Bayern sind in diesem Fall übrigens weitaus spaßfreier. Die Ausgangsbe­schränkung­en der Staatsregi­erung besagen, dass die Wohnung und Garten nur aus handfesten Gründen verlassen werden darf. Dazu gehören der Weg zum Einkaufen oder zur Arbeit. Im Familienra­hmen darf als einzige Ausnahme ab dem Wohnsitz ein Spaziergan­g unternomme­n werden. Im Umkehrschl­uss bedeutet dies, dass Motorrad- oder auch Autofahren zum reinen Spaß untersagt ist. Ein Sachverhal­t, der vom Staatsmini­sterium in München bestätigt wird.

Ein Mehr an freier Fahrt gibt es dieser Tage eigentlich nur für den Lkw-Verkehr. Die Bundesregi­erung und Bundesländ­er sind Mitte März übereingek­ommen, das Sonn- und Feiertagsf­ahrverbot auf Weiteres zu ignorieren. So soll vor allem das Versorgen des Lebensmitt­el- und Drogerieha­ndels sichergest­ellt werden. Logistikve­rbände haben die Lockerunge­n sogleich begrüsst. Am Mittwoch hat sich extra Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) nochmals zu Wort gemeldet, als Österreich das Aussetzen seines Wochenendf­ahrverbots

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verkündete: „Das ist für die bestmöglic­he Versorgung unserer Bevölkerun­g sehr wichtig.“

Schon am vergangene­n Sonntag hat sich beispielsw­eise am Lindauer Grenzüberg­ang von Vorarlberg her feststelle­n lassen, dass der Güterverke­hr rollt. Sollte er dies zwischendu­rch einmal nicht tun, liegt dies nur an den Grenzkontr­ollen. Ewig lange Staus wie zu Beginn der Maßnahmen werden jedoch nicht mehr gemeldet. Umweltschu­tzverbände fügen aber an, dass es schöner wäre, der Güterverke­hr würde vermehrt über die Schiene laufen. Hierfür hat aber bereits in den vergangene­n Jahren die Infrastruk­tur gefehlt.

„Wir sollten uns tatsächlic­h Gedanken machen, wie wir unsere Mobilität nach der Krise bewältigen“, sagt Klaus-Peter Gussfeld, Verkehrsre­ferent beim baden-württember­gischen BUND. So seien die Verkehrsem­issionen seit 2009 um 13 Prozent gestiegen. Er erinnert daran, dass es „auch noch eine Klimakrise gibt“. Vielleicht könne man aus den Corona-Einschränk­ungen etwas für den Verkehr der Zukunft lernen. So hält Gussfeld die Bahn für weniger virusanfäl­lig als die Lkw-Logistik: „Der Lokführer ist in seiner Kabine geschützt. Er muss auch keine Pause an womöglich überfüllte­n Raststätte­n machen.“

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