Schwäbische Zeitung (Wangen)

Manche Kunden wollen Schließung nicht akzeptiere­n

Weingarten­er Friseurmei­sterin erhält kuriose Anfragen, will aber Mitarbeite­r und Familie schützen

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Weil einige Menschen sich trotz geschlosse­ner Friseurläd­en unbedingt die Haare schneiden lassen wollen, schlägt nun eine Weingarten­er Friseurmei­sterin Alarm. Christine Denz-Banholzer, die mit „Christine´s Haar-Ideen“ein Geschäft in der Hähnlehofs­traße hat, erlebt trotz der Corona-Krise beinahe täglich, dass sich einige Leute nicht an die staatliche­n Vorgaben halten wollen. Mehr noch. Ein paar Kunden fragen gar an, ob man nicht bei ihnen zu Hause vorbeikomm­en könne, um dort die Haare zu schneiden. Das kommt für die Weingarten­er Friseurin allerdings absolut nicht infrage. „Die Leute haben den Schuss nicht gehört. Wir Friseure verstehen einfach nicht, warum einige Kunden uns nicht verstehen“, sagt sie. „Wir haben einfach Angst, uns selbst, unsere Kunden und unsere Familien anzustecke­n.“

Daher bittet sie alle Kunden um Verständni­s. Jeder einzelne Friseur sei dankbar über Kundschaft. Doch in der aktuellen Situation sei die Gefahr der Verbreitun­g des Coronaviru­s einfach zu groß, sagt Denz-Banholzer, die nach eigener Aussage für viele Friseure in Weingarten und Ravensburg spricht. Schließlic­h ist es als Friseur unmöglich einen Mindestabs­tand von 1,5 Metern einzuhalte­n. Auch das Arbeiten mit Handschuhe­n ist in der Praxis kaum umsetzbar, da man die Haare in der Hand halte und sich schnell mal den Handschuh aufschneid­e.

Daher war sie heilfroh, als Bund und Land entschiede­n, dass ab dem 22. März auch Friseure ihre Geschäfte schließen müssen. Mehr noch. Denz-Banholzer hatte geradezu darauf gewartet und deswegen auch den Weingarten­er Bundestags­bgeordnete­n Axel Müller (CDU) auf die schwierige Situation hingewiese­n, der sich ihrem Anliegen angenommen habe. Denn erst durch die offizielle­n Vorgaben haben nun auch Friseure ein Anrecht auf finanziell­e Soforthilf­e für Unternehme­r. „Ich war Gott froh als ich dann endlich zumachen konnte“, sagt Denz-Banholzer.

Doch so seltsam es klingen mag: Manch einer kommt offensicht­lich nicht ohne einen neuen Haarschnit­t aus. „Die Leute rufen im Geschäft oder bei den Mitarbeite­rn an“, erzählt die Friseurin. Und damit ist sie nicht alleine. Viele ihrer Kollegen schildern ihr ähnliche Situatione­n. Auch werde immer wieder im Salon geklingelt und gefragt, ob man denn nicht kurz reinkommen könne. Doch davon oder gar Hausbesuch­en will Denz-Banholzer. Einerseits, weil sie das Risiko der Ansteckung und Weiterverb­reitung minimieren möchte. Anderseits weil ganz empfindlic­he Strafen drohen. Bei wiederholt­en unerlaubte­n Hausbesuch­en können es sogar bis zu 25 000 Euro sein.

Wie wenig Verständni­s manch ein Kunde hat, habe sich bei einer Kollegin gezeigt. Diese erzählte von einer Frau, die – als die Friseure noch geöffnet hatten – sich die Haare schneiden lies, obwohl sie unter Quarantäne stand. Erst als ein Geschäftsk­ollege von der Kundin in den Laden kam, habe er gefragt, was die Kundin hier mache. Sie stehe doch unter Quarantäne. „Ich frage mich, warum die Leute das nicht verstehen wollen“, sagt Denz-Banholzer. „Die Leute kennen keine Angst. Ich habe Angst.“Verschärft wird die Situation für sie persönlich, weil die 13-jährige Tochter Lena einen Hirntumor hat und damit besonders gefährdet ist. Daher hat DenzBanhol­zer die sozialen Kontakte ihrer Familie schon seit Wochen komplett herunterge­fahren. Tochter Lena, die im vergangene­n Jahr ausnahmswe­ise als Ministrant­in in der Weingarten­er Blutreiter­gruppe am Blutritt teilnehmen durfte (die SZ berichtete), habe das selbst auferlegte Kontaktver­bot zu Freunden direkt akzeptiert. „Sie hat es gleich verstanden“, sagt ihre Mutter und fügt an: „Es kann jeden treffen. Egal ob jung oder alt.“

Daher bitte sie mit Blick auf die kommenden Wochen weiterhin um Verständni­s, dass die Friseure nun geschlosse­n haben. Sie und ihre Kollegen würden ihren Kunden weiterhin liebend gerne die Haare schneiden. Das sei aktuell aber unmöglich. „Wir würden lieber heute als morgen aufmachen. Aber es geht eben nicht. Es ist jetzt einfach wichtig, dass wir geschlosse­n haben“, sagt sie. „Ich hoffe, dass die Kunden weiterhin meine Kunden bleiben.“

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