Helfer im Land brauchen pro Tag 750 000 Schutzmasken
Gesundheitsministerium hat Bedarf kalkuliert – Engpässe werden in den kommenden Tagen nicht behoben
STUTTGART - In der Karwoche vor Ostern erwartet Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) eine sehr große Zahl von Corona-Patienten in den Krankenhäusern. Das sagte er bei einer Sondersitzung des Sozialausschusses des Landtags am Donnerstag.
Aktuell seien im Südwesten mehr als 15 000 Menschen infiziert. Rund 240 Menschen starben bislang, mehr als 760 gelten als geheilt. Derzeit werde in Baden-Württemberg etwa jeder zehnte Corona-Patient im Krankenhaus behandelt, ein Prozent müsse beatmet werden. Lucha rechnet aber damit, dass dieser Anteil in den kommenden Tagen steigt.
„Wir werden das nur bewältigen, wenn keine weitere Infektionswelle hinzukommt“, sagte Lucha. In der Videokonferenz betonte er, es sei deshalb jetzt entscheidend, dass sich alle Bürger an die Ausgangsbeschränkungen hielten. Er unterstrich noch einmal die Forderung, dass auch Bewohner von Altenheimen sich an die Ausgangsbeschränkungen halten müssten. Ältere Menschen leiden oft an sehr schweren Corona-Symptomen. Es könne nicht sei, dass Senioren sich am Wochenende „zu Kaffeekränzchen“träfen oder von Angehörigen abgeholt würden. In den vergangenen Tagen erkrankten viele Bewohner solcher Einrichtungen, insgesamt 19 starben. Einem Aufnahmestopp in solchen Heimen erteilte Lucha jedoch eine Absage. Denn
Heime nehmen Patienten vorübergehend oder dauerhaft auf, wenn diese nach einem Klinikaufenthalt nicht wieder zu Hause leben können. Ein Aufnahmestopp hätte deshalb zur Folge, dass dringend benötigte Klinikbetten belegt blieben.
Der Landesregierung und dem Burladinger Unternehmen Trigema sei es außerdem gelungen, in Kürze Zertifikate für die dort produzierten Masken und weitere Schutzkleidung zu erhalten. Lucha erklärte, man erwarte die Zertifikate in den nächsten Tagen. Diese bestätigen, dass die Mund-Nasen-Schutzmasken (MNS) den medizinischen Standards entsprechen. Das Textilunternehmen hat seine Produktion umgestellt und will wöchentlich bis zu 100 000 Masken
herstellen. Die auch als OP-Masken bekannten Materialien schützen zwar nicht ihren Träger vor einer Corona-Ansteckung. Ist dieser jedoch selbst infiziert, verhindern sie, dass sich die Viren über die Atemluft verteilen und andere erreichen.
In der Sitzung berichteten Mitarbeiter des Ministeriums über den Bedarf an Schutzmaterialien. BadenWürttemberg braucht demnach pro Tag rund 750 000 Schutzmasken, Handschuhe und Anzüge, darunter 450 000 MSN- und 300 000 FFPMasken. Letztere schützen sowohl die Träger als auch ihre Kontaktpersonen vor Corona-Viren.
Derzeit hat das Land drei Millionen Masken, Handschuhe und Anzüge, die verteilt werden. . Hinzu kämen 800 000 Masken und andere Materialien vom Bund sowie 110 000 gespendete Ausrüstungsstücke. Es wurden nun 30 Millionen Masken und weiteres Material in China bestellt, eine erste Tranche soll am 7. April eintreffen. Wegen Engpässen bei Transport und Produktion werde aber der Bedarf an Schutzmaterial in den kommenden Tagen nicht gedeckt werden können, so der Ministeriums-Mitarbeiter.
Lucha betonte, es sei gelungen, die Zahl der Beatmungsplätze im Land von 2200 auf 2800 zu erhöhen. Ziel sei es, in den kommenden Wochen auf 3800 zu kommen.
Die SPD-Abgeordnete Sabine Wölfle mahnte, die Knappheit bei der Schutzausrüstung sei erheblich: „Zum Teil kommt da nichts an.“Man müsse mit den zuständigen Behörden über eine gerechtere Verteilung auf Kliniken, Arztpraxen, Alten- und Pflegeheime sprechen. Das betonte auch FDP-Politiker Jochen Haußmann. Er forderte klare Vorgaben dazu, wann Pflegekräfte in Quarantäne müssten. „Das handhaben die Gesundheitsämter im Land sehr unterschiedlich. Aber wenn kein Pflegepersonal mehr da ist, sind die Alten und Kranken allein.“Die AfD-Abgeordnete Christina Baum fragte nach Plänen für die Lockerung der Ausgangsbeschränkungen, um die Wirtschaft nicht stärker zu belasten als notwendig. Der Minister betonte, für solche Szenarien sei es noch viel zu früh, der Höhepunkt der Erkrankungswelle stehe noch bevor.