Der lange Weg zurück in die Normalität
Behutsam und schrittweise lockert Österreich seine Anti-Corona-Maßnahmen
WIEN (dpa) - Ihren Mundschutz nahmen Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und drei seiner Minister nur für die Pressekonferenz ab. Hinter Schutzwänden aus Plexiglas verkündeten sie am Montag den Österreichern eine mehrteilige Botschaft geprägt von Zuversicht, Stolz und auch Sorge: Die Alpenrepublik wird nach Ostern behutsam mit dem langen Weg aus der Corona-Krise zurück in die Normalität beginnen – aber jederzeit die Notbremse ziehen, wenn sich das Virus doch wieder ausbreitet.
In Österreich sollen nach der Öffnung von kleinen Geschäften sowie Bau- und Gartenmärkten am 14. April ab Anfang Mai alle Geschäfte, Einkaufszentren und Friseure wieder öffnen. „Wir sind bisher besser durch die Krise gekommen als die meisten anderen Länder“, stellte Kurz fest. Jetzt will Wien auch beim Hochfahren der Wirtschaft Zeichen setzen. Zugleich machte die Regierungsspitze auch überdeutlich, dass sich die Österreicher weiterhin an die strengen Auflagen zum gebotenen Abstand halten müssen – die Ausgangsbeschränkungen wurden bis Ende April verlängert, die Schulen bleiben bis Mitte Mai zu. Hotels und Gaststätten dürfen auch erst ab Mitte Mai damit rechnen, dass sie wieder öffnen dürfen. Veranstaltungen sollen bis Ende Juni nicht stattfinden. So wurde das Nova Rock Festival
Das österreichische Bundesland Tirol hebt die Quarantäne für das gesamte Landesgebiet mit kleinen Ausnahmen an diesem Dienstag auf. Das teilte Landeschef Günther Platter (ÖVP) am Montag in Innsbruck mit. Von der Aufhebung nicht betroffen seien vorerst St. Anton, das Paznauntal (mit dem Skiort Ischgl) und Sölden. Die Quarantäne für alle 279 Gemeinden sollte ursprünglich noch bis einschließlich Ostermontag, 13. April, gelten. (dpa)
mit zuletzt mehr als 200 000 Besuchern nun abgesagt. Das Tragen eines Mundschutzes wird auch in öffentlichen Verkehrsmitteln zur Pflicht.
Früher als zum Beispiel in Deutschland war Mitte März das öffentliche Leben in der gesamten Alpenrepublik auf Notbetrieb umgestellt, waren die Ausgangsbeschränkungen erlassen worden. Der Lohn: Nirgendwo in Europa sei die Zahl der Neuinfizierten derart drastisch zurückgegangen, meinte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne). „Der erste Kraftakt auf unserem Weg ist gelungen.“In Österreich werden aktuell jeden Tag mehr mit dem Coronavirus infizierte Menschen gesund, als an der Lungenkrankheit Covid-19 erkranken.
Sorgen bereitet aber nicht zuletzt die Osterwoche mit den sonst üblichen Familienfeiern und Treffen von Freunden. Gar nicht daran denken, warnte die Regierungsspitze. „Bleiben Sie zusammen mit den Menschen, mit denen Sie gemeinsam wohnen“, meinte Kurz.
Österreich ist damit eines der ersten europäischen Länder, das im Kampf gegen das Coronavirus seine Maßnahmen nach Ostern wieder etwas lockern will. Auch in Dänemark hat Regierungschefin Mette Frederiksen angekündigt, das Land wahrscheinlich nach Ostern schrittweise wieder öffnen zu wollen. Einen genauen Plan hat sie aber noch nicht vorgelegt. In Tschechien wird aktuell über kleinere Ausnahmeregelungen für den Handel diskutiert, das Minderheitskabinett ist in dieser Frage aber heftig zerstritten.
Österreich sieht sich durch die dramatische Entwicklung in anderen Staaten in seiner Eindämmungsstrategie, mit der unter anderem alle Gemeinden im Bundesland Tirol unter Quarantäne gestellt wurden, bestätigt. Hätte die Regierung Mitte März nicht gehandelt, wären nach einem der möglichen Szenarien 2,7 Millionen Erkrankte zu befürchten gewesen, erinnerte Anschober.
Auch erste Ergebnisse einer repräsentativen Stichprobe unter 2000 augenscheinlich gesunden Bürgern bestätigten den von Vorsicht geprägten Kurs. Die bisher als hoch vermutete Dunkelziffer der Erkrankten liegt laut Kurz wohl unter einem Prozent. „Alle Ideen einer Herdenimmunität sind eindeutig durch diese Stichprobe widerlegt“, so der Regierungschef.