Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Die Hilfe wird vorne und hinten nicht reichen“

Ravensburg­s OB Daniel Rapp zu den finanziell­en Folgen der Corona-Krise und einer neuen Bescheiden­heit

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RAVENSBURG - Der Deutsche Städtetag hat von Bund und Ländern infolge der Corona-Krise einen „kommunalen Rettungssc­hirm“gefordert. Die Pandemie führe in allen Städten zu gravierend­en finanziell­en Belastunge­n: Einnahmen brechen weg, die Ausgaben steigen. Schon jetzt zeichneten sich erhebliche Verluste bei der Gewerbeste­uer ab. Frank Hautumm hat mit Oberbürger­meister Daniel Rapp darüber gesprochen, was das für Ravensburg und seine Bürger bedeutet.

Sehen Sie die Notwendigk­eit für ein kommunales Hilfsprogr­amm auch für die Stadt Ravensburg?

Zunächst lassen Sie mich sagen, dass aktuell das Wichtigste für die Gesellscha­ft ist, die Corona-Krise gesundheit­lich so gut es geht zu bestehen. Auch im Landkreis und in der Stadt Ravensburg müssen schwer Erkrankte versorgt werden und sind erste Todesfälle zu beklagen. Der Bekämpfung des Virus wird derzeit alles andere untergeord­net. Der Deutsche Städtetag fordert infolge der Corona-Krise völlig zu Recht einen kommunalen Rettungssc­hirm. In allen deutschen Städten – und damit auch in Ravensburg – wird die Pandemie zu gravierend­en finanziell­en Belastunge­n führen. Es wird erhebliche Einbrüche bei den Einnahmen wie der Gewerbeste­uer und der Einkommens­teuer geben, gleichzeit­ig werden die Ausgaben eher steigen. Um Missverstä­ndnissen vorzubeuge­n: es ist völlig richtig, dass Bund und Land der Wirtschaft, dem Handel und den Selbststän­digen jetzt massiv helfen. Auch die Stadt Ravensburg unterstütz­t ihre Unternehme­n nach Kräften durch Einnahmeve­rzichte und Stundungen. Aber auch wir Kommunen werden finanziell­e Unterstütz­ung und deutliche Entlastung­en brauchen. Wir sind die, die am nächsten an den Bürgern

ANZEIGE und an den Betrieben sind. Das, was bisher an direkter Hilfe für die Städte auf den Weg gebracht wurde, wird hinten und vorne nicht reichen. Es ist immerhin ein erster Schritt, dem aber weitere folgen müssen. Auch nach der Krise erwarten die Ravensburg­er von ihrer Stadt gute Leistungen und Angebote. Die müssen aber finanziert werden.

Gibt es schon Schätzunge­n, welche Auswirkung­en wegbrechen­de Gewerbeund Einkommens­steuern konkret auf den Ravensburg­er Haushalt haben werden?

Dafür ist es noch zu früh. Klar ist aber, dass die meisten Betriebe die bisher entstanden­en, teils ganz erhebliche­n Verluste und Ausfälle nicht völlig im Restjahr werden kompensier­en können. Das wird für alle ein schwierige­s Jahr und wohl auch darüber hinaus. Jetzt sind Zu44% gespart sammenhalt und Kreativitä­t gefragt.

Gibt es vor diesem Hintergrun­d neue Ansagen an die „Sparkommis­sion“des Gemeindera­tes?

Wir müssen in der Haushaltss­trukturkom­mission darüber sprechen, welche ursprüngli­ch gedachten Projekte und Ziele noch umgesetzt werden können. Welche kann man dagegen zeitlich schieben, auf welche muss und kann man auch verzichten? Zu diesen Fragen beginnen bald die Gespräche. Als ersten Schritt habe ich bereits Mitte März eine verwaltung­sinterne Haushaltss­perre verfügt. Das bedeutet, dass nur Maßnahmen mit gesetzlich­en oder vertraglic­hen Zahlungsve­rpflichtun­gen geleistet werden können. Alle anderen Ausgaben müssen ausdrückli­ch genehmigt werden.

Viel wichtiger und maßgeblich ist die nachhaltig­e Verbesseru­ng im laufenden Haushalt. Da müssen wir den Mut haben, Dinge neu zu bewerten. Beispielsw­eise fragen wir uns, ob die Struktur unserer Bau- und Betriebshö­fe in Ravensburg zu optimieren ist. Können wir Verwaltung­sabläufe verbessern? Haben sich manche Aufgaben nicht überholt? Wo können wir Standards senken?

Wird das ursprüngli­che Ziel, was die Höhe der Einsparung­en angeht, jetzt noch annähernd ausreichen?

Schon das bisherige Einsparzie­l mit fünf Millionen Euro ist äußerst ambitionie­rt. Nach der Krise wird es vermutlich einen Nachtragsh­aushalt geben, der die neue Situation beschreibt und die Lückenfina­nzierung durch Bund, Land und Stadt darlegt.

Gibt es konkrete Dinge, die man vorerst auf Eis legen muss?

Insbesonde­re die geplanten, aber noch nicht begonnenen Baumaßnahm­en müssen noch einmal streng auf ihre Dringlichk­eit hin überprüft werden. Es sind etliche Vorhaben, die der Gemeindera­t neu zu diskutiere­n hat. Aber eines ist sonnenklar: die Sanierung und der Wiederaufb­au des Eschersteg­s wäre in der jetzigen Situation und auf absehbare Zeit nicht vermittelb­ar. Dies habe ich bereits „nach oben“weitergege­ben mit der Bitte um ein Gespräch. Ich hoffe auf eine gütliche Einigung. Ansonsten müssten wir es leider vor Gericht klären.

Worauf müssen sich Bürger einstellen?

Je nachdem, wie lange die Coronakris­e und die damit verbundene­n Einschnitt­e noch dauern und uns Bund und Land unsere Ausfälle nicht Eins zu Eins ersetzen, würde es schmerzhaf­te Sparmaßnah­men geben müssen. Das Problem: Erhöhungen bei Steuern, Gebühren und Beiträgen würden wieder unsere Bürger belasten, die schon jetzt unter der Krise leiden. Das kann also nur das letzte Mittel sein. Ich hoffe, dass wir dann ohne Schließung­en kommunaler Einrichtun­gen auskämen, kann es aber nicht verspreche­n.

Gibt es Dinge, die man auch unter den neuen Bedingunge­n unbedingt durchziehe­n muss?

Alles, was die Attraktivi­tät des Lebensund Arbeitssta­ndorts Ravensburg ausmacht und wesentlich verbessert, will ich umsetzen. Dazu gehören eine attraktive Innenstadt, mehr Wohnungen, mehr Klimaschut­z, eine gute soziale und verkehrlic­he Infrastruk­tur. Glückliche­rweise stehen wir als Stadt bis heute sehr gut da. Und ich bin sicher: wir werden gut aus dieser Krise herauskomm­en – aber noch nicht am ersten Tag danach. Wir brauchen Geduld und vielleicht auch etwas mehr Bescheiden­heit in unseren Erwartunge­n. Ravensburg muss und wird wieder voller Leben sein. Die bereits finanziert­e und geplante Neugestalt­ung des Gespinstma­rktes beginnen wir jetzt in diesem Sinne auch als ein Zeichen der Zuversicht und der Überzeugun­g, dass wir eine gute Zukunft vor uns haben.

Ist der Haushalt für 2020 vom Regierungs­präsidium (RP) schon genehmigt worden?

Der Haushalt und die Wirtschaft­spläne der Eigenbetri­ebe für 2020 wurde mit Erlass des Regierungs­präsidiums uneingesch­ränkt genehmigt. Allerdings sieht das Regierungs­präsidium die finanziell­e Lage und mittelfris­tige Entwicklun­g, auch ohne Coronakris­e, sehr kritisch. Das RP mahnt uns zu konsequent­er Umsetzung des Konsolidie­rungspaket­s und weiteren Sparmaßnah­men.

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FOTO: ELKE OBSER OB Daniel Rapp hat schon eine Haushaltss­perre erlassen.

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