Schwäbische Zeitung (Wangen)

Wie Corona das Leben im Tiergarten verändert

Ziegen fehlt der tägliche Rummel – Stadt Ulm sichert finanziell­e Lage

- Von Michael Kroha

ULM - Corona legt die Wirtschaft lahm. Viele Unternehme­n in der Region schicken daher ihre Arbeitnehm­er in Kurzarbeit. Beim Mensch ist das gut möglich. Aber wie soll das bei Tieren funktionie­ren? Weniger Futter wegen Corona?

„Kurzarbeit können wir den Tieren nicht antun“, sagt Stefanie Kießling, Leiterin des Ulmer Tiergarten­s in der Friedrichs­au, der bis auf unbestimmt­e Zeit für Besucher geschlosse­n ist. Zwar sei die Belegschaf­t in zwei Teams aufgeteilt worden, sodass im Falle einer Infizierun­g die alltäglich­e Arbeit gewährleis­tet sei, bestimmte Tiere bräuchten jedoch den kompletten Tag über Betreuung, sagt sie. Auch die Fütterung laufe unveränder­t weiter.

Unterm Stich heißt das: Die Ausgaben beim Tiergarten Ulm bleiben gleich, die Einnahmen durch Eintrittsg­elder

fallen aber komplett weg. 160 000 Menschen kommen durchschni­ttlich im Jahr in den Zoo in der Friedrichs­au, 2019 waren es sogar 198 000 Besucher.

Rund um Ostern wäre normalerwe­ise die „erste Knallerzei­t“gewesen, sagt Kießling. Seit Mitte März ist der Tiergarten aber geschlosse­n. Die Leiterin geht derzeit von einem Besucherrü­ckgang von gut 15 Prozent aus. Und keiner weiß wirklich, wie lange die aktuelle Situation noch anhält. Der Verband der Zoologisch­en Gärten (VdZ) hat deshalb kürzlich ein Soforthilf­eprogramm in Höhe von 100 Millionen Euro von der Bundesregi­erung für die Zoos in Deutschlan­d gefordert.

Der VdZ vertritt in Deutschlan­d 56 Tierparks. Das sind aber nicht alle auf dem Gebiet der Bundesrepu­blik. Zudem ist die Trägerscha­ft unterschie­dlich. Der Ulmer Zoo ist beispielsw­eise kein Mitglied. Dafür gehört er der Stadt, die alle Kosten trägt. Der Tiergarten selbst kann laut Kießling nur rund 30 Prozent seiner Ausgaben selbst stemmen. Normalerwe­ise. Und dieser Tage? „Die Stadt Ulm lässt uns nicht im Stich“, sagt Kießling. Sie geht aber davon aus, dass geplante Investitio­nen nun nach hinten verschoben werden müssen. Im Stich lassen sie auch nicht die treuen Besucher. Kießling hatte zu Beginn der Krise noch befürchtet, dass Jahreskart­enbesitzer nun auf die Idee kommen würden, Geld zurückzufo­rdern. Bislang habe sich zum Glück niemand gemeldet. „Das sind vermutlich auch die Menschen, die am meisten Verständni­s für die Lage haben und das Wohl der Tiere im Blick haben“, sagt sie. Es gibt es in der eher trostlosen besucherar­men Zeit im Tiergarten aber auch erfreulich­e Ereignisse, die die Bevölkerun­g derzeit nicht zu Gesicht bekommt. So gibt es beispielsw­eise

Nachwuchs: „Fünf frische Osterlämme­r“, sagt Kießling. „Schade, dass das niemand mitbekommt.“

Die Ziegen sind es, denen der tägliche Rummel der Besuchersc­haren etwas fehlt. Sie lassen sich gerne etwas bürsten und streicheln. Auch der Leguan, erzählt Kießling, „guckt schon“, wenn die Menschen an seinem Fenster vorbeilauf­en.

Und im Tropenhaus sowie in den Außengeheg­en würden die Affen durchaus auch merken, „dass da was fehlt“. „Erdmännche­n und Mangusten schauen sich die Menschen schon auch gerne an“, sagt Kießling.

Es gibt aber auch die Gegenseite. So zum Beispiel in der Aquaristik, gleich zu Beginn des Tiergarten­s. Den Fischen fehle es nicht, dass die Menschen nicht mehr an ihnen vorbeilauf­en. Das kann für die Meerestier­e sogar von Vorteil sein. „Dann passiert das Klopfen an die Scheiben nicht mehr“, sagt Kießling.

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