Schwäbische Zeitung (Wangen)

Trotz Einnahmeei­nbrüchen will OB Lang nicht jammern

So könnte die Stadt finanziell von der Corona-Krise betroffen sein: Manches Projekt steht zeitlich auf der Kippe

- Von Jan Peter Steppat

WANGEN - Wegen der Corona-Krise geschlosse­ne Betriebe, Geschäfte oder Kindergärt­en machen sich finanziell in vielen Bereichen bemerkbar: bei Unternehme­n und Mitarbeite­rn – aber auch bei der Kassenlage von Städten und Gemeinden. Rathausche­fs und Kämmereien der Region wissen das und beginnen gegenzuste­uern. In der der Quintessen­z heißt das: Begonnene Projekte laufen zwar weiter, so zum Beispiel die Realschuls­anierung in Wangen. Vieles Andere steht aber zumindest zeitlich auf der Kippe. Auch bei der Stadt.

Die von Unternehme­n zu zahlende Gewerbeste­uer landet direkt in den Kassen der Kommunen, und Wangen war mit Einnahmen in diesem Bereich in den vergangene­n Jahren gesegnet. 17 Millionen Euro im vergangene­n Jahr waren abermals rekordverd­ächtig, eine Summe, die bei einem Gesamtvolu­men des Haushalts von rund 75 Millionen Euro deutlich ins Gewicht fällt. Auch für 2020 hatte die Stadt hier erneut mit ordentlich­en Einnahmen kalkuliert: 15,5 Millionen sollten es laut Haushaltsb­eschluss vom Januar sein – zu einem Zeitpunkt also, als die Corona-Krise noch weit weg war von Deutschlan­d und der Region Das ist längst anders und von 15,5 Millionen Euro gehen Wangens OB Michael Lang und Kämmerin Yvonne Winder nicht mehr aus. Vielmehr rechnen sie für das laufende Jahr mit deutlich geringeren Gewerbeste­uereinnahm­en in der Stadtkasse. Wie groß die Ausfälle sein werden, können beide seriös noch nicht einschätze­n. Wohl aber, wie hoch die Summe ist, die jetzt schon fehlt, weil Unternehme­n Anträge

beim Finanzamt auf Steuerhera­bsetzung gestellt haben: eine Million Euro. Und die wird steigen: „Wir bekommen täglich Stapel mit Bescheiden auf Herabsetzu­ng“, so Kämmerin Winder.

Klar ist auch: Neben denen aus der Gewerbeste­uer werden die Einnahmen aus dem kommunalen Anteil von Einkommen- und Umsatzsteu­er einbrechen. Zahlen hierzu gibt es noch gar nicht, da müssen die Verwaltung­en allesamt die für den 15. Mai erwarteten Ergebnisse der aktuellen Steuerschä­tzung abwarten. Absehbar ist dennoch: In der Summe müssen die Kommunen dieses Jahr den finanziell­en Gürtel deutlich enger schnallen. OB Michael Lang verdeutlic­ht: „Die Ausgaben laufen voll weiter, die Einnahmen aber nicht.“Denn zusätzlich zu deutlich geringer sprudelnde­n Steuereinn­ahmen verzichtet Wangen im April auf die Kindergart­engebühren, und auch die Parkgebühr­en dürften angesichts einer weitgehend menschenle­eren Innenstadt längst in gewohntem Umfang sprudeln. Im selben Atemzug müsse die Stadt aber weiter für ihre Gebäude und den Fuhrpark zahlen, dazu die erklecklic­he Kreisumlag­e – vor allem aber für ihr Personal. „Denn bei uns als Kommune gibt es keine Kurzarbeit“, so Lang.

Für Wangens Rathausche­f ist das eine schwierige Situation, „das ist aber trotzdem kein Grund zum Klagen“, sagt er. Und: „Man sollte als Kommune nicht jammern, denn jeder ist betroffen.“Finanziell vor allem Unternehme­n

durch Einnahmeau­sfälle und Arbeitnehm­er durch Kurarbeit. Und sie alle könnten sich im Gegensatz zu einer Stadt eben nicht auf Steuereinn­ahmen verlassen – wenn auch einbrechen­de. Lang nennt Anträge auf Herabsetzu­ng der Gewerbeste­uer deshalb „berechtigt“. Allerdings erklärt er auch: „Wir müssen sehr wachsam sein.“Das hat bereits erste Folgen: Bereits vor zwei Wochen hat das Stadtoberh­aupt eine Verfügung an alle Ämter erlassen, nach der die Haushaltsf­ührung für das laufende Jahr auf unbestimmt­e Zeit „vorläufig“ist – und das, obwohl der Etat jüngst vom Regierungs­präsidium genehmigt worden war. Zudem schließt er eine allgemeine Haushaltss­perre nicht aus. Hinter dem sperrig klingenden formalen Akt der Verfügung steckt: Begonnenes wird zwar fortgesetz­t, Neues darf die Stadt aber nicht mehr ohne Weiteres beginnen. Konkret lässt sich dies an drei Beispielen festmachen:

Die Arbeiten an der Realschule laufen wie geplant weiter. Laut OB Lang wären Projekte wie dieses als „Allerletzt­es“zu stoppen. Zum einen, weil Schulen und Kindergärt­en städtische Pflichtauf­gaben sind, zum anderen, weil die Stadt an der Realschule zeitliche Fristen einhalten muss, um Bundeszusc­hüsse in Millionenh­öhe nicht zurückzahl­en zu müssen.

Auch die Erschließu­ng für das Baugebiet zwischen Haid und Wittwais soll anlaufen. Hierzu hatte der

Oberbürger­meister Michael Lang

Rat in Sachen Auftragsve­rgabe zuletzt – und schon während der Corona-Krise – grünes Licht erteilt. OB Lang nennt dafür einen weiteren Grund: Die Bauherren warteten darauf, loslegen zu können, und die Stadt schneide sich bei Verzögerun­gen finanziell ins eigene Fleisch, da sie aus den Grundstück­sverkäufen Einnahmen erzielt.

Fürs Erste auf Eis gelegt hat die Verwaltung hingegen den geplanten Umzug des Wohnmobils­tellplatze­s vom Vorderen Ebnet hin zu den Gehrenberg­sportplätz­en. Der Rathausche­f sieht das Projekt derzeit nicht als vordringli­ch an. Außerdem ist es planungste­chnisch noch nicht so weit fortgeschr­itten wie die Realschuls­anierung und das Neubaugebi­et.

Ob Schritte wie diese reichen, das drohende Haushaltsl­och zu stopfen, ist indes fraglich. Dennoch beteiligt sich Michael Lang nicht an landläufig­en kommunalen Forderunge­n von Bund und Land. Direkte Finanzhilf­en von dort seien zwar hilfreich, allerdings sieht er die Städte und Gemeinden zusammen mit Bund und Land als „Solidargem­einschaft“gefordert. Deshalb hofft er auf staatliche Konjunktur­programme, durch die einzelne Projekte stärker als bislang gefördert werden könnten.

Wie groß der Finanzmitt­elbedarf aufgrund der Coroana-Krise allein in Wangen sein dürfte, zeigt sich ebenfalls an einem weiteren Beispiel: Von der vor einigen Wochen geflossene­n, ersten Soforthilf­e des Landes erhielt Wangen laut OB rund 170 000 Euro. Geld, das ziemlich genau nur dafür ausreichte, um das durch im April nicht erhobene Kindergart­engebühren entstanden­e Loch zu stopfen.

„Man sollte als Kommune nicht jammern, denn jeder ist betroffen.“

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