Unternehmer, Milliardär, Kunstmäzen
„Schraubenkönig“Reinhold Würth wird 85 Jahre alt – Was hinter seinem Erfolg steckt
KÜNZELSAU - Sein Name steht für eine der eindrucksvollsten Unternehmerkarrieren der Bundesrepublik, und auch als Kunstsammler und -mäzen genießt er einen zumindest europaweiten Ruf. Am Montag, 20. April, wird der Künzelsauer „Schraubenkönig“Reinhold Würth 85 Jahre alt.
Wer ein so außergewöhnliches Berufsleben hinter sich hat, wird oft nach den Gründen für diesen Erfolg gefragt. Die Antwort von Reinhold Würth ist immer dieselbe. Die frühzeitige Internationalisierung seines Geschäftes sei wohl seine wichtigste unternehmerische Entscheidung gewesen. Tatsächlich hatte Würth schon 1962 seine erste Auslandsgesellschaft in Irland gegründet. Bald darauf folgten weitere in Österreich, der Schweiz und in Italien. Bereits 1969 wagte er den Sprung über den Atlantik nach Nordamerika. Als Weltmarktführer im Handel mit Befestigungstechnik und Montagematerial ist die Würth-Gruppe heute auf allen Kontinenten vertreten.
Das strikt marktorientierte Denken und Handeln, der Blick über die eigenen nationalen Grenzen hinaus schon in jungen Jahren – diese Strategie hat sicher Wesentliches zu dem atemberaubenden Aufstieg der Firma Würth beigetragen. Aber es muss noch mehr dazugekommen sein. Was dies unter anderem war, beschreibt eine Anekdote, die von Reinhold Würth selbst stammt. Als er einmal mit einem Außendienstmitarbeiter unterwegs gewesen sei und dieser während der Arbeitszeit tanken musste, sei ihm folgende Rechnung durch den Kopf gegangen: Ein Tankaufenthalt von zehn Minuten macht zwei Prozent der gesamten Verkaufszeit aus, was auf die Gesamtzahl von
ANZEIGE (damals) 25 000 Verkäufern hochgerechnet bedeutete, dass 500 seiner Außendienstmitarbeiter sozusagen nur dazu da waren, um die Autos zu betanken. Deshalb habe er seiner Mannschaft „dringend empfohlen“, künftig nur noch außerhalb der aktiven Verkaufszeit die Fahrzeuge aufzutanken. Solche Rechnungen mögen manchem recht kleinlich vorkommen. Aber letztlich belegen sie nur Reinhold Würths ausgeprägtes Kostenbewusstsein.
Schon als 14-jährigem Lehrling in der väterlichen Schraubenhandlung war ihm beigebracht worden, mit spitzem Stift zu rechnen. Und wenn das mal nicht so richtig klappte, erinnert er sich, habe es auch ein paar hinter die Löffel gegeben. Diese für heutige Verhältnisse höchst problematische Erziehungsmethode und überhaupt die „beinharte“Ausbildung trägt Würth seinem Vater aber in keiner Weise nach. Im Gegenteil, er sei ihm besonders dankbar für die fachlichen und menschlichen Erfahrungen, die er in seiner Lehrzeit habe sammeln dürfen.
Neben dem Vater, der ein tüchtiger Kaufmann alten Schlages gewesen sein muss, hat Reinhold Würth auch Vorbilder, mit denen er persönlich wohl kaum zu tun hatte. Theodor Heuss gehört dazu, auch der ehemalige Bosch-Chef Hans L. Merkle. Das mag nicht weiter verwundern. Überraschend ist es jedoch, dass der Schöngeist, der Reinhold Würth als Kunstsammler und Musikliebhaber ja auch in hohem Maße ist, in einem Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“ausgerechnet ein Buch mit dem Titel „Vom Kriege“des preußischen Generals Carl von Clausewitz besonders lobte. Bei dessen Lektüre, sagte er, habe er sehr viel fürs Management gelernt.
Aus der aktiven Geschäftsführung hat sich Reinhold Würth schon lange zurückgezogen. Auch den Vorsitz im Beirat hat er bereits 2006 seiner Tochter Bettina übertragen. Daraus den Schluss zu ziehen, dass der Senior alle Fäden aus der Hand gegeben hat, wäre freilich völlig verfehlt. Als Vorsitzender des Aufsichtsrats der Stiftung Würth, die als oberstes Gremium der Würth-Gruppe fungiert, hat er nach wie vor weitestgehende Machtbefugnisse, was heißt, dass im Unternehmen mit seinen knapp 80 000 Mitarbeitern, zu dem heute auch Hotels und Spitzenrestaurants gehören, wohl keine Entscheidung von größerer Tragweite ohne das Wissen oder gar gegen den Willen des alten Patriarchen fällt.
Mit dem Geschäftsverlauf 2019 dürfte Reinhold Würth allerdings nicht ganz zufrieden sein. Das Betriebsergebnis vor Steuern sank um 13,8 Prozent auf 750 Millionen Euro, da die gestiegenen Einkaufspreise nur unzureichend an die Kunden weitergegeben werden konnten. Der Umsatz erhöhte sich jedoch um 4,8 Prozent auf 14,2 Milliarden Euro.
Wo viel Licht ist, gibt es freilich auch Schatten. So sah sich Reinhold Würth 2008 Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen Steuerhinterziehung ausgesetzt, was ihn sehr betroffen machte. Es wurde ein Strafbefehl über 700 Tagessätze (geschätzt waren das 3,5 Millionen Euro) erlassen, den Würth mit Hinweis auf sein vorgerücktes Alter auch akzeptierte, obgleich er bis heute beteuert, nie auch nur einen Cent Schwarzgeld besessen zu haben.
Seit Reinhold Würth öffentlich keine aktive Rolle mehr in seinem Unternehmen spielt, erscheint sein Name fast häufiger in den Feuilletons der Zeitungen als auf den Wirtschaftsseiten. Da geht es vor allem um spektakuläre Ankäufe seiner mittlerweile mehr als 18 000 Objekte umfassenden Kunstsammlung oder um große Ausstellungen in seinen Museen am Unternehmensstandort Künzelsau und in Schwäbisch Hall. Schwerpunkte der Sammlung Würth, die international zu den bedeutendsten privaten Kunstkollektionen gehört, sind Werke der Klassischen Moderne, beispielsweise von Emil Nolde, Max Beckmann und Pablo Picasso, und ganze Werkblöcke der Gegenwartskunst, unter anderem von Georg Baselitz, Anselm Kiefer und Horst Antes. Seine 2003 von dem Adelshaus Fürstenberg erworbene Sammlung an hochwertigsten Gemälden des 15. und 16. Jahrhunderts präsentiert Würth in der aufgelassenen Johanniterkirche in Schwäbisch Hall, die heute als Zweigstelle der dortigen Kunsthalle Würth geführt wird.