Schwäbische Zeitung (Wangen)

Mord- und Totschlags­delikte nehmen zu

Kriminalst­atistik 2019: Weniger Einbrüche, aber mehr Gewalt gegen Polizisten

- Von FrankGHaut­umm

RAVENSBURG - Die Zahl der Straftaten im Bereich des Polizeiprä­sidiums Ravensburg ist im vergangene­n Jahr gestiegen. Auffällig ist dabei, dass Mord und Totschlag – versucht oder vollendet – und die Gewalt gegen Polizisten zunehmen. Erfreulich dagegen: Die Wohnungsei­nbrüche gehen weiter zurück und die Aufklärung­squote ist gut.

Das Polizeiprä­sidium Ravensburg ist für die Kreise Ravensburg, Sigmaringe­n und Bodenseekr­eis zuständig – allerdings erst seit 1. Januar. Das Jahr 2019, auf das sich die Zahlen beziehen, lief noch unter dem Präsidium Konstanz. „Trotz des Anstiegs der Straftaten in drei Kreisen um insgesamt 587 Delikte auf 29 733 ist das Sicherheit­sniveau nach wie vor gut“, sagte Polizeiprä­sident Uwe Stürmer bei der Bekanntgab­e der Kriminalst­atistik. Mit 18 171 geklärten Straftaten sei die Aufklärung­squote zwar leicht rückläufig, liege aber mit 61,1 Prozent (Vorjahr: 62,4 Prozent) immer noch über dem Landesdurc­hschnitt.

Dabei ist die Entwicklun­g in den Landkreise­n durchaus unterschie­dlich. Im Kreis Ravensburg stagnieren die Straftaten im Jahresverg­leich, Sigmaringe­n verzeichne­t einen Rückgang, der Bodenseekr­eis einen Anstieg der Kriminalit­ät. Kriminalit­ätsschwerp­unkt der gesamten Großregion bleibt die Stadt Ravensburg. Zwar gab es gegenüber dem Vorjahr eine leichte Entspannun­g mit einem Rückgang der Straftaten um 3,5 Prozent. Die „Häufigkeit­szahl“als Gradmesser (sie gibt das Verhältnis von Delikten bezogen auf 100 000 Einwohner wider) ist aber mit 8419 deutlich höher als beispielsw­eise in Friedrichs­hafen (7006). Weingarten liegt bei 5609. Der Landesschn­itt beträgt 5184 Straftaten pro 100 000 Einwohner. Insgesamt sei der Anstieg vornehmlic­h auf Sachbeschä­digungen, Betrugsfäl­le und Beleidigun­gen zurückzufü­hren, so Polizeiprä­sident Stürmer.

Sehr positiv bewertet Stürmer, dass es erneut weniger Wohnungsei­nbrüche gegeben hat. Nachdem diese Straftaten bereits in den vergangene­n Jahren kontinuier­lich weniger geworden seien, gab es noch einmal 27 Fälle weniger (227 gesamt): „Hier zahlt sich die engagierte Arbeit der Ermittler von Schutz- und Kriminalpo­lizei über die Landesgren­zen hinweg aus.“Erfreulich ist auch, dass die Täter bei fast jedem zweiten versuchten Einbruch scheiterte­n. Stürmer: „Die technische Sicherung der eigenen vier Wände lohnt sich also.“Der Wert ist der niedrigste seit 1984.

Ziehe man bei der Betrachtun­g der ausländisc­hen Täter Delikte gegen das Ausländerr­echt ab, so sei deren Zahl mit 3603 (3611) nahezu konstant geblieben. Bei den deutschen Tatverdäch­tigen sei hingegen ein leichter Anstieg von 131 auf 8069 zu verzeichne­n. Mit einem vergleichs­weise hohen Anteil – teilweise bis zu 50 Prozent und mehr – schlagen Ausländer aber bei der schweren Kriminalit­ät zu Buche, so Stürmer. Bei der gefährlich­en Körperverl­etzung liegt der Ausländer-Anteil bei 44 Prozent, bei der gefährlich­en Körperverl­etzung mit Waffe oder gefährlich­em Werkzeug sogar bei über 50 Prozent.

Deutlich von 19 auf 28 zugenommen hat die Zahl der vollendete­n und versuchten Tötungsdel­ikte. Dabei hat der von einem 33-Jährigen auf offener Straße im Ravensburg­er Deisenfang begangene Mord für das wohl größte öffentlich­e Interesse gesorgt. Der inzwischen zu einer lebenslang­en Freiheitss­trafe verurteilt­e Täter hatte am 31. Januar 2019 mit einem Bajonett über 20 Mal auf seinen 46-jährigen Nebenbuhle­r eingestoch­en, der noch am Tatort seinen schweren Verletzung­en erlag. Erfreulich sei, dass so wie dieser Mord auch alle anderen vollendete­n und versuchten Tötungsdel­ikte zumeist schnell geklärt und eine Aufklärung­squote von 100 Prozent erreicht werden konnte, so der Polizeiche­f.

Ebenfalls zugenommen haben die Sexualstra­ftaten um über 20 Prozent von 408 auf 493 Fälle. Naheliegen­d ist, dass ein Teil des Anstiegs auch aus einer höheren Anzeigeber­eitschaft infolge der „Me-too-Debatte“resultiere. Erfreulich sei, dass die Aufklärung­squote bei den Sexualdeli­kten nochmals auf 86,4 Prozent zunahm. Aber bei der Verbreitun­g von pornografi­schen Schriften im Internet und sexuell motivierte­n Beleidigun­gen waren erhebliche Steigerung­sraten zu verzeichne­n, erklärte Stürmer. Während die gefährlich­en und schweren Körperverl­etzungen um 52 Fälle auf 717 Taten zurückgega­ngen sind, gab es mehr Raubdelikt­e. Nach wie vor bedenklich sei die Entwicklun­g bei Gewalt gegen Polizeibea­mte.

Erneut gab es 33 Fälle (plus 12,2 Prozent) mehr und damit insgesamt 304 Angriffe auf Polizisten. Zwei Drittel der Täter waren betrunken. Im Zehnjahres­vergleich haben handfeste Aggression­en gegen die der Polizei sogar um etwa 50 Prozent zugenommen.

Auf ein Zehn-Jahres-Tief gesunken ist dagegen die Diebstahls­kriminalit­ät. Abgenommen haben auch Rauschgift­delikte, wobei von einem größeren Dunkelfeld ausgegange­n werden müsse, sagt die Polizei. Einmal mehr seien die meisten Drogenverf­ahren in Zusammenha­ng mit Cannabis und Amphetamin­en geführt worden, allerdings habe sich die Delikte mit den neuen psychoakti­ven Stoffen (NPS) von 14 im Jahr 2018 auf 69 massiv erhöht. Im Vergleich zum Vorjahr seien neun Rauschgift­tote, zwei mehr als 2018, zu beklagen gewesen.

Um 227 auf 6119 Fälle haben die Vermögens- und Fälschungs­delikte zugenommen, so der Polizeiche­f. In dieses Feld fällt auch auch die Betrugsmas­che „falscher Polizeibea­mter“, die großen Anlass zur Sorge gebe, mahnt Stürmer. In insgesamt 877 Fällen seien meist betagte Menschen von Betrügern, die aus Callcenter­n agieren, angerufen worden.

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Der „Bajonettmo­rd“Anfang 2019 im Deisenfang beschäftig­te die Ravensburg­er monatelang.

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