Mord- und Totschlagsdelikte nehmen zu
Kriminalstatistik 2019: Weniger Einbrüche, aber mehr Gewalt gegen Polizisten
RAVENSBURG - Die Zahl der Straftaten im Bereich des Polizeipräsidiums Ravensburg ist im vergangenen Jahr gestiegen. Auffällig ist dabei, dass Mord und Totschlag – versucht oder vollendet – und die Gewalt gegen Polizisten zunehmen. Erfreulich dagegen: Die Wohnungseinbrüche gehen weiter zurück und die Aufklärungsquote ist gut.
Das Polizeipräsidium Ravensburg ist für die Kreise Ravensburg, Sigmaringen und Bodenseekreis zuständig – allerdings erst seit 1. Januar. Das Jahr 2019, auf das sich die Zahlen beziehen, lief noch unter dem Präsidium Konstanz. „Trotz des Anstiegs der Straftaten in drei Kreisen um insgesamt 587 Delikte auf 29 733 ist das Sicherheitsniveau nach wie vor gut“, sagte Polizeipräsident Uwe Stürmer bei der Bekanntgabe der Kriminalstatistik. Mit 18 171 geklärten Straftaten sei die Aufklärungsquote zwar leicht rückläufig, liege aber mit 61,1 Prozent (Vorjahr: 62,4 Prozent) immer noch über dem Landesdurchschnitt.
Dabei ist die Entwicklung in den Landkreisen durchaus unterschiedlich. Im Kreis Ravensburg stagnieren die Straftaten im Jahresvergleich, Sigmaringen verzeichnet einen Rückgang, der Bodenseekreis einen Anstieg der Kriminalität. Kriminalitätsschwerpunkt der gesamten Großregion bleibt die Stadt Ravensburg. Zwar gab es gegenüber dem Vorjahr eine leichte Entspannung mit einem Rückgang der Straftaten um 3,5 Prozent. Die „Häufigkeitszahl“als Gradmesser (sie gibt das Verhältnis von Delikten bezogen auf 100 000 Einwohner wider) ist aber mit 8419 deutlich höher als beispielsweise in Friedrichshafen (7006). Weingarten liegt bei 5609. Der Landesschnitt beträgt 5184 Straftaten pro 100 000 Einwohner. Insgesamt sei der Anstieg vornehmlich auf Sachbeschädigungen, Betrugsfälle und Beleidigungen zurückzuführen, so Polizeipräsident Stürmer.
Sehr positiv bewertet Stürmer, dass es erneut weniger Wohnungseinbrüche gegeben hat. Nachdem diese Straftaten bereits in den vergangenen Jahren kontinuierlich weniger geworden seien, gab es noch einmal 27 Fälle weniger (227 gesamt): „Hier zahlt sich die engagierte Arbeit der Ermittler von Schutz- und Kriminalpolizei über die Landesgrenzen hinweg aus.“Erfreulich ist auch, dass die Täter bei fast jedem zweiten versuchten Einbruch scheiterten. Stürmer: „Die technische Sicherung der eigenen vier Wände lohnt sich also.“Der Wert ist der niedrigste seit 1984.
Ziehe man bei der Betrachtung der ausländischen Täter Delikte gegen das Ausländerrecht ab, so sei deren Zahl mit 3603 (3611) nahezu konstant geblieben. Bei den deutschen Tatverdächtigen sei hingegen ein leichter Anstieg von 131 auf 8069 zu verzeichnen. Mit einem vergleichsweise hohen Anteil – teilweise bis zu 50 Prozent und mehr – schlagen Ausländer aber bei der schweren Kriminalität zu Buche, so Stürmer. Bei der gefährlichen Körperverletzung liegt der Ausländer-Anteil bei 44 Prozent, bei der gefährlichen Körperverletzung mit Waffe oder gefährlichem Werkzeug sogar bei über 50 Prozent.
Deutlich von 19 auf 28 zugenommen hat die Zahl der vollendeten und versuchten Tötungsdelikte. Dabei hat der von einem 33-Jährigen auf offener Straße im Ravensburger Deisenfang begangene Mord für das wohl größte öffentliche Interesse gesorgt. Der inzwischen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilte Täter hatte am 31. Januar 2019 mit einem Bajonett über 20 Mal auf seinen 46-jährigen Nebenbuhler eingestochen, der noch am Tatort seinen schweren Verletzungen erlag. Erfreulich sei, dass so wie dieser Mord auch alle anderen vollendeten und versuchten Tötungsdelikte zumeist schnell geklärt und eine Aufklärungsquote von 100 Prozent erreicht werden konnte, so der Polizeichef.
Ebenfalls zugenommen haben die Sexualstraftaten um über 20 Prozent von 408 auf 493 Fälle. Naheliegend ist, dass ein Teil des Anstiegs auch aus einer höheren Anzeigebereitschaft infolge der „Me-too-Debatte“resultiere. Erfreulich sei, dass die Aufklärungsquote bei den Sexualdelikten nochmals auf 86,4 Prozent zunahm. Aber bei der Verbreitung von pornografischen Schriften im Internet und sexuell motivierten Beleidigungen waren erhebliche Steigerungsraten zu verzeichnen, erklärte Stürmer. Während die gefährlichen und schweren Körperverletzungen um 52 Fälle auf 717 Taten zurückgegangen sind, gab es mehr Raubdelikte. Nach wie vor bedenklich sei die Entwicklung bei Gewalt gegen Polizeibeamte.
Erneut gab es 33 Fälle (plus 12,2 Prozent) mehr und damit insgesamt 304 Angriffe auf Polizisten. Zwei Drittel der Täter waren betrunken. Im Zehnjahresvergleich haben handfeste Aggressionen gegen die der Polizei sogar um etwa 50 Prozent zugenommen.
Auf ein Zehn-Jahres-Tief gesunken ist dagegen die Diebstahlskriminalität. Abgenommen haben auch Rauschgiftdelikte, wobei von einem größeren Dunkelfeld ausgegangen werden müsse, sagt die Polizei. Einmal mehr seien die meisten Drogenverfahren in Zusammenhang mit Cannabis und Amphetaminen geführt worden, allerdings habe sich die Delikte mit den neuen psychoaktiven Stoffen (NPS) von 14 im Jahr 2018 auf 69 massiv erhöht. Im Vergleich zum Vorjahr seien neun Rauschgifttote, zwei mehr als 2018, zu beklagen gewesen.
Um 227 auf 6119 Fälle haben die Vermögens- und Fälschungsdelikte zugenommen, so der Polizeichef. In dieses Feld fällt auch auch die Betrugsmasche „falscher Polizeibeamter“, die großen Anlass zur Sorge gebe, mahnt Stürmer. In insgesamt 877 Fällen seien meist betagte Menschen von Betrügern, die aus Callcentern agieren, angerufen worden.