Verwaltung: Kein Einvernehmen für Berghof
„Gülleexporte“von Bad Grönenbach nach Kißlegg sind nur ein Teil der Befürchtungen
KISSLEGG/BAD GRÖNENBACH Grüner Strom ist gefragt. Im Allgäu wird er neben der Wasserkraft vor allem durch Photovoltaik– und Biogasanlagen gewonnen. Eine Biogasanlage auf dem über Zaisenhofen liegenden Berghof soll nun erweitert werden. Ob sie das gemeindliche Einvernehmen dafür erteilen, darüber werden die Kißlegger Räte am Mittwoch in ihrer Sitzung in der Mensa beraten. Teilweise scharf argumentiert die Verwaltung, warum die Genehmigung nicht erteilt werden soll. Offensichtlich spielen dabei negative Erfahrungen in der Vergangenheit rund um die Hofstelle eine Rolle. Den Hof hat vor einiger Zeit ein Landwirt gekauft, der an mehreren Standorten tätig ist. Sollten die Gemeinderäte ihm das Einvernehmen verweigern, heißt das aber nicht, dass es nicht doch noch zu einer Genehmigung kommt. Denn das Landratsamt hat ein gehöriges Wörtchen mitzureden.
Was ist auf dem Berghof an Veränderung geplant?
Der Betreiber aus Bad Grönenbach – er hat mehrere landwirtschaftliche Betriebe – will ein drittes Blockheizkraftwerk bauen und die beiden bestehenden entdrosseln – sprich: die Leistung erhöhen. Bei der Modernisierung, Erweiterung und Einhausung der Blockheizkraftwerke hat die Gemeinde wenig Bedenken. Aber: Unter anderem ist bei der Biogasanlage die Erhöhung der Durchsatzkapazität von Einsatzstoffen von 20,3 Tonnen pro Tag auf 34,5 Tonnen pro Tag geplant. An diesem Punkt und möglichen Folgen haken Bürgermeister Dieter Krattenmacher und Bauamtsleiter Manfred Rommel, sie sind Unterzeichner der Sitzungsvorlage, ein.
Warum hat die Gemeindeverwaltung Bedenken?
Mehr Kühe und mehr Transport:
Die höhere Kapazität beim Durchsatz werde unter anderem auch damit begründet, dass der Milchviehbetrieb ausgebaut werden soll, ist der Sitzungsvorlage zu entnehmen. Dies sei aber nach dem Kenntnisstand der Gemeinde noch nicht genehmigt. Denn es gebe Bedenken wegen einer zusätzlichen Immissionsbelastung für Zaisenhofen. Die Verwaltung nimmt an, dass – wenn mehr Milchvieh auf dem Berghof nicht genehmigt wird – mehr Rohstoffe für den Betrieb der Biogasanlage
von außerhalb zum Berghof gefahren werden. Die Befürchtung: Der Schwerlastverkehr auf den Zubringerstraßen steigt an.
Das sei unter anderem problematisch, weil die Robert-Bosch-Straße schon heute nicht in der Lage sei, den Verkehr sicher und reibungslos aufzunehmen. Und die Verwaltung weist auch darauf hin, dass zusätzliche Schwertransporte zu weiteren Beschädigungen des öffentlichen Straßennetzes führen würden. Sicherheitsrelevant sei, dass nirgendwo auf den Zufahrten Begegnungsverkehr möglich ist. Außerdem seien alle öffentlichen Zufahrten zum Berghof nicht nur ausgewiesene, sondern auch gern genutzte Rad– und Wanderwege.
„Gülleexporte“und Nitratprobleme:
„Der Antragsteller führt ja aus, dass die Einsatzstoffe nur teilweise von den landwirtschaftlichen Flächen des Berghofs stammen“, heißt es in der Sitzungsvorlage. Dass zusätzliche Biogasanlagen-Rohstoffe und Düngemittel aus der Region um Bad Grönenbach nach Kißlegg kommen, sei wegen der Betriebsstruktur anzunehmen. „Es ist bekannt, dass es vor allem nördlich von Bad Grönenbach Probleme mit einer sehr hohen Nährstoffversorgung und Nitratprobleme im Grundwasser gibt“, weiß die Verwaltung. Die Befürchtung: Es kommt zu „Gülleexporten“von Bad Grönenbach nach Kißlegg.
Zum Hintergrund: Unabhängig von dem Nitratproblem machte der genannte Hof in Bad Grönenbach im vergangen Jahr bundesweite Schlagzeilen, als Tierschützer mit versteckten Kameras im Stall massive Tierquälerei aufdeckten. Kurz darauf ließ Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) den Berghof und einen Hof bei Immenried – beide gehören dem Landwirt aus Bad Grönenbach – von Tierärzten des hiesigen Landratsamts kontrollieren. Die Veterinäre bescheinigten den Kühen auf den nicht vom Inhaber, sondern von Betriebsleitern geführten Höfen einen „ordentlichen Zustand“.
Zurück zur Erweiterung der Biogasanlage: Sollte es Gülletransporte vom Unterallgäu nach Kißlegg geben, könnte es laut Sitzungsvorlage negative Auswirkungen auf das Grundwasser und die im Kißlegger Gemeindegebiet sehr verbreitete dezentrale Wasserversorgung geben. Hinzu kommt: „Besonders nachteilig können hohe Düngemittelfrachten bekanntlich bei Niedermoorflächen wirken, wovon der Antragsteller auf dem Gemeindegebiet mehrere Hektar bewirtschaftet.“
Abwasser und Abwärme:
Aufgrund „einschlägiger Erfahrungen in den vergangen Jahren“bestehen bei der Verwaltung Bedenken, ob die Abwässer vom Berghof richtig entsorgt werden. Über längere Zeit seien diese wohl in öffentliche Gewässer geflossen, wo sie einen erheblichen Schaden angerichtet hätten. Auch sei das hofeigene Wasserdargebot nicht immer ausreichend gewesen, sodass die Tiere auf dem Hof über das öffentliche Wassernetz notversorgt werden mussten. Bei der Wärmenutzung der Biogasanlage fragt sich die Verwaltung auch: „Wird die zusätzliche Wärme an die Umwelt abgegeben?“Aus Gemeindesicht sei dies nicht akzeptabel.
„Nicht ausreichendes Fachwissen“und Havarie:
Sicherheitsbedenken hegt die Verwaltung bezüglich einer Havarie. Sollten Gülle oder Sickersäfte in hohem Maße austreten, könnte die Lage des Hofs auf der Anhöhe über Zaisenhofen problematisch sein. Und: Aufgrund von Erfahrungen aus den vergangenen Jahren, weil häufig das Betriebspersonal auf dem Hof gewechselt ist und eventuell das Fachwissen nicht ausreiche, ist für die Gemeinde eine Havarie nicht ausgeschlossen und somit die Sicherheit der umliegenden Bewohner und Firmen nicht mehr gewährleistet. In einem solchen Havarieoder Brandfall stelle sich auch die Frage, ob die Rettungskräfte personell und technisch in der Lage sind, die Sicherheit für die Anwohner zu herzustellen.
Geruch und Arbeitsplätze:
Eine Vielzahl an Anwohnern habe sich in der Vergangenheit bei der Gemeinde über den Geruch rund um den Berghof beschwert. Deshalb liege nahe, dass die Geruchsbelastung in Zaisehnhofen, Goppertshofen und Liebenried schon heute erheblich ist. Eine Geruchsprognose beweist laut Verwaltung, dass in der RobertBosch-Straße und in der Raiffeisenstraße sowie westlich davon mit mehr Geruchsbelästigung zu rechnen ist.
Hier sieht die Gemeinde eine Gefahr für die weitere Entwicklung von Zaisenhofen. Denn die dort ansässigen Betriebe könnten durch mehr Immissionen in Zaisenhofen – auch wenn sie sprichwörtlich nicht hausgemacht sind – weniger entwicklungsfähig sein. „Dagegen spricht sich die Gemeinde mit aller Deutlichkeit aus.“Für die Gemeinde habe es mehr Bedeutung, dass sich die Firmen
„den sich wandelnden Anforderungen anpassen können und dies nicht durch ein einziges Vorhaben mit nahezu keinem Beschäftigungseffekt, aber erheblichen Umweltauswirkungen bedroht wird.“
Schon heute sieht die Gemeinde die Aufzählung des Landratsamtes an „geruchsrelevanten Betrieben“im Gewerbegebiet kritisch. Hier fehlen laut Sitzungsvorlage der Wertstoffhof, drei Lackierereien, zwei größere Holzverbrennungsanlagen und eine Tankstelle. Hinzu kommt Tierhaltung im nahegelegenen Goppertshofen, in Schornreute und in Zaisenhofen. Dadurch könnten die „noch frei verfügbaren Immissionskontingente“kleiner sein, als bislang angenommen.
Wie wichtig ist das Einvernehmen des Gemeinderats?
Das Einvernehmen durch den Gemeinderat – ob es nun erteilt wird oder nicht – ist bei der Frage nach einer Genehmigung nur einer von vielen Schritten. Denn für die Genehmigung ist letztlich dr Landkreis Ravensburg zuständig. Franz Hirth, Sprecher des Landratsamts, erklärt auf SZ-Nachfrage: „In diesen Fällen gilt grundsätzlich, dass die jeweilige Gemeinde vom Landratsamt angehört wird.“Das werden die Beratungen im Gemeinderat sein.
Die Gemeinderäte dürfen das Vorhaben aber nur danach beurteilen, ob es bauplanungsrechtlich in Ordnung ist. Sollten sie das Einvernehmen aus anderen Gründen verweigern, prüft das Landratsamt Ravensburg, ob die Verweigerung rechtswidrig ist. „Falls ja, muss das Landratsamt das Einvernehmen ersetzen“, erklärt Hirth. Und weiter: „Inwieweit das Vorhaben ohne gemeindliches Einvernehmen umgesetzt werden kann, ist von der Prüfung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften – beispielsweise Immissionsschutzrecht, Wasserrecht und so weiter – abhängig.“
Der Gemeinderat Kißlegg tagt am Mittwoch, 22. April, ab 18 Uhr in der Mensa am Schulzentrum. Neben dem Berghof geht es um den Erlass einer Haushaltssperre und um den Bebauungsplan für das Baugebiet Tannenstock zwischen Kißlegg und Emmelhofen. Die Gemeinde weist darauf hin, dass wegen der geltenden Abstandsregeln nur bedingt Plätze für Zuschauer zur Verfügung stehen.