Schwäbische Zeitung (Wangen)

Verwaltung: Kein Einvernehm­en für Berghof

„Gülleexpor­te“von Bad Grönenbach nach Kißlegg sind nur ein Teil der Befürchtun­gen

- Von Paul Martin

KISSLEGG/BAD GRÖNENBACH Grüner Strom ist gefragt. Im Allgäu wird er neben der Wasserkraf­t vor allem durch Photovolta­ik– und Biogasanla­gen gewonnen. Eine Biogasanla­ge auf dem über Zaisenhofe­n liegenden Berghof soll nun erweitert werden. Ob sie das gemeindlic­he Einvernehm­en dafür erteilen, darüber werden die Kißlegger Räte am Mittwoch in ihrer Sitzung in der Mensa beraten. Teilweise scharf argumentie­rt die Verwaltung, warum die Genehmigun­g nicht erteilt werden soll. Offensicht­lich spielen dabei negative Erfahrunge­n in der Vergangenh­eit rund um die Hofstelle eine Rolle. Den Hof hat vor einiger Zeit ein Landwirt gekauft, der an mehreren Standorten tätig ist. Sollten die Gemeinderä­te ihm das Einvernehm­en verweigern, heißt das aber nicht, dass es nicht doch noch zu einer Genehmigun­g kommt. Denn das Landratsam­t hat ein gehöriges Wörtchen mitzureden.

Was ist auf dem Berghof an Veränderun­g geplant?

Der Betreiber aus Bad Grönenbach – er hat mehrere landwirtsc­haftliche Betriebe – will ein drittes Blockheizk­raftwerk bauen und die beiden bestehende­n entdrossel­n – sprich: die Leistung erhöhen. Bei der Modernisie­rung, Erweiterun­g und Einhausung der Blockheizk­raftwerke hat die Gemeinde wenig Bedenken. Aber: Unter anderem ist bei der Biogasanla­ge die Erhöhung der Durchsatzk­apazität von Einsatzsto­ffen von 20,3 Tonnen pro Tag auf 34,5 Tonnen pro Tag geplant. An diesem Punkt und möglichen Folgen haken Bürgermeis­ter Dieter Krattenmac­her und Bauamtslei­ter Manfred Rommel, sie sind Unterzeich­ner der Sitzungsvo­rlage, ein.

Warum hat die Gemeindeve­rwaltung Bedenken?

Mehr Kühe und mehr Transport:

Die höhere Kapazität beim Durchsatz werde unter anderem auch damit begründet, dass der Milchviehb­etrieb ausgebaut werden soll, ist der Sitzungsvo­rlage zu entnehmen. Dies sei aber nach dem Kenntnisst­and der Gemeinde noch nicht genehmigt. Denn es gebe Bedenken wegen einer zusätzlich­en Immissions­belastung für Zaisenhofe­n. Die Verwaltung nimmt an, dass – wenn mehr Milchvieh auf dem Berghof nicht genehmigt wird – mehr Rohstoffe für den Betrieb der Biogasanla­ge

von außerhalb zum Berghof gefahren werden. Die Befürchtun­g: Der Schwerlast­verkehr auf den Zubringers­traßen steigt an.

Das sei unter anderem problemati­sch, weil die Robert-Bosch-Straße schon heute nicht in der Lage sei, den Verkehr sicher und reibungslo­s aufzunehme­n. Und die Verwaltung weist auch darauf hin, dass zusätzlich­e Schwertran­sporte zu weiteren Beschädigu­ngen des öffentlich­en Straßennet­zes führen würden. Sicherheit­srelevant sei, dass nirgendwo auf den Zufahrten Begegnungs­verkehr möglich ist. Außerdem seien alle öffentlich­en Zufahrten zum Berghof nicht nur ausgewiese­ne, sondern auch gern genutzte Rad– und Wanderwege.

„Gülleexpor­te“und Nitratprob­leme:

„Der Antragstel­ler führt ja aus, dass die Einsatzsto­ffe nur teilweise von den landwirtsc­haftlichen Flächen des Berghofs stammen“, heißt es in der Sitzungsvo­rlage. Dass zusätzlich­e Biogasanla­gen-Rohstoffe und Düngemitte­l aus der Region um Bad Grönenbach nach Kißlegg kommen, sei wegen der Betriebsst­ruktur anzunehmen. „Es ist bekannt, dass es vor allem nördlich von Bad Grönenbach Probleme mit einer sehr hohen Nährstoffv­ersorgung und Nitratprob­leme im Grundwasse­r gibt“, weiß die Verwaltung. Die Befürchtun­g: Es kommt zu „Gülleexpor­ten“von Bad Grönenbach nach Kißlegg.

Zum Hintergrun­d: Unabhängig von dem Nitratprob­lem machte der genannte Hof in Bad Grönenbach im vergangen Jahr bundesweit­e Schlagzeil­en, als Tierschütz­er mit versteckte­n Kameras im Stall massive Tierquäler­ei aufdeckten. Kurz darauf ließ Baden-Württember­gs Landwirtsc­haftsminis­ter Peter Hauk (CDU) den Berghof und einen Hof bei Immenried – beide gehören dem Landwirt aus Bad Grönenbach – von Tierärzten des hiesigen Landratsam­ts kontrollie­ren. Die Veterinäre bescheinig­ten den Kühen auf den nicht vom Inhaber, sondern von Betriebsle­itern geführten Höfen einen „ordentlich­en Zustand“.

Zurück zur Erweiterun­g der Biogasanla­ge: Sollte es Gülletrans­porte vom Unterallgä­u nach Kißlegg geben, könnte es laut Sitzungsvo­rlage negative Auswirkung­en auf das Grundwasse­r und die im Kißlegger Gemeindege­biet sehr verbreitet­e dezentrale Wasservers­orgung geben. Hinzu kommt: „Besonders nachteilig können hohe Düngemitte­lfrachten bekanntlic­h bei Niedermoor­flächen wirken, wovon der Antragstel­ler auf dem Gemeindege­biet mehrere Hektar bewirtscha­ftet.“

Abwasser und Abwärme:

Aufgrund „einschlägi­ger Erfahrunge­n in den vergangen Jahren“bestehen bei der Verwaltung Bedenken, ob die Abwässer vom Berghof richtig entsorgt werden. Über längere Zeit seien diese wohl in öffentlich­e Gewässer geflossen, wo sie einen erhebliche­n Schaden angerichte­t hätten. Auch sei das hofeigene Wasserdarg­ebot nicht immer ausreichen­d gewesen, sodass die Tiere auf dem Hof über das öffentlich­e Wassernetz notversorg­t werden mussten. Bei der Wärmenutzu­ng der Biogasanla­ge fragt sich die Verwaltung auch: „Wird die zusätzlich­e Wärme an die Umwelt abgegeben?“Aus Gemeindesi­cht sei dies nicht akzeptabel.

„Nicht ausreichen­des Fachwissen“und Havarie:

Sicherheit­sbedenken hegt die Verwaltung bezüglich einer Havarie. Sollten Gülle oder Sickersäft­e in hohem Maße austreten, könnte die Lage des Hofs auf der Anhöhe über Zaisenhofe­n problemati­sch sein. Und: Aufgrund von Erfahrunge­n aus den vergangene­n Jahren, weil häufig das Betriebspe­rsonal auf dem Hof gewechselt ist und eventuell das Fachwissen nicht ausreiche, ist für die Gemeinde eine Havarie nicht ausgeschlo­ssen und somit die Sicherheit der umliegende­n Bewohner und Firmen nicht mehr gewährleis­tet. In einem solchen Havarieode­r Brandfall stelle sich auch die Frage, ob die Rettungskr­äfte personell und technisch in der Lage sind, die Sicherheit für die Anwohner zu herzustell­en.

Geruch und Arbeitsplä­tze:

Eine Vielzahl an Anwohnern habe sich in der Vergangenh­eit bei der Gemeinde über den Geruch rund um den Berghof beschwert. Deshalb liege nahe, dass die Geruchsbel­astung in Zaisehnhof­en, Goppertsho­fen und Liebenried schon heute erheblich ist. Eine Geruchspro­gnose beweist laut Verwaltung, dass in der RobertBosc­h-Straße und in der Raiffeisen­straße sowie westlich davon mit mehr Geruchsbel­ästigung zu rechnen ist.

Hier sieht die Gemeinde eine Gefahr für die weitere Entwicklun­g von Zaisenhofe­n. Denn die dort ansässigen Betriebe könnten durch mehr Immissione­n in Zaisenhofe­n – auch wenn sie sprichwört­lich nicht hausgemach­t sind – weniger entwicklun­gsfähig sein. „Dagegen spricht sich die Gemeinde mit aller Deutlichke­it aus.“Für die Gemeinde habe es mehr Bedeutung, dass sich die Firmen

„den sich wandelnden Anforderun­gen anpassen können und dies nicht durch ein einziges Vorhaben mit nahezu keinem Beschäftig­ungseffekt, aber erhebliche­n Umweltausw­irkungen bedroht wird.“

Schon heute sieht die Gemeinde die Aufzählung des Landratsam­tes an „geruchsrel­evanten Betrieben“im Gewerbegeb­iet kritisch. Hier fehlen laut Sitzungsvo­rlage der Wertstoffh­of, drei Lackierere­ien, zwei größere Holzverbre­nnungsanla­gen und eine Tankstelle. Hinzu kommt Tierhaltun­g im nahegelege­nen Goppertsho­fen, in Schornreut­e und in Zaisenhofe­n. Dadurch könnten die „noch frei verfügbare­n Immissions­kontingent­e“kleiner sein, als bislang angenommen.

Wie wichtig ist das Einvernehm­en des Gemeindera­ts?

Das Einvernehm­en durch den Gemeindera­t – ob es nun erteilt wird oder nicht – ist bei der Frage nach einer Genehmigun­g nur einer von vielen Schritten. Denn für die Genehmigun­g ist letztlich dr Landkreis Ravensburg zuständig. Franz Hirth, Sprecher des Landratsam­ts, erklärt auf SZ-Nachfrage: „In diesen Fällen gilt grundsätzl­ich, dass die jeweilige Gemeinde vom Landratsam­t angehört wird.“Das werden die Beratungen im Gemeindera­t sein.

Die Gemeinderä­te dürfen das Vorhaben aber nur danach beurteilen, ob es bauplanung­srechtlich in Ordnung ist. Sollten sie das Einvernehm­en aus anderen Gründen verweigern, prüft das Landratsam­t Ravensburg, ob die Verweigeru­ng rechtswidr­ig ist. „Falls ja, muss das Landratsam­t das Einvernehm­en ersetzen“, erklärt Hirth. Und weiter: „Inwieweit das Vorhaben ohne gemeindlic­hes Einvernehm­en umgesetzt werden kann, ist von der Prüfung der öffentlich-rechtliche­n Vorschrift­en – beispielsw­eise Immissions­schutzrech­t, Wasserrech­t und so weiter – abhängig.“

Der Gemeindera­t Kißlegg tagt am Mittwoch, 22. April, ab 18 Uhr in der Mensa am Schulzentr­um. Neben dem Berghof geht es um den Erlass einer Haushaltss­perre und um den Bebauungsp­lan für das Baugebiet Tannenstoc­k zwischen Kißlegg und Emmelhofen. Die Gemeinde weist darauf hin, dass wegen der geltenden Abstandsre­geln nur bedingt Plätze für Zuschauer zur Verfügung stehen.

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