Die Zahl der Unfälle steigt auf Rekordniveau
Viel zu viele Autofahrer lassen sich vom Handy ablenken – Polizei Lindenberg vermeldet aber auch Erfreuliches
LINDENBERG - Es ist einfach zu verlockend, um es nicht zu tun. Ist ja nur ganz kurz. Ein kurzer Wischer und ein kurzer Blick auf den Bildschirm, um die eingegangene WhatsApp zu lesen. In der Tat geht es schnell – und zwar schnell schief. „Wer bei 100 km/h auf sein Handy schaut, begibt sich für mehrere Hundert Meter in den Blindflug“, verdeutlicht Lindenbergs Polizeichef Christian Wucher.
Obwohl die mitunter schlimmen Folgen hinlänglich bekannt sein sollten, lassen sich immer noch viel zu viele Autofahrer vom Geschehen auf der Straße ablenken. „Bei einer Vielzahl der schwerwiegenden Unfälle ist der Blick auf das Handy oder auf das Navi die Ursache dafür, dass das Auto zum Beispiel in den Gegenverkehr gerät“, sagt Wucher. Das Problem für ihn und seine Kollegen: Oft lässt es sich im Nachhinein nicht mehr hundertprozentig nachweisen.
Doch seine Erfahrung zeigt: Handy & Co. sind ein wesentlicher Grund dafür, dass die Zahl der Verkehrsunfälle im Westallgäu im vierten Jahr in Folge gestiegen ist. Die Polizei Lindenberg hat in ihrem Dienstbereich insgesamt 927 Unfälle bearbeitet – das sind nochmals fünf mehr als im bisherigen Rekordjahr 2018. Zum Vergleich: Zwischen 2009 und 2018 lag der Schnitt bei lediglich 786 Unfällen pro Jahr.
Erfreulich aus Sicht des Polizeichefs ist die Tatsache, dass es sich bei mehr als der Hälfte um Kleinunfälle handelt (519) und die Zahl der Unfälle mit Personenschaden um fast zwölf Prozent zurückgegangen ist (164). Hingegen haben die schwerwiegenden Unfälle mit Sachschaden um 18,5 Prozent zugenommen (244). Darunter versteht die Polizei Unfälle, bei denen eine mit einem Bußgeld versehene Ordnungswidrigkeit oder gar eine Straftat die Ursache ist. Das können beispielsweise Fahrten unter
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Alkohol- oder Drogeneinfluss sein. Zwei Menschen sind im vergangenen Jahr im Straßenverkehr ums Leben gekommen: Ein Motorradfahrer ist in Hergensweiler auf ein stehendes Auto aufgefahren – und ein Rollerfahrer in Stiefenhofen verunglückt, nachdem ihm an einer Engstelle ein Fahrzeug entgegengekommen ist. Damit lag 2019 deutlich unter dem langjährigen Mittelwert (3,8), wobei diese Zahl von Jahr zu Jahr mitunter sprunghaft variiert. 2018 waren es noch fünf Tote. „Diese Schwankungen hat man nicht im Griff“, bedauert Wucher. Man könne daraus auch keine Prognose ableiten.
Als sehr positiv bewertet Wucher die Entwicklung bei den Fahrradfahrern. Die Zahl der Unfälle ist um fast ein Drittel auf 38 gesunken. In zehn Fällen handelte es sich dabei um ein E-Bike oder Pedelec. Und nachdem 2018 noch zwei Radler ums Leben gekommen waren, ist nun sowohl die Zahl der Schwerverletzten (von zwölf auf fünf) als auch der Leichtverletzten (von 45 auf 33) deutlich gesunken.
Bei den Wildunfällen ist nach dem massiven Anstieg 2018 (damals von 149 auf 217) nun wieder ein leichter Rückgang auf 201 Fälle zu verzeichnen. „Dennoch bewegen sich die Zahlen noch deutlich über dem langjährigen Mittel“, sagt Wucher. Am häufigsten betroffen waren Rehwild, Dachs und Fuchs. Zudem fand sich erstmals ein Biber unter den Unfallopfern.
Auch wenn auf den Straßen in der Region aktuell etwas weniger los ist als sonst: Die Polizei Lindenberg wird dem Verkehr weiter ihr Augenmerk schenken. Denn immer wieder sind beispielsweise Motorradfahrer zu laut oder zu schnell unterwegs. „Das Allgäu ist reizvoll. Da kommen viele auch von außen“, hat Wucher festgestellt. Auch riskante Überholmanöver sind ihm ein Dorn im Auge. Der Polizeichef berichtet von Motorradfahrern, die zum Beispiel mehrfach hintereinander das Rohrach auf und ab fahren, wobei sie riskant an anderen Autos vorbeiziehen, obwohl das dort nicht erlaubt ist.
Auch das Telefonieren am Steuer haben die Beamten weiterhin im Blick. Es sei für ihn „völlig unverständlich“, dass sich Autofahrer immer noch das Handy ans Ohr halten, obwohl ihr Auto eigentlich über eine eingebaute Freisprechanlage verfügt. Wer erwischt wird, muss 100 Euro bezahlen und erhält einen Punkt in Flensburg. Das gilt übrigens auch, wenn man während der Fahrt eine WhatsApp checkt. Der kurze Blick auf den Bildschirm kann also richtig teuer werden. So verlockend er auch sein mag.
Die Zahl der Unfallfluchten ist um 15,5 Prozent auf 171 gestiegen. Davon konnten 45 Prozent aufgeklärt werden – und damit etwas weniger als 2018.
Etwa zwei Drittel aller Unfallfluchten haben sich im ruhenden Verkehr ereignet. Jemand hat also mit seinem Auto oder Zweirad ein Fahrzeug angefahren, das irgendwo geparkt war, und hat sich vom Unfallort entfernt, ohne sich um den Schaden zu kümmern.
Die Hälfte aller Unfälle hat sich in
Lindenberg (29,7 Prozent), WeilerSimmerberg (11,1) und Scheidegg (10,9) ereignet. Die wenigsten gab es in Gestratz (1,3 Prozent).
Die Anzahl der registrierten Alkoholund Drogenfahrten ist von 101 auf 115 gestiegen.
Die Anzahl der Verletzten
229 auf 209 gesunken.
Bei den 927 Unfällen entstand Gesamtschaden in Höhe von rund 1,9 Millionen Euro. Im Schnitt also etwas mehr als 2000 Euro pro Unfall. (bes) ist von