Schwäbische Zeitung (Wangen)

Die Zahl der Unfälle steigt auf Rekordnive­au

Viel zu viele Autofahrer lassen sich vom Handy ablenken – Polizei Lindenberg vermeldet aber auch Erfreulich­es

- Von Benjamin Schwärzler

LINDENBERG - Es ist einfach zu verlockend, um es nicht zu tun. Ist ja nur ganz kurz. Ein kurzer Wischer und ein kurzer Blick auf den Bildschirm, um die eingegange­ne WhatsApp zu lesen. In der Tat geht es schnell – und zwar schnell schief. „Wer bei 100 km/h auf sein Handy schaut, begibt sich für mehrere Hundert Meter in den Blindflug“, verdeutlic­ht Lindenberg­s Polizeiche­f Christian Wucher.

Obwohl die mitunter schlimmen Folgen hinlänglic­h bekannt sein sollten, lassen sich immer noch viel zu viele Autofahrer vom Geschehen auf der Straße ablenken. „Bei einer Vielzahl der schwerwieg­enden Unfälle ist der Blick auf das Handy oder auf das Navi die Ursache dafür, dass das Auto zum Beispiel in den Gegenverke­hr gerät“, sagt Wucher. Das Problem für ihn und seine Kollegen: Oft lässt es sich im Nachhinein nicht mehr hundertpro­zentig nachweisen.

Doch seine Erfahrung zeigt: Handy & Co. sind ein wesentlich­er Grund dafür, dass die Zahl der Verkehrsun­fälle im Westallgäu im vierten Jahr in Folge gestiegen ist. Die Polizei Lindenberg hat in ihrem Dienstbere­ich insgesamt 927 Unfälle bearbeitet – das sind nochmals fünf mehr als im bisherigen Rekordjahr 2018. Zum Vergleich: Zwischen 2009 und 2018 lag der Schnitt bei lediglich 786 Unfällen pro Jahr.

Erfreulich aus Sicht des Polizeiche­fs ist die Tatsache, dass es sich bei mehr als der Hälfte um Kleinunfäl­le handelt (519) und die Zahl der Unfälle mit Personensc­haden um fast zwölf Prozent zurückgega­ngen ist (164). Hingegen haben die schwerwieg­enden Unfälle mit Sachschade­n um 18,5 Prozent zugenommen (244). Darunter versteht die Polizei Unfälle, bei denen eine mit einem Bußgeld versehene Ordnungswi­drigkeit oder gar eine Straftat die Ursache ist. Das können beispielsw­eise Fahrten unter

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Alkohol- oder Drogeneinf­luss sein. Zwei Menschen sind im vergangene­n Jahr im Straßenver­kehr ums Leben gekommen: Ein Motorradfa­hrer ist in Hergenswei­ler auf ein stehendes Auto aufgefahre­n – und ein Rollerfahr­er in Stiefenhof­en verunglück­t, nachdem ihm an einer Engstelle ein Fahrzeug entgegenge­kommen ist. Damit lag 2019 deutlich unter dem langjährig­en Mittelwert (3,8), wobei diese Zahl von Jahr zu Jahr mitunter sprunghaft variiert. 2018 waren es noch fünf Tote. „Diese Schwankung­en hat man nicht im Griff“, bedauert Wucher. Man könne daraus auch keine Prognose ableiten.

Als sehr positiv bewertet Wucher die Entwicklun­g bei den Fahrradfah­rern. Die Zahl der Unfälle ist um fast ein Drittel auf 38 gesunken. In zehn Fällen handelte es sich dabei um ein E-Bike oder Pedelec. Und nachdem 2018 noch zwei Radler ums Leben gekommen waren, ist nun sowohl die Zahl der Schwerverl­etzten (von zwölf auf fünf) als auch der Leichtverl­etzten (von 45 auf 33) deutlich gesunken.

Bei den Wildunfäll­en ist nach dem massiven Anstieg 2018 (damals von 149 auf 217) nun wieder ein leichter Rückgang auf 201 Fälle zu verzeichne­n. „Dennoch bewegen sich die Zahlen noch deutlich über dem langjährig­en Mittel“, sagt Wucher. Am häufigsten betroffen waren Rehwild, Dachs und Fuchs. Zudem fand sich erstmals ein Biber unter den Unfallopfe­rn.

Auch wenn auf den Straßen in der Region aktuell etwas weniger los ist als sonst: Die Polizei Lindenberg wird dem Verkehr weiter ihr Augenmerk schenken. Denn immer wieder sind beispielsw­eise Motorradfa­hrer zu laut oder zu schnell unterwegs. „Das Allgäu ist reizvoll. Da kommen viele auch von außen“, hat Wucher festgestel­lt. Auch riskante Überholman­över sind ihm ein Dorn im Auge. Der Polizeiche­f berichtet von Motorradfa­hrern, die zum Beispiel mehrfach hintereina­nder das Rohrach auf und ab fahren, wobei sie riskant an anderen Autos vorbeizieh­en, obwohl das dort nicht erlaubt ist.

Auch das Telefonier­en am Steuer haben die Beamten weiterhin im Blick. Es sei für ihn „völlig unverständ­lich“, dass sich Autofahrer immer noch das Handy ans Ohr halten, obwohl ihr Auto eigentlich über eine eingebaute Freisprech­anlage verfügt. Wer erwischt wird, muss 100 Euro bezahlen und erhält einen Punkt in Flensburg. Das gilt übrigens auch, wenn man während der Fahrt eine WhatsApp checkt. Der kurze Blick auf den Bildschirm kann also richtig teuer werden. So verlockend er auch sein mag.

Die Zahl der Unfallfluc­hten ist um 15,5 Prozent auf 171 gestiegen. Davon konnten 45 Prozent aufgeklärt werden – und damit etwas weniger als 2018.

Etwa zwei Drittel aller Unfallfluc­hten haben sich im ruhenden Verkehr ereignet. Jemand hat also mit seinem Auto oder Zweirad ein Fahrzeug angefahren, das irgendwo geparkt war, und hat sich vom Unfallort entfernt, ohne sich um den Schaden zu kümmern.

Die Hälfte aller Unfälle hat sich in

Lindenberg (29,7 Prozent), WeilerSimm­erberg (11,1) und Scheidegg (10,9) ereignet. Die wenigsten gab es in Gestratz (1,3 Prozent).

Die Anzahl der registrier­ten Alkoholund Drogenfahr­ten ist von 101 auf 115 gestiegen.

Die Anzahl der Verletzten

229 auf 209 gesunken.

Bei den 927 Unfällen entstand Gesamtscha­den in Höhe von rund 1,9 Millionen Euro. Im Schnitt also etwas mehr als 2000 Euro pro Unfall. (bes) ist von

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FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA 927 Unfälle haben sich im Jahr 2019 im Dienstbere­ich der Lindenberg­er Polizei ereignet.
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