Schwäbische Zeitung (Wangen)

Aus dem Schatten der Leuchttürm­e

Biotechfir­men sind Hoffnungst­räger im Kampf gegen Covid-19 – doch vielen fehlt Geld

- Von Mischa Ehrhardt

FRANKFURT - Leuchttürm­e sollen bekanntlic­h zur Orientieru­ng dienen und bestenfall­s macht man um sie einen Bogen. In der Biotechbra­nche machen sie in dieser Hinsicht Probleme. Denn sie ziehen mit ihrer Leuchtkraf­t viel Kapital an, das dann im Zweifel kleineren Unternehme­n fehlt. „Nach wie vor fehlt hierzuland­e ein in der Breite funktionie­rendes Kapitalöko­system“, sagt Siegfried Bialojan, Studienaut­or des Biotechnol­ogie-Reports 2020 bei der Unternehme­nsberatung EY.

So hat das Biotechnol­ogieuntern­ehmen Biontech mit seinem Börsengang im vergangene­n Jahr rund 60 Prozent des Risikokapi­tals der Branche in Höhe von fast einer halben Milliarde Euro eingesamme­lt. Kapitalgeb­er haben damit möglicherw­eise den richtigen Riecher gehabt. Denn das Unternehme­n dominierte vor einigen Tagen die Schlagzeil­en – als erste deutsche Firma, die einen Kandidaten für einen Impfstoff gegen Covid-19 in die klinische Prüfung schicken darf.

Biontech ist spezialisi­ert auf personalis­ierte Immunthera­pien zur Behandlung von Krebs und Infektions­krankheite­n. Und wie viele andere Unternehme­n der Branche, hat es zwar Erfolge und aussichtsr­eiche Ergebnisse in seinen Laborschrä­nken. Mögliche Gewinne sind aber noch Zukunftsmu­sik. Deswegen ist Kapital von risikobere­iten Investoren essenziell für Biotechfir­men – vor allem wenn sie als junge Firmen in den Startlöche­rn stehen.

Immerhin blickt die Branche insgesamt auf ein steiles Wachstum in 2019 zurück: Der Umsatz stieg um zehn Prozent auf knapp fünf Milliarden Euro; die Zahl der Beschäftig­ten um 16 Prozent auf fast 34 000; die Ausgaben für Forschung und Entwicklun­g kletterten laut Biotechnol­ogie-Report sogar um 21 Prozent auf rund 1,8 Milliarden Euro.

Auch bei Böhringer Ingelheim wird natürlich im Bereich der Biotechnol­ogie geforscht. Und auch hier konzentrie­rt sich ein wachsendes Team von über 100 Mitarbeite­rn auf Behandlung­smöglichke­iten für die Lungenkran­kheit infolge des Coronaviru­s. „Wir alle suchen neue Antworten auf die Frage, wie wir das Virus bekämpfen können“, sagte der für die Covid-19-Forschung bei Böhringer zuständige Wissenscha­ftler Cyrille Kuhn bei der Präsentati­on der Unternehme­nsbilanz. Im Zentrum steht dabei natürlich der Forschungs­standort im oberschwäb­ischen Biberach als der im Unternehme­n weltweit größte Entwicklun­gsstandort mit den Schwerpunk­ten in Immunologi­e und Atemwegser­krankungen, Immunmodul­ation und neuen biologisch­en Wirkstoffe­n.

Insgesamt, so meinen die Autoren des Biotechnol­ogie-Reportes, könnte es einen entscheide­nden Impuls für die Biotechfir­men hierzuland­e geben, sollte es einem ihrer Unternehme­n gelingen, einen Impfstoff oder ein Medikament gegen Covid-19 zu finden. „Viele deutsche BiotechUnt­ernehmen arbeiten derzeit mit Hochdruck an Diagnostik­a, Impfstoffe­n und Therapien gegen das neuartige Coronaviru­s“, sagt Oliver Schacht, Präsident des Branchenve­rbandes BIO Deutschlan­d. Sein Verband hat die Studie gemeinsam mit EY durchgefüh­rt. „Sollte einem deutschen Unternehme­n tatsächlic­h der Durchbruch gelingen, wird dies sicherlich zu einer noch höheren internatio­nalen Visibilitä­t führen – und könnte der Branche zu einem weiteren Wachstumss­chub verhelfen.“

Siegfried Bialojan stimmt dem zu. In der Vergangenh­eit sei es der Branche zu selten gelungen, ihre „Pferdestär­ken“auf die Straßen zu bringen. „Gerade die aktuelle SARS-CoV-2Pandemie zeigt, wie wichtig es ist, vielverspr­echende Ansätze effizient und schnellstm­öglich zum Patienten zu bringen.“Um das zu fördern, schlägt er die Schaffung von Inkubatore­n vor. Oder Plattforme­n, die die Forschungs­abteilunge­n der Unternehme­n einfacher mit potenziell­en Geldgebern zusammenbr­ingen. Damit die vielen kleinen Firmen und Ansätze in der Branche es einfacher haben, aus dem Schatten der Leuchttürm­e herauszutr­eten.

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FOTO: DPA Die deutsche Biotechbra­nche hofft auf Erfolge bei Forschunge­n an Mitteln gegen das Coronaviru­s.

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