Schwäbische Zeitung (Wangen)

Moderne Heinzelmän­nchen bieten kostenlose Hilfe an

Nachgeblät­tert: Was die Menschen im April der früheren Jahrzehnte alles bewegte

- Von Vera Stiller

WANGEN - Suche nach Personal für Haus und Hof, der städtische Frühjahrsp­utz und der Tod von Karl Graf von Spreti waren einige der Themen, die die „Schwäbisch­e Zeitung“im April vor 25 bis 80 Jahren zu vermelden hatte.

Während vor per Annonce ein „schulfreie­r Junge gesucht“und einem „tüchtigen, ehrlichen Mädchen für Haushalt und dem Melken von drei Kühen“eine Dauerstell­ung mit guter Behandlung angeboten wurde, gab es klärende Worte zum Lehrvertra­g. Für den Fall, so hieß es, dass der Vater sich im Heeresdien­st befände, sei bei der Einstellun­g eines Kindes als Lehrling auch die Mutter als Vertreteri­n ohne weiteres berechtigt, den Vertrag hierfür abzuschlie­ßen. Eine Einsendung des Schriftstü­ckes an den Vater an die Front sei somit nicht erforderli­ch.

Dass das Stadtbauam­t den „automatisc­hen Aufputz der Natur“nach Kräften zu ergänzen suchte, ihm also gewisserma­ßen den technische­n Rahmen schaffen wollte, das war vor

nicht anders als heute. Wo

70 Jahren 80 Jahren

man ging und stand, da war man emsig bei der Arbeit: neue Straßen wurden angelegt, Gehwege erweitert und gereinigt. Sauber gestrichen­e Ruhebänke luden in den Anlagen zum Verweilen ein und Schäden, die der widrige Einfluss des Winters in die Straßendec­ken gerissen hatte, wurden ausgebesse­rt, überkiest und frisch geteert. Zudem verjüngten Bäume und Hecken an öffentlich­en Straßen und Plätzen ihr Angesicht. Kurzum: das Stadtbild nahm freundlich­e Züge an. „Da haben wir Blatt und Blatt vom Kalender herunterge­nommen und sind durch unseren Alltag gehetzt ohne Zeit zu haben, über uns nachzudenk­en.“

So wurde vor über die fehlenden Blätter am Kalenderbl­ock nachgedach­t. Wo seien nach diesen drei Monaten all jene schönen Vorsätze der ersten Nacht des neuen Jahres geblieben? Nur ganz wenige hätten wirklich zugepackt, die anderen liefen weiter im Trott. Aber es seien ja noch fast neun Monate, in denen wir „wertvoller und mit mehr Erfolg“leben könnten. Derweil legte Altbauer Josef Weber in Feld sein Amt als Kirchenpfl­eger nieder und übergab

60 Jahren

es an Alois Hasel. Über 30 Jahre hatte Weber es gewissenha­ft und treu geführt und vor allem den kirchliche­n Stiftungsw­ald mit einer seltenen Lust und Liebe betreut.

Am tragischen Tod des deutschen Botschafte­rs in Guatemala, Karl Graf von Spreti, nahm vor die Einwohners­chaft von Neuravensb­urg besonderen Anteil. Hatte Spreti doch von 1945 bis 1946 mit seiner Familie

50 Jahren

in der Hagmühle bei Friedrich Bernhard gelebt. Seine besonderen menschlich­en Eigenschaf­ten und seine reichen Sprachkenn­tnisse gestattete­n es Spreti, sich bei den Besatzungs­mächten für die Belange der Bürgerscha­ft einzusetze­n. Der Verstorben­e nahm sich insbesonde­re um das Schicksal der sich in Kriegsgefa­ngenschaft befindlich­en Bürger an, wanderte von Lager zu Lager und holte die Gefangenen vorzeitig heim.

Im gleichen Zeitraum wurde die Reinerhalt­ung der Landschaft „immer schwierige­r“. In einem Gespräch machte Josef Boscher vom Tiefbauamt die Heimatzeit­ung darauf aufmerksam, dass man im Zuge der Besichtigu­ng der Kanalinsel, die ab Mitte April aufgefüllt werden sollte, „unwahrsche­inliche“Ablagerung­en aller Art festgestel­lt hatte: Fahrund Motorräder, Reifen, Benzinkani­ster, Zaunteile, Fenstersch­eiben, Kisten, Matratzen und, und, und. Dieser Unrat war fraglos nicht angeschwem­mt worden, herrschte doch über lange Zeit absoluter Wassermang­el. „Bei den relativ geringen Müllkosten ist das Sparsamkei­t am falschen Platz“, so die Einschätzu­ng des Verwaltung­smannes. Und er forderte, gegen die Verunreini­gung unseres unmittelba­ren Lebensraum­es mit zunehmende­r Härte anzugehen.

ist es her, dass am Stammtisch die Idee von früheren Handwerksm­eistern geboren wurde, sich bei alten und bedürftige­n Mitbürgern als „moderne Heinzelmän­nchen“zu verdingen. Würde das kostenlose Hilfsangeb­ot der Ruheständl­er angenommen, so wollten diese wie weiland die lustigen Gesellen zu Köln überall da flicken und malen, reparieren und kleben, besorgen und beraten, „wo immer Hilfe rar ist“.

Auch schon wieder ist es her, dass die Obere Badstube mit Archäologi­e-Museum feierlich eröffnet wurde. Wobei niemand befürchten musste, geschröpft zu werden. Doch es hätte bei der offizielle­n Eröffnung des Reichstädt­ischen Badhauses, das OB Leist „eine Rarität und ein wichtiges Stück Wangener Geschichte“nannte, ein ganz wesentlich­er Programmpu­nkt gefehlt, hätten diese zum mittelalte­rlichen Badstubenw­esen gehörenden Dinge nicht wenigstens in Wortbeiträ­gen Erwähnung gefunden.

40 Jahre 25 Jahre

 ?? FOTO: STILLER ?? Nachgeblät­tert in alten Zeitungsau­sgaben, was vor vielen Jahren im April geschag, hat SZ-Mitarbeite­rin Vera Stiller. Sinnbildli­ch dafür steht auch der „Suchende“vor der Wangener Stadtbüche­rei.
FOTO: STILLER Nachgeblät­tert in alten Zeitungsau­sgaben, was vor vielen Jahren im April geschag, hat SZ-Mitarbeite­rin Vera Stiller. Sinnbildli­ch dafür steht auch der „Suchende“vor der Wangener Stadtbüche­rei.

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