Homeoffice: Eine Chance für den ländlichen Raum?
Ob sich Arbeiten von zuhause auch nach der Krise durchsetzt und ob die Infrastruktur dafür reicht
RAUM WANGEN - Arbeiten im Homeoffice, digitales Lernen, Gespräche über Videokonferenz: Die Corona-Krise zeigt einmal mehr, wie wichtig digitale Infrastruktur ist. Gerade im ländlichen Raum ist schnelle Internet jedoch oft Mangelware. Wer in einem sogenannten „weißen Fleck“sitzt, also mit weniger als 30 Megabits pro Sekunde surft, hat es womöglich schwer, von zuhause aus effektiv zu arbeiten.
Ein Blick in den Breitband-Atlas zeigt, dass die weißen Flecken in der Region groß sind. So surfen beispielsweise in der Gemeinde Achberg nur 46 Prozent mit einer Geschwindigkeit von mindestens 30 Megabits pro Sekunde. In Amtzell befinden sich 51 Prozent aller Haushalte in einem weißen Fleck. In Argenbühl ist die Situation etwas besser: Hier haben 63 Prozent schnelles Internet. In Kißlegg sind es immerhin 76 Prozent.
Langsames Internet ist aber nicht das einzige, was Homeoffice im ländlichen Raum erschweren kann. „Das Thema beginnt mit der technischen Struktur in den Firmen, die teilweise gar nicht vorhanden ist“, sagt Marcus Eberlei von der Werbeagentur eDesign in Wangen, die aktuell in Digitalfragen einigen Unternehmen unter die Arme greift. „Das ist noch vor der Bandbreite die Frage: Wie geht das eigentlich?“
Markus Kaeß, Geschäftsführer eines Industriebbetriebs in Achberg zum Beispiel schließt Homeoffice für seine Mitarbeiter aus. „Das kann bei unseren sieben vorhandenen Büroarbeitsplätzen kaum funktionieren“, sagt er. Obwohl die Verbindung direkt in Esseratsweiler eigentlich ausreichend dafür wäre.
Mitarbeiter im Homeoffice könnten ihre Arbeit laut dem Geschäftsführer
aber bei weitem nicht so effizient verrichten wie im Büro vor Ort. Ebenso wäre der Aufwand zur Abstimmung untereinander viel zu groß und es würden ständig Informationen oder Unterlagen fehlen. „Wir benötigen für unsere Arbeit den ständigen Austausch untereinander und jeder von uns ist mehrmals täglich auch in der Produktion unterwegs.“Um das Personal trotzdem zu schützen, seien die Arbeitsplätze im Büro in andere Räume verlegt worden. In der Werkstatt seien die Mitarbeiter an Maschinen und festen Arbeitsplätzen tätig, die ausreichend weit auseinander sind.
Werbefachmann Eberlein hingegen findet, dass gerade die CoronaKrise zeige, dass die seit vielen belächelte Digitalisierung von den Abläufen her durchaus seinen Sinn hat. Er fordert daher ein Umdenken in der Politik aber auch bei den Unternehmen. „Denn eines ist klar, Corona wird nicht die letzte Herausforderung in diesem Segment bleiben.“Seiner Meinung nach kann Homeoffice funktionieren – auch ohne Krise besonders für Mitarbeiter, die zum Beispiel ein Kind betreuen müssen und andere Rhythmen im Arbeitstag brauchen.
Die digitale Infrastruktur sei laut Eberlein nicht ausreichend, wenn auch für normales Arbeiten zumutbar. „Videokonferenzen oder Webinare sind gerade zur vollen und halben Stunde mit Abbrüchen verbunden“, sagt er. Das sei zum Teil aber auch Abhängig von der Software. Eine nicht konstante Verbindung beim Skypegespräch sei zwar ärgerlich, es gehe aber deutlich schlimmer. Zum Beispiel bei programmiertechnischen Arbeiten könne schlechtes Internet fatal Auswirkungen haben. „Hier ist also massiver Verbesserungsbedarf, der ja technisch auch seit langem umsetzbar ist und lediglich am monetären Wettbewerb hängt“, sagt Eberlein.
Um den Breitbandausbau voran zu treiben, sind einige Gemeinden schon aktiv geworden. So soll beispielsweise in Argenbühl eine 14 Kilometer lange Backbonetrasse gebaut werden. Rund 400 Haushalte könnten so an das Breitbandnetz angeschlossen werden. Vom Land erhält die Gemeinde rund 2,2 Millionen Euro an Fördergeldern für ihr Vorhaben. Den Breitbandausbau vorantreiben will auch die Gemeinde Kißlegg. Zwei neue Verteilerstationen sollen entstehen. Dafür will die Verwaltung ebenfalls Fördergelder beim Bund und Land beantragen.
Wer sich auch nach Coronazeiten vorstellen könnte, ab und zu im Homeoffice zu arbeiten, ist Susanne Fiedler, die in der Marketingabteilung einer Firma in Amtzell arbeitet, die Automatisierungssystemen und Industrieroboter entwickelt. Von den 75 Mitarbeitern der Firma würden derzeit 30 bis 40 Personen im Homeoffice arbeiten. „Das funktioniert überraschend gut“, sagt sie. Mit Internetproblemen hätten die Kollegen nicht zu kämpfen. Über einen VPN-Zugang würden alle Mitarbeiter leicht ins Firmennetzwerk gelangen. „Im Homeoffice zu arbeiten ist natürlich schon anders“, sagt sie. „Aber auch teilweise effizienter.“