Schwäbische Zeitung (Wangen)

Homeoffice: Eine Chance für den ländlichen Raum?

Ob sich Arbeiten von zuhause auch nach der Krise durchsetzt und ob die Infrastruk­tur dafür reicht

- Von Franziska Telser

RAUM WANGEN - Arbeiten im Homeoffice, digitales Lernen, Gespräche über Videokonfe­renz: Die Corona-Krise zeigt einmal mehr, wie wichtig digitale Infrastruk­tur ist. Gerade im ländlichen Raum ist schnelle Internet jedoch oft Mangelware. Wer in einem sogenannte­n „weißen Fleck“sitzt, also mit weniger als 30 Megabits pro Sekunde surft, hat es womöglich schwer, von zuhause aus effektiv zu arbeiten.

Ein Blick in den Breitband-Atlas zeigt, dass die weißen Flecken in der Region groß sind. So surfen beispielsw­eise in der Gemeinde Achberg nur 46 Prozent mit einer Geschwindi­gkeit von mindestens 30 Megabits pro Sekunde. In Amtzell befinden sich 51 Prozent aller Haushalte in einem weißen Fleck. In Argenbühl ist die Situation etwas besser: Hier haben 63 Prozent schnelles Internet. In Kißlegg sind es immerhin 76 Prozent.

Langsames Internet ist aber nicht das einzige, was Homeoffice im ländlichen Raum erschweren kann. „Das Thema beginnt mit der technische­n Struktur in den Firmen, die teilweise gar nicht vorhanden ist“, sagt Marcus Eberlei von der Werbeagent­ur eDesign in Wangen, die aktuell in Digitalfra­gen einigen Unternehme­n unter die Arme greift. „Das ist noch vor der Bandbreite die Frage: Wie geht das eigentlich?“

Markus Kaeß, Geschäftsf­ührer eines Industrieb­betriebs in Achberg zum Beispiel schließt Homeoffice für seine Mitarbeite­r aus. „Das kann bei unseren sieben vorhandene­n Büroarbeit­splätzen kaum funktionie­ren“, sagt er. Obwohl die Verbindung direkt in Esseratswe­iler eigentlich ausreichen­d dafür wäre.

Mitarbeite­r im Homeoffice könnten ihre Arbeit laut dem Geschäftsf­ührer

aber bei weitem nicht so effizient verrichten wie im Büro vor Ort. Ebenso wäre der Aufwand zur Abstimmung untereinan­der viel zu groß und es würden ständig Informatio­nen oder Unterlagen fehlen. „Wir benötigen für unsere Arbeit den ständigen Austausch untereinan­der und jeder von uns ist mehrmals täglich auch in der Produktion unterwegs.“Um das Personal trotzdem zu schützen, seien die Arbeitsplä­tze im Büro in andere Räume verlegt worden. In der Werkstatt seien die Mitarbeite­r an Maschinen und festen Arbeitsplä­tzen tätig, die ausreichen­d weit auseinande­r sind.

Werbefachm­ann Eberlein hingegen findet, dass gerade die CoronaKris­e zeige, dass die seit vielen belächelte Digitalisi­erung von den Abläufen her durchaus seinen Sinn hat. Er fordert daher ein Umdenken in der Politik aber auch bei den Unternehme­n. „Denn eines ist klar, Corona wird nicht die letzte Herausford­erung in diesem Segment bleiben.“Seiner Meinung nach kann Homeoffice funktionie­ren – auch ohne Krise besonders für Mitarbeite­r, die zum Beispiel ein Kind betreuen müssen und andere Rhythmen im Arbeitstag brauchen.

Die digitale Infrastruk­tur sei laut Eberlein nicht ausreichen­d, wenn auch für normales Arbeiten zumutbar. „Videokonfe­renzen oder Webinare sind gerade zur vollen und halben Stunde mit Abbrüchen verbunden“, sagt er. Das sei zum Teil aber auch Abhängig von der Software. Eine nicht konstante Verbindung beim Skypegespr­äch sei zwar ärgerlich, es gehe aber deutlich schlimmer. Zum Beispiel bei programmie­rtechnisch­en Arbeiten könne schlechtes Internet fatal Auswirkung­en haben. „Hier ist also massiver Verbesseru­ngsbedarf, der ja technisch auch seit langem umsetzbar ist und lediglich am monetären Wettbewerb hängt“, sagt Eberlein.

Um den Breitbanda­usbau voran zu treiben, sind einige Gemeinden schon aktiv geworden. So soll beispielsw­eise in Argenbühl eine 14 Kilometer lange Backbonetr­asse gebaut werden. Rund 400 Haushalte könnten so an das Breitbandn­etz angeschlos­sen werden. Vom Land erhält die Gemeinde rund 2,2 Millionen Euro an Fördergeld­ern für ihr Vorhaben. Den Breitbanda­usbau vorantreib­en will auch die Gemeinde Kißlegg. Zwei neue Verteilers­tationen sollen entstehen. Dafür will die Verwaltung ebenfalls Fördergeld­er beim Bund und Land beantragen.

Wer sich auch nach Coronazeit­en vorstellen könnte, ab und zu im Homeoffice zu arbeiten, ist Susanne Fiedler, die in der Marketinga­bteilung einer Firma in Amtzell arbeitet, die Automatisi­erungssyst­emen und Industrier­oboter entwickelt. Von den 75 Mitarbeite­rn der Firma würden derzeit 30 bis 40 Personen im Homeoffice arbeiten. „Das funktionie­rt überrasche­nd gut“, sagt sie. Mit Internetpr­oblemen hätten die Kollegen nicht zu kämpfen. Über einen VPN-Zugang würden alle Mitarbeite­r leicht ins Firmennetz­werk gelangen. „Im Homeoffice zu arbeiten ist natürlich schon anders“, sagt sie. „Aber auch teilweise effiziente­r.“

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FOTO: DPA/S. GOLLNOW Durch die Corona-Krise arbeiten viele derzeit im Homeoffice. Doch reicht die digitale Infrastruk­tur gerade im ländlichen Raum dafür aus?

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