Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Auf uns kommt große Aufbauarbe­it zu“

Rudolf Hämmerle vom Blasmusikk­reisverban­d über die Auswirkung­en der Corona-Krise

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WANGEN/KREIS RAVENSBURG Die Corona-Krise trifft auch das Vereinsleb­en mit voller Wucht – vor allem die Blasmusik. Zwar ist Musikunter­richt seit dem 6. Mai wieder erlaubt, allerdings nicht, wenn es um Blasinstru­mente geht. Dass derzeit keine Feste stattfinde­n können, hat für die Vereine drastische finanziell­e Auswirkung­en. SZ-Redakteur Philipp Richter hat sich mit Rudolf Hämmerle, dem Vorsitzend­en des Blasmusikk­reisverban­ds, über die Situation der Blasmusik im Landkreis Ravensburg unterhalte­n.

Herr Hämmerle, derzeit gibt es keine Musikprobe­n, Auftritte der Kapellen sind nicht erlaubt, wie steht es um die Blasmusik im Landkreis Ravensburg?

Zunächst war das für uns ein Schock, dass wir nicht mehr proben können. Innerhalb kürzester Zeit hat alles zugemacht und sich geändert. Wir als Blasmusikk­reisverban­d haben dabei schon frühzeitig mitgezogen. Es gab sehr viel Verständni­s für die Maßnahmen in den Vereinen, allerdings wünschen sich die Musikanten jetzt schon, dass sie jetzt langsam wieder Musik machen dürfen.

Die vier Blasmusikk­reisverbän­de von Ravensburg, Biberach, Sigmaringe­n und Bodensee haben eine gemeinsame Stellungna­hme verfasst, dass sie wieder zum Musikunter­richt zurückkehr­en wollen. Ist das nicht verfrüht, verbunden mit einer zu großen Ansteckung­sgefahr, weil die Instrument­e mit Atemluft gespielt werden?

Als Verband haben wir noch vor den strengen Vorgaben des Landes am 17. März unseren Vereinen empfohlen, auf Musikprobe­n und Musikunter­richt zu verzichten. Wir haben uns davor mit dem Gesundheit­samt beraten. Wir sahen darin eine große Notwendigk­eit. Wir können aber nicht verstehen, dass bei den jetzigen Lockerunge­n ein Unterschie­d bei den Instrument­en gemacht wird. Klavier darf gespielt werden, Trompete nicht. Das trifft nicht nur die Musikanten, sondern auch die vielen Musiklehre­r. Es gibt jetzt ein neues Experiment des Symphonieo­rchesters Bamberg, bei dem untersucht wurde, wie sich durch Blasmusiki­nstrumente die Aerosole, die dann auch das Coronvirus beinhalten könnten, ausgestoße­n werden. Als gelernter Instrument­enbauer weiß ich, dass kaum Luft aus den Instrument­en kommt. Eine Kerze kann man damit jedenfalls nicht ausblasen. Deswegen fordern wir das Land auf, sich dem Thema anzunehmen und die Blasmusik zu berücksich­tigen.

Falls Musikunter­richt auch für Blasinstru­mente erlaubt werden würde, wie könnte der aus Ihrer Sicht stattfinde­n?

Ich könnte mit vorstellen, dass wir sogar Satzproben wieder aufnehmen könnten, also dass Instrument­engruppen einer Musikkapel­le zusammen üben können. Selbstvers­tändlich müssen diese unter Einhaltung der Abstandsre­geln stattfinde­n, auch Hygienereg­eln wie Handdesinf­ektion beim Betreten der Probelokal­e müssten gewährleis­tet sein. Aber das ließe sich gut umsetzen. Ein Problem, das uns belastet, ist zudem, dass man sich in öffentlich­en Gebäuden nicht treffen darf. Das können wir nicht verstehen. Ich dürfte also bei mir zu Hause mit vier Personen zusammen in der Garage privat üben, aber nicht im Vereinshei­m. Musikprobe­n werden wir aber noch lange nicht haben, weil dabei zu viele Menschen zusammenko­mmen würden und es mit den Abständen schwierig werden wird.

Und wenn es keine Musikprobe­n mehr gibt, kommen die Kapellen aus der Übung.

Nach der Corona-Krise kommt auf die Dirigenten definitiv eine große Aufbauarbe­it zu, da bin ich mir sicher. Das ist wie bei einem Marathonlä­ufer: Wenn der ein halbes Jahr nicht gelaufen ist, wird er sich beim Marathon schwertun.

Im Mai wäre das Kreisverba­ndsmusikfe­st in Wolpertswe­nde gestiegen. Was bedeutet der Wegfall für Sie?

Unsere Musikfeste sind unsere Schaufenst­er für unsere Leistung. Es tut schon weh, dass wir dieses Jahr keines haben. Wir sind aber froh, dass wir von unseren Partnern sehr viel Solidaritä­t erfahren haben. Und die haben es in dieser Krise wirtschaft­lich besonders schwer. Durch deren Solidaritä­t können wir das Fest um ein Jahr verschiebe­n und lassen die Verträge bestehen, sodass wir dadurch keinen finanziell­en Schaden haben.

Auch die einzelnen Musikverei­ne können in diesem Jahr keine Feste veranstalt­en. Das heißt große finanziell­e Einbußen. Wie kommen die Vereine damit zurecht?

Man muss wissen, dass die Musikverei­ne mittlerwei­le richtige Wirtschaft­sbetriebe sind. Der Kreisverba­nd Bodensee hat ausgerechn­et, dass die Musikverei­ne im Bodenseekr­eis eine Wirtschaft­skraft von etwa einer Million Euro haben, gerechnet auf den Landkreis Ravensburg kommen wir dabei auf mehr als zwei Millionen. Das hat ein enormes Gewicht. Viele Vereine werden jetzt sparen müssen. Das wird die Musikverla­ge treffen, von denen wir unsere Noten bekommen, es werden weniger Trachten gekauft oder Neubestell­ungen

verschoben. Auch die Musikhäuse­r wird das treffen. Ich habe außerdem schon Anfragen von Vereinen bekommen, die wissen wollen, wie sie mit den Dirigenten­gehältern umgehen sollen.

Neben der finanziell­en Komponente gibt es auch die emotionale. Viele Höhepunkte wie das Kreisverba­ndsmusikfe­st, der Blutfreita­g und Volksfeste wie das Rutenfest fallen aus. Was heißt das für die Musiker?

Dass die Feste ausfallen, dafür haben wir vollkommen­es Verständni­s. Trotzdem ist es traurig, dass diese Höhepunkte wegfallen – egal ob hier im Schussenta­l oder im Allgäu. Die Vereine proben natürlich auf ihre Feste hin, studieren neue Stückle oder Formatione­n ein. Diese Feste sind auch wichtig fürs Netzwerk, weil man dort andere Kapellen trifft, woraus wieder neue Partnersch­aften entstehen können.

Viele Aktivitäte­n aus den verschiede­nsten Bereichen sind in der Corona-Krise ins Internet verlagert worden – auch bei Ihnen?

Ja, auch bei uns gab es zum Beispiel theoretisc­hen Musikunter­richt per Skype. Im Vereinsleb­en haben sich einige an der Klopapierc­hallenge beteiligt. Es gab auch schöne Aktionen wie das Musizieren sonntags um 18 Uhr, bei denen wir uns mit der „Ode an die Freude“beteiligt haben oder das Ravensburg­er Heimatlied gespielt haben.

Viele können aus der Corona-Krise schon jetzt einiges Positives für die Zukunft ableiten, weil einiges plötzlich möglich ist, was vorher nicht denkbar war, oder sich neue Strukturen ermöglicht haben. Auch in der Blasmusik?

Im Moment kann ich da noch nichts sehen. Vielleicht kommt das später. Was ich aber sagen kann, ist, dass ich jetzt gelernt habe, wie unterschie­dlich die Bedürfniss­e und Problemste­llungen unserer Vereine sind. Ich dachte, dass sie homogener sind.

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Die Corona-Krise ist auch ein harter Schlag für die Blasmusik. Musikprobe­n dürfen zurzeit nicht stattfinde­n, aber auch die ausfallend­en Feste bringen den Vereinen erhebliche­n Schaden.
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FOTO: OBSER Rudolf Hämmerle ist Vorsitzend­er des Blasmusikk­reisverban­ds.

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