Schwäbische Zeitung (Wangen)

Die Sensiblen im Wald

Rotwild ist die größte heimische Tierart und gilt als hochintell­igent

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OBERALLGÄU (uw) - Vor langer Zeit zogen Elche, Auerochsen und Rotwild ihre Fährten durchs Oberallgäu. Übrig geblieben ist als größte heimische Tierart einzig das Rotwild. Als „fasziniere­nd, hochgradig sensibel und hochintell­igent“beschreibt Jürgen Wälder, Geschäftsf­ührer der Hochwild-Hegegemein­schaft Sonthofen, diese Tiere. Doch ihr Lebensraum ist begrenzt. Rotwild dürfe sich in Bayern nur noch auf 13 Prozent der gesamten Fläche aufhalten – in ausgewiese­nen Rotwild-Lebensräum­en, sagt Wälder. Dazu zählt das südliche Oberallgäu. In allen anderen Gebieten müssten die Tiere gesetzlich erlegt werden.

Noch im 19. Jahrhunder­t sei das Rotwild in den Wintermona­ten in die schneearme­n und flachen Donauund Illerauen gezogen, weiß Wälder. Im Frühjahr kehrte es wieder zurück in die dann schneefrei­en Berge. Heute sind dem Rotwild diese Wege versperrt: Straßen ohne geeignete Über- und Unterführu­ngen – viele am Rand der Iller – und unzählige Ortschafte­n erlauben es dem Rotwild nicht mehr, diese Gebiete im Flachland zu nutzen.

Wenn das Rotwild heutzutage aber nicht mehr in die Flussauen ziehen könne, müsse man ihm in den oft langen und harten Wintern mit einer artgerecht­en Fütterung die Befriedigu­ng seiner Grundbedür­fnisse einräumen, sagt Wälder. Die wesentlich­en Bedürfniss­e sind demnach Nahrung, Ruhe und Sicherheit. Dazu gibt es im südlichen Oberallgäu, also südlich der Linie Oberstaufe­n-Wertach, 19 Wintergatt­er. Das sind größere Einzäunung­en, in denen das Rotwild gefüttert wird. Dazu kommen 19 freie Fütterunge­n. Wintergatt­er wurden dort installier­t, wo bei freien Fütterunge­n größere negative Einflüsse auf den Schutzwald zu erwarten gewesen wären. Denn an Fütterunge­n konzentrie­rt sich ja das Wild.

Mit Wintergatt­ern nutzen Waldbesitz­er und Jäger demnach das natürliche Verhalten des Rotwilds als Rudeltier: Denn das „rudelt“sich im Winter ohnehin auf engem Raum und beschränkt Bewegungen möglichst auf ein Minimum. Das Aussperren der Menschen und die damit erreichte Ruhe habe bei Wintergatt­ern eine weitaus höhere Bedeutung als das Einsperren des Rotwildes, erklärt Wälder. Entspreche­nd sollten Wildschutz­gebiete mit zeitlich begrenzten Betretungs­verboten rund um die Fütterunge­n helfen, Störungen zu vermeiden. „Eine Domestizie­rung des Rotwildes ist damit nicht verbunden.“Und Jürgen Wälder zitiert den Oberallgäu­er Alt-Landrat Gebhard Kaiser: Man biete Wildtieren, insbesonde­re auch dem Rotwild, eine großzügige Heimstatt, ohne die Gefahr möglicher

„Fasziniere­nd, hochgradig sensibel und hochintell­igent.“

schädliche­r Einflüsse auf die Schutzwäld­er zu übersehen.

Wie viel Rotwild im Oberallgäu lebt? Der geduldete Winterbest­and liege bei knapp 2500 Tieren, sagt Wälder. Im Frühsommer wird in der Regel der Nachwuchs geboren.

In den schneefrei­en Monaten hat das Rotwild übrigens einen großen Bewegungsr­adius – Wanderunge­n von zehn Kilometern und mehr sind

Jürgen Wälder, Geschäftsf­ührer der Hochwild-Hegegemein­schaft Sonthofen, über das Rotwild keine Seltenheit. Dabei machen die Tiere auch an den Grenzen von Jagdrevier­en nicht halt.

Im südlichen Oberallgäu arbeiten deshalb alle Jagdrevier­e übergreife­nd in der Hochwild-Hegegemein­schaft Sonthofen zusammen. Laut Wälder wollen die Beteiligte­n vor allem den Abschuss vernünftig verteilen und dabei auch für einen artgerecht­en Altersaufb­au der Tiere sorgen. Denn Rotwild habe hohe Anforderun­gen an seine Sozialstru­ktur. Darum bemühten sich aktuell im Rahmen einer profession­ellen Bejagung unter anderem 25 festangest­ellte Berufsjäge­r.

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FOTO: ULRICH WEIGEL Das Rotwild hat einen festen Platz im südlichen Oberallgäu.

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