Der Zweitligameister der Herzen
Unaufhörlich brutzelt die Sonne hernieder, die Fans schwitzen, Cottbus führt, Tomislav Piplica hält, was zu halten ist. Dann aber fliegt eine Ecke herein, aus dem Hintergrund müsste Hitze schießen, Hitze schießt – Toooor, Toor, Toor! 1:1! Hitzlsperger! Und als Sami Khedira noch eins köpft, ist der VfB Stuttgart Meister, der jüngste seiner Zeit. Es ist der 19. Mai 2007, eine Feinstaubmetropole steht kopf: 200 000 Menschen stehen dem Team bis zwei Uhr früh Spalier, die Fans von Fanta 4 singen ihr Lied vom Treusein, der Fußballgott ist Schwabe.
Heute, 13 Jahre später, wissen wir: a) Gott ist alles, nur kein Stuttgarter. b) Der VfB ist bloß ein ganz normaler Zweitligist, der sich mit dem Hamburger SV ein dubioses Fernduell liefert in der Disziplin: Wer schafft es als Erster, seinen Trainer zu entlassen, noch bevor er ihn vorgestellt hat. Immerhin: Seit Januar hält der VfB am Personal fest, obwohl er nun seit drei Monaten nicht mehr gewonnen hat. Gut, da war die Corona-Pause dazwischen, sagen Sie, aber das bedeutet gar nichts, schließlich schaffte es der HSV in jener Zeit sogar, seinen Chef rauszuschmeißen.
In Wahrheit ist der VfB längst der Zweitligameister der Herzen. Gefühlt wurden ihm zuletzt 39 Tore in Folge nach Videobeweis abgezogen, am Sonntag kassierte er in der 97. Minute einen Handelfmeter, den der Schiri nicht gesehen hatte. Der Verein liegt quasi in den Wehen, trotzdem wurde er bis dato nie gewalttätig gegen den ominösen Kölner Keller, und das ist aller Ehren wert. Dieser Club hält auch die linke Wange hin, und seine Fans wissen längst: Wahre Liebe kennt keine Liga. (zak)