Konjunkturhilfen mit Nebenwirkungen
Die ungleichen staatlichen Zuwendungen haben Folgen – Wettbewerbsverzerrungen sind wahrscheinlich
FRANKFURT - Die Corona-Krise trifft alle Wirtschaftsräume rund um den Globus hart. In den USA rechnet die Notenbank mit einem Wirtschaftsrückgang von 30 Prozent. Allerdings besteht auch die Hoffnung, dass dann das Tal durchschritten sein wird. Auch in Europa könnten die massiven Wirtschaftshilfen ihre Wirkung zeigen. Allerdings birgt der Flickenteppich an nationalen Lösungen auch Probleme, die später aufbrechen könnten.
Die amerikanische Notenbank rechnet mit einem heftigen Einbruch der Wirtschaft im zweiten Quartal von rund 30 Prozent. Die Arbeitslosenquote in der wichtigsten Volkswirtschaft der Welt könnte demnach auf bis zu 25 Prozent ansteigen. Immerhin sieht Fed-Chef Jerome Powell dann aber das Tal auch durchschritten. Sollte es keine zweite Infektionswelle geben, rechnet er mit einer allmählichen Erholung bereits in der zweiten Jahreshälfte.
Wie in den USA prognostiziert könnte es auch in Europa laufen. Auch hier nährt sich die Hoffnung aus dem Zusammenspiel der nationalen Regierungen und der Hilfe durch die Europäische Zentralbank. Damit gleicht diese auch ein Stück weit aus, dass die Regierungen Europas bislang im nationalen Rahmen helfen und agieren und nur sehr zurückhaltend gemeinsame Strategien in der Krise angehen. „Europa ist nach wie vor ein Flickenteppich. Hier besteht das große Problem darin, dass wir uns über verschiedene Rechtsräume und Regierungen abstimmen müssen. Und dass natürlich einzelne Länder mehr Feuerkraft haben als andere“, sagt Martin Lück, Chefvolkswirt für den deutschsprachigen Raum beim weltgrößten Vermögensverwalter Blackrock. Vor allem im Süden Europas haben die
Länder weniger finanzielle Spielräume als etwa die Regierung in Berlin. Das liegt zum Teil an ihrer geringeren Wirtschaftsleistung, aber auch an ihren vergleichsweise hohen Staatsschulden. „Das heißt, die Corona-Krise vertieft noch einmal die Spaltung Europas“, sagt Martin Lück.
Die unterschiedlichen Möglichkeiten, Unternehmen und Wirtschaft vonseiten des Staates unter die Arme zu greifen, sieht auch EUWettbewerbskommissarin Margrethe Vestager als ein Problem. Von den bislang angemeldeten Hilfen in Höhe von knapp zwei Billionen Euro entfielen rund 51 Prozent auf die Bundesrepublik, sagte eine Sprecherin der EU-Kommission am Montag in Brüssel. Das aber kann letztlich zu Wettbewerbsverzerrungen führen, wenn Unternehmen in einigen Ländern wie Deutschland nach der Krise mit Rückenwind aus großen Hilfsprogrammen wieder durchstarten können, während andere Unternehmen
vor allem in den Südländern noch mit den Langzeitfolgen der Krise kämpfen müssen.
Während Deutschland rund ein Drittel seiner Wirtschaftsleistung gegen die Krise aufbringen kann, rechnet beispielsweise die Regierung in Athen bislang nur mit Summen von knapp fünf Prozent der Wirtschaftsleistung, rechnet der Chefvolkswirt der ING, Carsten Brzesjki vor: „Wir haben also das große Risiko, dass sich die wirtschaftlichen Unterschiede nach der Krise noch vergrößern werden. Und wenn es dann nicht wieder zu einer neuen Eurokrise kommen soll, dann sollte man darüber nachdenken, wie man in Südeuropa noch einmal helfen kann.“Ein Schritt in diese Richtung könnte ein Vorstoß aus Berlin und Paris sein. Die beiden führenden europäischen Wirtschaftsmächte schlagen einen gemeinsamen europäischen Wiederaufbauplan in Höhe von 500 Milliarden Euro vor.
Ein anderes und eher generelles Problem der schnellen Nothilfen für Wirtschaft und Unternehmen sieht die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE): Die Korruption dürfte zunehmen, weil die Behörden überfordert seien. „Die Kriminellen passen sich rasch an die Systemschwächen an, die durch die Covid-Krise hervorgerufen werden“, sagte OSZE-Generalsekretär Thomas Greminger der österreichischen Nachrichtenagentur APA. „Wir vermuten, dass wir in den nächsten Monaten sehr viel mehr Korruption sehen werden.“Auch der Menschenhandel dürfte nach Meinung Gremingers zunehmen. Denn durch die Wiedereinführung von Kontrollen an den europäischen Binnengrenzen seien auch diese Behörden überfordert gewesen. Leider habe die Corona-Krise die Tendenz zu „sehr nationalen Reflexen, Alleingängen und unilateral isolationistischen Ansätzen verstärkt“.