Verhärtete Fronten bei Voith in Sonthofen
Nach Aus für Traditionsstandort im Allgäu haben Verhandlungen über Sozialplan begonnen
RAVENSBURG - Das Management des Technologiekonzerns Voith hat am Montag mit Vertretern der Arbeitnehmer und der IG Metall Gespräche über einen Sozialplan für die von der Schließung betroffenen Mitarbeiter am Standort Sonthofen im Allgäu begonnen. Nach Aussage einer Unternehmenssprecherin liege das Angebot deutlich über dem branchenüblichen Standard, aber auch deutlich über den sonst bisher bei Voith üblichen Umfängen. Mit Verweis auf die weiteren Gespräche wollte die Sprecherin aber keine Details zum Inhalt machen. Carlos Gil, zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Allgäu und beteiligt an den Verhandlungen, bestätigte „konstruktive Gespräche“, die aber ergebnislos auf Freitag vertagt wurden.
Das Familienunternehmen mit Sitz in Heidenheim will das Werk mit etwa 500 Mitarbeitern, das zur Antriebssparte Voith Turbo gehört und wo vor allem Getriebe etwa für Ölplattformen, Turbinen und Kraftwerke produziert werden, schließen. Die Belegschaft streikt deswegen seit gut drei Wochen – anfangs noch für den Erhalt des Standorts. Nachdem ein Schlichtungsverfahren gescheitert war und das Unternehmen ein Alternativkonzept der IG Metall abgelehnt hatte, wird der Streik im Werk für einen Sozialplan fortgesetzt. Dieser soll Abfindungen und Qualifizierungsmaßnahmen im Rahmen einer Transfergesellschaft enthalten und weitergehen, als in dem zwischen Betriebsrat und Unternehmen vorab vereinbarten Sozialplan. Letzterer sei nur die „unterste Haltelinie“, sagte der Bezirksleiter der IG Metall Allgäu, Johann Horn. „Das ist für die Beschäftigten in Sonthofen zu wenig, um den Verlust ihrer Arbeitsplätze aufzuwiegen.“
Vorab war bekannt geworden, dass Voith 167 Mitarbeitern am Standort Sonthofen das Angebot machen wolle, in ein neu geschaffenes Büro Allgäu in der Region zu wechseln. Nach Aussage von Voith-Chef Toralf Haag wolle man damit „rund 170 Arbeitsplätze im Engineering“ aufrechterhalten. Den übrigen Mitarbeitern würden „attraktive Angebote gemacht“. Damit gemeint sind vor allem Arbeitsplätze in anderen Voith-Werken, etwa am Standort Crailsheim (Landkreis Schwäbisch Hall).
Voith führt als Grund für das Aus am Standort Sonthofen die zu hohen Kosten von Voith Turbo in Deutschland an. Um das zu ändern soll die Produktion auf weniger, dafür aber schlagkräftigere Standorte konzentriert werden. Es gehe in Sonthofen immerhin um Sparpotenzial in Höhe eines niedrigen zweistelligen Millionenbetrags, präzisierte Voith-Chef
Haag im Interview mit dem „Handelsblatt“. Man habe in der Antriebssparte einfach zu viele zu kleine Werke in Deutschland. Neben Sonthofen sollen deshalb auch die Standorte in Zschopau und in Mülheim geschlossen werden.
Arbeitnehmervertreter und die IG Metall Allgäu hatten die Entscheidung des Voith-Managements Sonthofen in den vergangenen Monaten immer wieder kritisiert. Ihnen zufolge sei das Werk, das auf eine über 500-jährige Tradition zurückblickt, seit Jahren voll ausgelastet und noch dazu im Dreischichtbetrieb tätig. Aufsichtsratschef Siegfried Russwurm, der die rund 40 Familiengesellschafter im Rücken weiß, konterte die Kritik im „Handelsblatt“, dass die Auslastung eines einzelnen Werks nur scheinbar ein Beweis für Wirtschaftlichkeit sei. Es zähle die Profitabilität der gesamten Sparte, und die sei im Vergleich mit der Konkurrenz nicht wettbewerbsfähig.
Läuft alles nach Plan, will das Voith-Management mit den Verlagerungen zum 1. Juni beginnen und bis Ende September damit fertig sein. Das Unternehmen, das neben Antriebslösungen auch Papiermaschinen sowie Turbinen und Generatoren für Wasserkraftwerke herstellt und weltweit mehr als 19 000 Mitarbeiter beschäftigt, erzielte im vergangenen Geschäftsjahr 2018/19 (30. September) bei einem Umsatz von 4,3 Milliarden Euro einen Gewinn von 72 Millionen Euro.