Al-Sultan hört auf und wehrt sich
MÜNCHEN (SID) - „Ich möchte klarstellen“, twitterte der Ex-Hawaii-Sieger Faris Al-Sultan am Montag, „dass ich nicht gefeuert wurde, weil ich meine persönliche Meinung kundgetan habe“. Die Erklärung der Deutschen Triathlon Union (DTU) über das Ende der Zusammenarbeit am 30. September war nur Sekunden alt. Darin verlor der Verband kein Wort über die kritischen Aussagen, die der Bundestrainer in den Vorwochen täglich in Bezug auf die Corona-Pandemie getätigt hatte. Vielmehr seien „sehr unterschiedliche Vorstellungen über die weitere Zusammenarbeit“der Grund für die Demission und die vorzeitige Auflösung des bis Jahresende gültigen Vertrags gewesen.
Al-Sultan sagte, er sei bereits „am 26. März auf den DTU-Direktor zugegangen“und habe ihm gesagt, er höre nach der Saison auf. Ob das stimmt ist Spekulation. Die Trennung war jedenfalls spätestens seit dem 14. April vorstellbar, weil Al-Sultans Leserbrief an das Nachrichtenmagazin Spiegel dem Verband wohl nicht gefiel. „Ich schäme mich für eine Bundeskanzlerin“, schrieb der Münchner darin etwa über den Umgang Angela Merkels mit der Coronakrise, „die wider aller Fakten etwas vom Verlust der Liebsten faselt, statt auf die organisatorische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unserer Gesellschaft hinzuweisen, um sämtliche Probleme mit Vernunft anzugehen.“
„Wir müssen zusammenwachsen!“
Stuttgarts Trainer Pellegrino Matarazzo fordert mehr Teamgeist
Wenn der Videoassistent auf diese Art eingreife, „muss man die Anwendung neu diskutieren“. VfB-Angreifer Mario Gomez hatte nach dem Spiel gesagt: „Wenn im Luftkampf, wo die beiden Spieler zum Ball gehen, der Ball von zehn Zentimetern an die Hand springt, dann ist das kein Handspiel.“Aber: „Am Ende des Tages stehst du da und schaust blöd.“
Der Einsatz des Videoassistenten (VAR) mache das Spiel eben nicht gerechter. „Im Gegenteil“, behauptete Mislintat. „Es beeinflusst in einer Art und Weise, die meines Erachtens nicht mehr Sinn macht. Wir sind nicht in der Lage, das vernünftig einzusetzen, sondern es ist eine extreme Willkür im Einsatz des VAR.“
Mislintat betonte, er wolle mit seiner Schiedsrichter-Schelte nicht von der Leistung des VfB ablenken, die einmal mehr nicht aufstiegsreif war. In der Wahrnehmung aber dürfte seine Klage die im Vergleich dazu eher sachliche Kritik an der Leistung der VfB-Profis überlagern. Die Mannschaft habe nicht den „Job erledigt“, meinte Mislintat etwa. Er forderte mehr „Widerstandsfähigkeit“und mehr „Persönlichkeit“auf dem Platz.
Der Entscheidung, die Mislintat so aufregte, war ein Zweikampf zwischen dem eingewechselten VfBStürmer Hamadi Al Ghaddioui und Wehens Paterson Chato vorausgegangen. Offenbar zunächst verunsichert hielt Schiedsrichter Sascha Stegemann Rücksprache mit dem Videoassistenten Robert Kampka.
In der Stille des beinahe leeren Stadions war das Gespräch beim Sichten der Videobilder zu hören: „Ich erkenne nicht, ob der Ball an der Hand war oder nicht“, sagte Stegemann, und: „Robert, ist der Ball an der Hand von dem Al Ghaddioui? Da hast du einen klaren Beweis für? Okay, dann ist Hintertor hoch für mich die entscheidende Perspektive, um zu sagen: Das ist ein Handspiel“. In der 97. Minute nutzte Wehen den Strafstoß zum Sieg.
Der DFB bezeichnete die Elfmeter-Entscheidung dagegen als „regeltechnisch
in Ordnung“. Die Armhaltung von Al Ghaddioui sei als „unnatürlich“einzuordnen, teilte die Sportliche Leitung der Elite-Schiedsrichter mit. Allerdings räumte sie ein, dass die Handspiel-Szene „als nicht ganz klar eingeordnet werden kann“. Dadurch gab es einen Ermessensspielraum für den Schiedsrichter. „Da es sich um einen sehr detaillierten Vorgang handelte, war eine genaue Analyse durch den Videoassistenten erforderlich, um das Handspiel bildlich belegen zu können. Dieser Beweis konnte durch eine hochauflösende Kamera erbracht werden“, heißt es. Auf dem Bildschirm im Stadion sei das Handspiel für Stegemann dagegen „nur schwer zu erkennen“gewesen.
Mislintat war dennoch sauer, er sagte, die Stuttgarter seien in der Summe der Entscheidungen in dieser Saison „klar benachteiligt“worden. Allein Mario Gomez waren fünf Abseitstore wegen Videobeweis abgezogen worden. „Ich möchte da kein Prinzip erkennen, ich kann aber auch nicht verhehlen, dass es eins zu sein scheint.“Läuft da in etwa eine Verschwörung gegen den VfB im Frühling der angeblichen Corona-Verschwörung? Ganz so weit gehen wollte der VfB dann doch nicht.
Unabhängig von der Schiedsrichter-Entscheidung führte der verpatzte Neustart beim VfB zu jeder Menge Gesprächsbedarf. Am Montagmorgen sprach Trainer Pellegrino Matarazzo die Schwächen bei seiner Elf laut Mislintat „sehr hart“und „eindeutig“an. Die zweite Niederlage aus den letzten drei Spielen offenbarte altbekannte Mängel: Wie in der VorCorona-Zeit machte der VfB zu wenig aus seiner spielerischen Überlegenheit, der Angriff blieb zu wenig effektiv. „Vielleicht waren wir nicht konzentriert genug, vielleicht auch mental unzufrieden“, hatte Matarazzo gesagt und gefordert: „Wir müssen zusammenwachsen.“Dass der Zweitliga-Luxuskader
auf dem Rasen zu wenig miteinander spricht – immer ein Zeichen, dass die Hierarchie ausbaufähig ist und Kommandogeber fehlen –, war auch Mislintat negativ aufgefallen. Ob die Führungsspieler wie Gomez oder Gonzalo Castro in Kiel und gegen den HSV am 28. Mai lauter werden? Einer, der es könnte, Holger Badstuber, saß erneut nur auf der Bank.
In der Hinrunde hatte das 1:2 gegen Wiesbaden das Ende der Ära von Trainer Tim Walter eingeläutet. Mit der Niederlage gegen Kiel und der Klatsche in Hamburg geriet der VfB in eine Krise. Nun könnte der VfB erneut im Aufstiegsrennen zurückfallen, Spitzenreiter Bielefeld scheint in jedem Fall sowohl für Hamburg als auch für Stuttgart unerreichbar und fast schon aufgestiegen zu sein. Glück im Unglück für den VfB: Die Rivalen büßten durch Last-MinuteGegentore am Sonntag jeweils sogar zwei Zähler ein.