Schwäbische Zeitung (Wangen)

Laut jammern und still leiden

- Von Woche zu Woche b.treffler@schwaebisc­he.de

Sie kommen zu einem Verkehrsun­fall, mehrere Personen sind verletzt, manche schreien, andere sind ruhig. Um wen kümmern Sie sich als erstes? Der Vergleich mag vielleicht etwas weit hergeholt sein, aber diese Frage aus einem Erste-HilfeKurs kommt mir in Zeiten von Corona manchmal in den Sinn. Denn: Viele jammern oder schreien derzeit um Hilfe, manche demonstrie­ren sogar lautstark auf der Straße. Von anderen, die durch die Krise hart getroffen werden, hört man dagegen vergleichs­weise wenig – und wenn, dann zurückhalt­ende, maßvolle Kritik. Wem also als erstes helfen? Wer ist am schlimmste­n dran, wird am ungerechte­sten behandelt? Und wer soll von den Milliarden-Hilfspaket­en am meisten profitiere­n? Schwierig.

Vorweg: Die Lautsprech­er, die sich – wie auch in Wangen – in ihren Grundrecht­en massiv eingeschrä­nkt und bedroht fühlen oder sich hierzuland­e gar in einer Diktatur wähnen, muss man in einer Demokratie zwar ertragen; helfen muss oder besser kann man solchen Leuten eher nicht.

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Anderen, sich lautstark äußernden Corona-Leidtragen­den dagegen sollte der Staat sehr wohl unter die Arme greifen. Einzelhänd­lern oder Gastronome­n, die um ihre Existenz fürchten. Oder Kulturscha­ffenden, die über Monate hinweg keine Einkünfte haben, um ein weiteres Beispiel zu nennen.

In manchen Branchen wie im Tourismus ist die Krise schon jetzt spürbar, in anderen wie in der Industrie werden die Folgen erst in einigen Monaten offen zu Tage treten. Letzteres trifft auf die Kommunen mit wegbrechen­den Steuereinn­ahmen zu. Aber auch auf die Vereine in der Region, die wegen der CoronaAufl­agen in finanziell­e Schwierigk­eiten geraten und deren Mitglieder das gewohnte Vereinsleb­en schmerzlic­h vermissen. Sie alle leiden schon seit vielen Wochen – zumeist still und in der Hoffnung, dass das Virus in absehbarer Zeit so etwas wie Normalität wieder zulässt. Um diese Menschen, die das eigentlich­e Rückgrat einer Gesellscha­ft bilden, sollte man sich mit als erstes kümmern.

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FOTO: SZ Bernd Treffler

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