Wenn Bilder plaudern
Die neue Kißlegg-Ausstellung zeigt mehr als nur Gemälde – sie erzählt Geschichten
KISSLEGG – Nein, die Ausstellung zum Gemeindejubiläum „Kißlegg wie gemalt“ist keine Abhandlung, die die letzten 200 Jahre Geschichte in Kißlegg bildlich erzählt. Besucher können vielmehr in kleinen Anekdoten erfahren, wie sämtliche teils namhafte Künstler die Allgäu–Gemeinde sehen, gesehen haben oder sehen wollen. Nicht von der Hand zu weisen ist: Ein Rundgang durch die Räume des dritten Stocks im Neuen Schloss braucht Zeit – und den Katalog zur Ausstellung. Ohne ihn ist wenig zu erfahren.
Einen Bezug zu Kißlegg haben alle Exponate. Freilich sind die örtlichen Postkarten-Motive, die Schlösser, Seen, Kirchen und Kapellen, zigfach von unterschiedlichsten Künstlern dargestellt. Auch die älteste Ortsansicht ist zu sehen. Jedoch sieht man nicht jedem Bild auf Anhieb an, was es in einer Ausstellung über Kißlegg sprichwörtlich verloren hat.
Da wäre beispielsweise der „Imperator“, den Manfred Scharpf 2009 für einen Zyklus zu Goethes Faust malte. Im Vordergrund steht ein Skelett in prächtiger Klamotte. Gebeine in Gold und Purpur, geradezu bestickt mit Edelsteinen. Die Inspiration dazu hat Scharpf in seiner Kindheit bei der sonntäglichen Messe in der Kißlegger Pfarrkirche gesammelt. Denn: Was einen „Imperator“zeigt, ist ein Abbild der Reliquie im rechten Seitenschiff der Barockkirche: Der heilige Severinus, einer der „heiligen Leiber“, die noch heute in den Seitenaltären zu sehen sind. „Am Blocksberg“heißt ein weiteres Bild von Scharpf. Im Bild sollen wohl Hexen zu sehen sein – und ein Hügel bei Emmelhofen.
Die Natur rund um den Flecken hat einigen Künstlern Motive gespendet. So auch Franz Baumgartner, von dem
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Filiale Ravensburg in der Ausstellung die Gruppe „Sonntag bei Kißlegg“zu sehen ist. Durch Zufall war er vor über sieben Jahren, als er im Schloss Achberg ausstellte, in einem Kißlegger Hotel untergebracht – und fand bei einem Spaziergang Inspiration. Nun sind die Bilder erstmals in der Nähe von dem, was sie zeigen.
„Alle Künstler von außerhalb haben sich gerne an Kißlegg erinnert und waren gleich dabei, als es um die Ausstellung ging. Das ist schon faszinierend“, findet Erika Sigrüner. Sie hat „Kißlegg wie gemalt“im Auftrag der Gemeinde konzipiert.
Es sind auch Exponate von Künstlern zu sehen, die in Kißlegg leben und arbeiten. Die Figurengruppe „Kißlegger Geschwätz“von Franz Kussauer soll das „Ratschen“der Kißlegger während des Wochenmarkts zeigen. Jürgen Weing hat in seinen Linienzeichnungen „Chic in Kißlegg“Spitzen von einem großen Unterwäsche-Werksverkauf in Kißlegg verwendet. Von dem kalten Winter 1987, als er noch in einem Nebengebäude des alten Schlosses wohnte, berichtet Richard Allgaier. Damals beobachtete er, wie der Springbrunnen vor dem Neuen Schloss wuchs und wuchs vor lauter Eis – festgehalten als Aquarell.
Hermann Scharpfs Gipstorso „Venus entwaffnet Amor“steht genau dort, wo er die Inspiration dafür her hat: Unter dem Fresko von „Leda mit dem Schwan“. Hier war Scharpf einst zwei Jahre lang Schüler, als im Schloss noch die Realschule untergebracht war. Damals sei, so berichtet es heute noch mancher ältere Kißlegger, das Abbild der nackten Leda hin und wieder unter Beschuss gestanden, wenn Schüler mit dem Lineal Papierkügelchen | Wangener Straße 17 | 88212 Ravensburg
nach oben katapultierten. Das Malen des Ölbilds „Entenflug an der Ach“entpuppte sich schwierig für Paul Wilhelm Dahms. Denn am Achlauf bei Sankt Anna waren keine Enten zu finden. Folglich musste der Hausmeister des Schlosses, Josef Mohr, Enten fangen, in einen Sack stecken und eine nach der anderen in die Luft werfen, sodass Dahms seine Skizzen anfertigen konnte.
Ein Bild, das nun Teil der Ausstellung ist, hängt normalerweise im Verhandlungszimmer des Bürgermeisters. Es stammt nicht aus der Hand eines renommierten Künstlers, sondern von Josef Schuwerk. Dieser wurde 1909 in Sankt Anna geboren, war erst Wagner, später Betriebsinspektror bei der Eisenbahn. Im Krieg war er Bahnhofsvorstand in Raygorod in der Ukraine. Von dort aus schickte er – wohl aus Heimweh – 1943 ein Bild der Kißlegger Fronleichnamsprozession an seine Mutter.
Zu vielen der 158 Objekte gibt es eben diese unerzählten Geschichten. Zusammengetragen hat sie Erika Sigrüner. „Weil sie so viele Leute kennt, konnte nur sie diese Ausstellung machen“, lobt Bürgermeister Dieter Krattenmacher die Kuratorin. Für Kißlegg sei die Ausstellung, „eine Reflexion, ein mit sich selbst Beschäftigen“, findet Krattenmacher. „Aber ein sehr schönes mit sich selbst Beschäftigen.“ 200 Jahre GEMEINDE KIßLEGG
Öffnungszeiten: dienstags, donnerstags und freitags von 14 bis 17 Uhr und an Sonn- und Feiertagen von 13 bis 17 Uhr. Mehr Bilder finden sich online unter www.schwäbische.de/ kisslegg-kunst
Ladenöffnungszeiten: Montag bis Freitag: 9:00-18:00 Uhr Samstag: 9:00-16:00 Uhr Weitere Filiale in der Kolpingstr. 12 in Biberach. Aktuelle Öffnungszeiten finden Sie auch online auf www.fahrradprofis.de