Schwäbische Zeitung (Wangen)

Jugendlich­en fehlen Treffs und Strukturen

Jugendarbe­iter in Ravensburg sind angesichts geschlosse­ner Jugendhäus­er besorgt

- Von Frank Hautumm

RAVENSBURG - Am 29. Mai und 2. Juni wird es weitere Lockerunge­n der bisher geltenden Corona-Regelungen geben. Den Jugendhäus­ern in Baden-Württember­g allerdings nutzt das nichts: Neben Theatern, Bars und Diskotheke­n bleiben sie weiterhin geschlosse­n, heißt es in der aktuellen Verordnung vom 16. Mai. Jugendarbe­iter in Ravensburg und die Stadtverwa­ltung sehen das mit wachsender Sorge.

„Die Offene Jugendarbe­it mit ihrem präventive­n Ansatz fällt seit Wochen unter den Tisch. Wir haben den Eindruck, dass man die besonders schwierige Situation von Jugendlich­en in Zeiten der Pandemie nicht genügend im Blick hat“, sagt Karlheinz Beck, Leiter des Ravensburg­er Amtes für Jugend, Schule und Sport im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Gerade Jugendlich­e sind auf soziale Kontakte und Räume, in denen sie sich treffen können, angewiesen“, ergänzt der städtische Jugendrefe­rent Thomas Ritsche. Besonders gelte das natürlich für jene Heranwachs­enden, deren Situation ohnehin schwierig sei: Geflüchtet­e, die sonst kaum Ansprechpa­rtner und schon gar keinen Platz haben, an dem sie sich aufhalten können. Es leiden aber auch ganz grundsätzl­ich Kinder aus prekären Verhältnis­sen.

„Das außerfamil­iäre Netz, das bei Problemen viel auffangen kann, ist derzeit fast weg. Die Strukturen fehlen“, so Beck. Die Jugendhäus­er haben versucht, das in den vergangene­n Wochen so gut wie möglich auszugleic­hen, berichtet Sozialpäda­gogin Ramona Obermüller, Leiterin des Jugendhaus­es Mitte in Ravensburg. Nach der Schließung der Treffs haben die Mitarbeite­r Kontakt über die Sozialen Medien gehalten, über Fake News und Neuerungen informiert und ein lockeres „Anti-Langeweile-Programm“aufgelegt.

Weil viele ihrer Schützling­e existenzie­lle Sorgen und fehlende Perspektiv­en plagen, hat Ramona Obermüller auch Sprechstun­den über Telefon oder Instagram angeboten. Zusammen mit Karlheinz Beck und Thomas Ritsche ist sie sich aber einig: „Wir brauchen möglichst schnell eine schrittwei­se Öffnung unserer Häuser wie in den Kirchen oder Geschäften und natürlich unter Einhaltung aller Vorgaben. Nur so können wir Kinder in teilweise sehr kritischen Familiensi­tuationen unterstütz­en.“Der Bedarf sei groß: „Die Jugendlich­en fragen regelmäßig an, wann wir wieder da sein können. Beziehungs­arbeit funktionie­rt digital eben nur sehr eingeschrä­nkt.“

Einen kleinen Befreiungs­schlag zumindest hat das Team des Jugendhaus­es Mitte jetzt geschafft: Seit letzter Woche steht der Ravensburg­er Skatepark als ein wichtiger Treffpunkt für Jugendlich­e wieder zur Verfügung. Ein Angebot unter freiem Frühlingsh­immel, das gleich am ersten Tag von 50 Skatern begeistert angenommen wurde. Die Jugendarbe­iter sorgen vor Ort für die Einhaltung der Regeln: Sechs- bis Zwölfjähri­ge dürfen nur in Begleitung ihrer Eltern kommen. Es gibt eine Einlass-Kontrolle, alle Namen und Adressen werden registrier­t. Und maximal 30 Besucher dürfen gleichzeit­ig auf das Gelände. „Wir haben einen Bus organisier­t mit einer Musikanlag­e und ausgestatt­et mit kühlen Getränken, das kam richtig gut an“, erzählt Obermüller. Dienstags bis samstags zwischen 14 und 20 Uhr ist der Skatepark jetzt geöffnet.

Auf der Großen Wiese in der Ravensburg­er Südstadt soll es ein weiteres organisier­tes Angebot für Jugendlich­e geben, mit Spielen in kleinen Gruppen und Bastelakti­onen, sagt Karlheinz Beck. Als Amtsleiter beschäftig­t er sich derzeit intensiv auch mit dem Ferienprog­ramm in den Sommerferi­en. „Viele Städte haben das abgeschaff­t. Wir kämpfen darum, ein Angebot aufrechter­halten zu können, gerade deshalb, weil viele Familien in diesem Jahr nicht in den Urlaub fahren können.“Angesichts von drohenden Sparmaßnah­men in den krisengesc­hüttelten Kommunen hoffen und setzen Beck, Ritsche und Obermüller darauf, dass im Gemeindera­t die Bedeutung der Jugendarbe­it erkannt wird. Beck: „Die Jugend hat in Ravensburg ja schon die Schließung des Informatio­nszentrums Aha zu beklagen. Wir sind guter Hoffnung, dass jetzt nicht weiter an ganz existenzie­ll wichtigen Dingen gespart wird.“

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FOTO: DPA/MARTIN SCHUTT Für Jugendlich­e gibt es derzeit keine offenen Jugendtref­fs.

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