Schwäbische Zeitung (Wangen)

Große Diskussion­en im weltweiten Tenniszirk­us

Organisati­onen der Frauen und Männer könnten zusammenge­legt werden – Prominente Fürspreche­r

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LONDON (dpa) - Der weltweite Profitenni­sbetrieb ruht derzeit, doch hinter den Kulissen wird heftig diskutiert. Dabei steht nicht nur die Frage im Vordergrun­d, wann wieder gespielt werden kann. Es geht um viel größere Themen auf der Tennistour.

Es waren nur wenige Zeilen, die Roger Federer Mitte April auf Twitter verfasste. Doch sie schlugen in der Tenniswelt so hohe Wellen, dass sich inzwischen fast jede oder jeder Prominente auf der Tour dazu geäußert hat – zumal die vom Schweizer Weltklasse­spieler Federer angestoßen­e Diskussion ein Dauerthema ist. „Bin ich der Einzige, der denkt, dass jetzt die Zeit wäre, dass sich das Männer- und das Frauentenn­is zusammensc­hließen?“, fragte Federer. „Es hätte wahrschein­lich schon viel früher passieren müssen, aber jetzt ist es wirklich an der Zeit. Dies sind schwere Zeiten in jedem Sport. Wir können mit zwei geschwächt­en Körpern oder einem gestärkten Körper zurückkehr­en.“

In Wirklichke­it gibt es sogar sieben „Körper“, um in der Sprache von

Federer zu bleiben, die im Welttennis um Macht, Geld und Einfluss konkurrier­en. Neben der MännerOrga­nisation ATP und dem weiblichen Pendant WTA gibt es noch den Weltverban­d ITF sowie die Organisato­ren der vier Grand-Slam-Turniere in Melbourne, Paris, Wimbledon und New York. „Wir haben es mit sieben Entscheidu­ngsträgern zu tun, die alle ihre eigenen Interessen haben“, sagte Barbara Rittner, Frauenchef­in im Deutschen Tennis-Bund. „Das sorgt einfach für zu viele Reibungsve­rluste.“

Es ist seit vielen Jahren ein Spezifikum des Tennis, dass anders als in anderen Sportarten der Weltverban­d nicht die Führungsro­lle innehat. Zwar versuchte der umstritten­e ITFPräside­nt David Haggerty zuletzt, mit der Reform des Davis Cups und des Fed Cups das Zepter wieder in die ITF-Hand zu bekommen. Doch auf den alltäglich­en Betrieb auf der derzeit wegen der Corona-Krise noch mindestens bis Ende Juli pausierend­en Tour hat der Weltverban­d kaum Einfluss. „Wenn die ITF einen gescheiten Job machen würde, bräuchte keiner die ATP und die WTA“, sagte Dirk Hordorff, DTB-Vizepräsid­ent und bestens vernetzter Multifunkt­ionär. So aber sind es die beiden für das jeweilige Geschlecht zuständige­n Organisati­onen, die die Tenniswelt weitgehend bestimmen. Wobei die ATP dort deutlich mehr Macht hat, auch weil es in Federer, Rafael Nadal, Novak Djokovic und Andy Murray seit Jahren ein Quartett auf absolutem Weltklasse­niveau gibt, während es bei den Frauen an der Spitze ein ständiges Wechselspi­elchen gibt.

Doch in der Corona-Krise haben alle die gleichen Probleme: Keine Turniere, keine TV-Gelder, keine Sponsorene­innahmen. Weshalb der von Federer gewählte Zeitpunkt in der Tat günstig erscheint, das Geflecht im Tennis etwas übersichtl­icher zu gestalten. Zumal zwischen dem erst seit Anfang des Jahres fungierend­en ATP-Boss Andrea Gaudenzi und WTA-Chef Steve Simon die Chemie zu stimmen scheint und bereits vor dem Vorstoß Federers erste Gespräche geführt worden waren. „Ich habe keine Angst vor einer Fusion. Ich wäre bestimmt der erste, der das unterstütz­en würde“, sagte der Amerikaner Simon der „New York Times“.

Ein weiterer Fürspreche­r ist die Tennislege­nde Boris Becker. „Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Der Tennisspor­t war immer fortschrit­tlich, wenn es darum geht, mit der Zeit zu gehen.“

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FOTO: MICHEL EULER/DPA Der Schweizer Topspieler Roger Federer wäre dafür, die Organisati­onen ATP und WTA zusammenzu­legen.

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