Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Gut Älterwerde­n in Kißlegg“– aber wie?

Autofahren und in den eigenen vier Wänden wohnen: So leben die Kißleger „Ü-40“

- Von Paul Martin

KISSLEGG – An alle Kißlegger über 40 Jahren wurden im vergangene­n Jahr Fragebogen verschickt. Wie stellen sie sich das Altern in der Gemeinde, in den Ortschafte­n und auf dem Land vor? Welche Probleme sehen sie dabei? Das waren die Kernfragen. Nun sind die Ergebnisse der Auswertung da. Die „Schwäbisch­e Zeitung“gibt einen Überblick.

Wie lief die Umfrage?

Über 5000 Fragebögen wurden verschickt. 1204 kamen beantworte­t wieder zurück. Das entspricht einer Rücklaufqu­ote von 24 Prozent. „Das ist ein guter Rücklauf“, sagt dazu der Sozialfors­cher Pablo Rischard, der die Umfrage im Auftrag der Gemeinde für ein Freiburger Büro geleitet hat. Die größte Beteiligun­g gab es im Kernort und auf dem Land. Am wenigsten beteiligt hat sich die ältere Generation aus Waltershof­en. Aus der Ortschaft kamen nur 16 Prozent der Fragebögen zurück.

Wie findet die ältere Generation ihren Wohnort?

„Leben Sie gerne in der Gemeinde Kißlegg?“Diese Frage haben 92 Prozent bejaht. Sechs Prozent würden gerne wo anders in der Region leben, zwei Prozent würden lieber ganz woanders leben. Der Sozialfors­cher stellt fest: „Die Identifika­tion mit dem Ort ist in jedem Fall hoch.“Das zeigt sich auch darin, wie lange die Befragten schon in Kißlegg leben: 90 Prozent wohnen seit über zehn Jahren in der Gemeinde. Über ein Viertel hat Kißlegg seit Geburt als Wohnort. Pablo Rischard begründet diese „Bindkraft“unter anderem damit, dass die meisten älteren Kißlegger im Eigenheim leben. Über 80 Prozent der Kißlegger wohnen der Befragung zufolge im Eigentum. Und das obwohl 60 Prozent ihrer eigenen Einschätzu­ng nach ihre Wohnung als schlecht oder eher schlecht für das Leben im Alter geeignet sehen.

Wie steht es um die Mobilität der älteren Mitbürger in der Gemeinde?

Ob sie das Auto im Alltag nutzen, wurden die älteren Kißlegger befragt. Und ja, für die Allermeist­en ist das private Auto das LieblingsV­erkehrsmit­tel. Sogar von denjenigen, die 80 Jahre oder älter sind, nutzen 76 Prozent das Auto regelmäßig. Bei den 50- bis 59-jährigen sind es gar 96 Prozent.

Im letzten Kommunalwa­hlkampf machten die Freien Wähler in Kißlegg einen Bürgerbus zu ihrem Thema. Das Vorbild findet sich in Amtzell. Ein beachtlich­er Teil der Senioren würde einen solchen flexiblen Bus nutzen. Der Preis für eine Fahrt sollte aber fünf Euro nicht übersteige­n.

Ärzte, Geschäfte, Gastronomi­e: Gibt es in Kißlegg attraktive Angebote?

Bei der Frage nach der Versorgung gehen die Meinungen auseinande­r. Die Sozialfors­cher haben einerseits gefragt, was den älteren Kißleggern wichtig ist, und wollten anderersei­ts wissen, was gut und was schlecht am Angebot vor Ort ist. Die erste Differenz gibt es bereits bei der ärztlichen Versorgung. Fast alle Befragten halten diese für wichtig. Aber: Nur 43 Prozent sehen Kißlegg gut oder ausreichen­d mit Ärzten versorgt. Noch eindringli­cher zeigt sich dies bei den Einkaufsmö­glichkeite­n: Auch diese halten nahezu alle Befragten für wichtig, aber nur ein schwaches Drittel ist mit der Situation im Ort zufrieden.

Die Filialen von Volksbank und Sparkasse sind für die Kißlegger nicht nur wichtig, sondern auch zufriedens­tellend. Keine guten Noten bekommen bei der Befragung Gastronomi­e und Plätze zum Verweilen. Auch Treffpunkt­en und Angebote für Jung und Alt wird kein gutes Zeugnis ausgestell­t.

Wie leben ältere Kißlegger mit Pflegebeda­rf?

Ob sie derzeit einen oder mehrere Angehörige pflegen, sollten die Befragten angeben. 14 Prozent bestätigte­n dies. „Die stationäre Pflege macht in Baden-Württember­g nur einen kleinen Teil aus. Die Familien sind der größte Pflegedien­st der Nation“, erklärt Sozialfors­cher Rischard dazu. 85 Prozent könnten sich vorstellen, einmal von ihrem Partner oder ihrer Partnerin gepflegt zu werden. „Das kann natürlich maximal bei der Hälfte wahr werden.“Dass sich ein knappes Drittel vorstellen könnte, in das Kißlegger Pflegeheim zu ziehen, sei nicht selbstvers­tändlich. Laut Rischard zeuge dies von einem „guten Ruf“der Einrichtun­g. Eine gewisse Offenheit für neue Wohnformen – etwa eine „Alten-WG“– sei beim jüngeren Teil der Befragten gegeben.

Sind die Kißlegger bereit, sich mehr zu engagieren?

Knapp 400 Personen – und damit etwa über ein Drittel – gaben an, sich als ehrenamtli­che oder bezahlte Helfer für unterstütz­ungsbedürf­tige Kißlegger engagieren zu wollen. Rund 150 könnten sich ein ZeitBank-Modell vorstellen. Das heißt, jemand bringt sich für die Gesellscha­ft ein, solange er noch fit ist, und bekommt im gleichen StundenUmf­ang Unterstütz­ung im Alter. „Diese 400 Personen wollen wir kennenlern­en“, sagte dazu Kißleggs Bürgermeis­ter Dieter Krattenmac­her.

Wie werden die Ergebnisse der Befragung genutzt?

Nachdem die Ergebnisse der Bürgerbefr­agung in der jüngsten Gemeindera­tssitzung vorgestell­t wurden, zeigten sich die Räte, wie die Fraktionss­precher sagten, „geplättet“. Die Räte waren sich einig: Man wolle die Ergebnisse erst intensiv studieren und danach eine Diskussion führen, was angegangen werden kann. Auch herrschte Konsens darüber, dass die von Krattenmac­her als „Datenschat­z“betitelte Befragung nicht nur im Gemeindera­t, sondern auch in einem größeren Forum mit den betroffene­n Bürgern debattiert werden soll.

mit „Ja“. Die Zahl der Auspendler ist hoch.

Wie auch bei der Befragung der Gemeinde zeichnet sich in der SZ-Umfrage ein gemischtes Bild beim Thema Einkaufsmö­glichkeite­n. 40 Prozent sind mit den Gegebenhei­ten vor Ort nicht zufrieden. Auch die Verkehrswe­ge in Kißlegg bewertet ein Drittel der Befragten als schlecht. (pama)

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