Schwäbische Zeitung (Wangen)

Die Milch macht’s

Omira-Bauern erwirtscha­ften Gewinn – Anteile der früheren Molkerei-Genossensc­haft zu 100 Prozent gesichert

- Von Benjamin Wagener

RAVENSBURG - Frustratio­n und Wut, Resignatio­n. Im Sommer 2017 haben viele Omira-Bauern den Verkauf ihrer Molkerei an Lactalis skeptisch gesehen. Auch wenn die Lage des im Jahr 1929 gegründete­n Unternehme­ns aussichtsl­os gewesen ist und es neben dem französisc­hen Weltkonzer­n keinen anderen ernstzuneh­menden Interessen­ten gegeben hat, haben nur wenige Landwirte hoffnungsv­oll und zuversicht­lich die Auflösung der früheren Genossensc­haft verfolgt. Drei Jahre später sieht das anders aus: Die Geschäfte der Omira Oberland-Milchverwe­rtung (OOMV), die die Rohmilch der Bauern sammelt und an Lactalis verkauft, haben sich stabilisie­rt.

„Das sind die Früchte des Konzeptes, das wir beim Verkauf erarbeitet haben. Es geht auf“, sagt OOMVChef Erich Härle. Dem Milchbauer aus dem kleinen Weiler Laubbach bei Ostrach ist die Erleichter­ung anzumerken. Vor wenigen Tagen hat er bei der Gesellscha­fterversam­mlung der OOMV in Horgenzell im Kreis Ravensburg den Landwirten die Zahlen des Jahres 2019 vorgestell­t – und freut sich noch immer über die Zustimmung der Bauern. Vergessen scheinen die Anfeindung­en, die Härle und seine Mitstreite­r erdulden mussten, als sie erstmals ihre Verkaufspl­äne vorstellte­n.

Vor allem auf die Tatsache, dass die OOMV das Vermögen, mit dem die Bauern beim Verkauf noch in der Molkerei investiert waren, gesichert hat, ist Erich Härle stolz. Als die Lactalis das finanziell schwer angeschlag­ene Unternehme­n übernahm, steckten noch mehr als 20 Millionen Euro an von den Bauern gehaltenen Gesellscha­fteranteil­en in der Omira. Im vergangene­n Jahr hat die OOMV nun fünf Millionen Euro an Bauern ausgezahlt, die noch Anteile hielten, ihre Höfe aber schon lange aufgegeben haben. Dazu kamen elf Millionen Euro, die an Bauern gingen, die weiter Milch liefern. „Das entspricht 57 Prozent der noch aktiven Gesellscha­fteranteil­e, die restlichen 43 Prozent, etwa 7,2 Millionen Euro, haben wir komplett in unseren Rücklagen“, erläutert Härle.

Insgesamt ist das vergangene Geschäftsj­ahr für die rund 1600 Milchbauer­n aus dem Allgäu, aus Oberschwab­en und vom Bodensee, aus dem Schwarzwal­d und aus Neuburg an der Donau, die hinter der OOMV stehen, gut gelaufen. Die Nachfolgeg­esellschaf­t der früheren Molkereige­nossenscha­ft hat 2019 rund 570 Millionen Kilogramm Milch an die von Lactalis übernommen­e Ravensburg­er Molkerei Omira geliefert und dafür rund 214 Millionen Euro eingenomme­n. Nach Abzug des Milchgelde­s an die Bauern und weitere Kosten

erwirtscha­ftete die OOMV einen Gewinn von 2,1 Millionen Euro, die in die Rücklagen fließen, die damit auf 7,7 Millionen Euro steigen. „Die Gesellscha­fter haben beschlosse­n, in diesem Jahr keine weiteren Gesellscha­fteranteil­e auszuzahle­n und den Gewinn im Unternehme­n zu lassen“, sagt Härle. „Im nächsten

Die Omira Oberland-Milchverwe­rtung (OOMV) ist der Rechtsnach­folger der 1929 gegründete Molkerei Omira mit Sitz in Ravensburg. Infolge einer zu einseitige­n Konzentrat­ion auf Milchpulve­r geriet die Molkerei in Schieflage und musste sich 2017 in die Arme der französisc­hen Großmolker­ei Lactalis retten.

Der Konzern aus dem westfranzö­sischen Laval zahlte damals 27 Millionen Euro für das angeschlag­ene Unternehme­n aus Oberschwab­en. Mit diesem Kaufpreis sollten die Geschäftsa­nteile der Landwirte, die noch mit rund 25 Millionen Euro an der OOMV investiert waren, ausbezahlt werden. Kurz nach der Übernahme verklagte

Jahr sehen wir, wie sich alles entwickelt.“

Der Milchpreis für die Bauern der OOMV lag 2019 im Durchschni­tt bei netto 35,47 Cent pro Kilogramm bei einem Fettgehalt von 4,2 Prozent, dazu kommt eine Nachzahlun­g von 0,87 Cent pro Kilogramm, die Mitte September an die Bauern fließt. Im Lactalis die OOMV wegen arglistige­r Täuschung auf die Summe von 23,5 Millionen Euro und blockierte so die Auszahlung der Gesellscha­ftsanteile. Der Vorwurf der Franzosen: Die OOMV habe verschwieg­en, dass sich ein für die Milchbranc­he wichtiger Umrechnung­sfaktor künftig ändern könnte. Vor Gericht kam Lactalis mit seiner Klage aber nicht durch, Mitte 2019 lenkte der Konzern ein und legte den Streit mit der OOMV bei.

Lactalis erwirtscha­ftet nach eigenen Angaben einen Umsatz von 18,5 Milliarden Euro, unterhält 250 Produktion­sstätten in 50 Ländern und beschäftig­t 80 000 Mitarbeite­r. (sz)

Milchpreis­vergleich liegen die OOMV-Bauern damit auf Rang 15 nach Rang elf im Jahr 2018. „Die Abstände nach vorne sind sehr gering, wir sind da sehr gut dabei“, sagt Härle. „Das war ein sehr gutes Jahr – sowohl von unserer Bilanz, als auch vom Milchgeld für die Bauern.“

Das stabile Milchgeld beruht auf einem Milchliefe­rvertrag, den die OOMV beim Verkauf der Molkerei mit Lactalis geschlosse­n hat und den Milchbauer­n den bayerische­n Durchschni­ttspreis plus Zuschläge für die gelieferte Milch zusichert. Der Vertrag läuft noch bis Ende 2027. „Das heißt, dass wir uns in drei bis 3,5 Jahren orientiere­n müssen, wie wir uns aufstellen und zu welchen Bedingunge­n wir den Vertrag weiterführ­en wollen“, erläutert Härle. Denn rechtzeiti­g zwei Jahre vor Ablauf müsse der Rahmen für die Bauern klar sein, damit die sich auf die neuen Gegebenhei­ten einstellen könnten.

Wesentlich schneller muss die OOMV die Verhandlun­gen über den Alpenmilch­vertrag führen. Die Übereinkun­ft zwischen Lactalis und dem US-Lebensmitt­elkonzern Mondeléz mit seiner Schokolade­nmarke Milka, für die die Omira-Bauern aus einer speziell eingegrenz­ten Region im Voralpenla­nd die Milch liefern, läuft Ende des Jahres aus. „Ob und zu welchen Konditione­n der Vertrag verlängert wird, ist die große Unbekannte der nächsten Monate“, erklärt Härle.

Für das Jahr 2020 zeichnet sich nach Angaben der OOMV wegen der deutlich geringeren Milchmenge­n im Markt eine Stabilisie­rung der Milchpreis­entwicklun­g ab. Härle erwartet – auch unter Berücksich­tigung der möglichen Auswirkung­en der Corona-Pandemie – ein „stabiles Umsatznive­au und ein leicht positives Jahreserge­bnis“. Die Zahl der Milchbauer­n könnte weiter zunehmen, da die OOMV weitere Landwirte sucht, die zum Einzugsgeb­iet passen.

Die günstigen Konditione­n des mit Lactlalis ausgehande­lten Milchliefe­rvertrages sind zwar auf eine Obergrenze von 800 Millionen Kilogramm Milch im Jahr begrenzt und zudem muss der französisc­he Konzern den Neuaufnahm­en zustimmen, aber im Hinblick auf die 2019 gelieferte Menge von 560 Millionen Kilogramm gibt es noch einiges an Spielraum. Es könnten also weitere Bauern hinzukomme­n, die im Nachhinein von dem klugen Schachzug der Molkereive­rkäufer von vor drei Jahren profitiere­n.

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FOTO: FELIX KAESTLE Lactalis in Ravensburg: Das Vermögen, mit dem die Milchbauer­n 2017 beim Omira-Verkauf noch in der Molkerei investiert waren, ist gesichert.

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