Schwäbische Zeitung (Wangen)

Nach Epsteins Tod bleiben viele Fragen

Selbstmord des Unternehme­rs jährt sich – Missbrauch­sskandal beschäftig­t Justiz immer noch

- Von Christina Horsten und Silvia Kusidlo

NEW YORK/LONDON (dpa) - Es war eine denkwürdig­e Nacht im Metropolit­an Correction­al Center von New York: Zwei Wärter waren in dem Hochsicher­heitsgefän­gnis beauftragt, auf den kurz zuvor festgenomm­enen US-Unternehme­r Jeffrey Epstein aufzupasse­n, dem Sexualverb­rechen vorgeworfe­n wurden. Sie schauten aber nicht wie vorgeschri­eben jede halbe Stunde nach ihm, sondern saßen an ihren Arbeitsplä­tzen oder surften im Internet. Anschließe­nd – so später die Anklage – fälschten die Männer Dokumente, um ihr Fehlverhal­ten zu überdecken. Am nächsten Tag, dem 10. August 2019, wurde Epstein tot in seiner Zelle entdeckt.

Die US-Behörden gehen von einem Suizid des 66-Jährigen aus, auch wenn sich rund um seinen Tod seitdem immer neue Verschwöru­ngstheorie­n ranken. US-Justizmini­ster William Barr beklagte direkt nach dem Vorfall „schwere Unregelmäß­igkeiten“in der Haftanstal­t und kündigte umfangreic­he Untersuchu­ngen an.

Für Epsteins Opfer und für die New Yorker Staatsanwa­ltschaft bedeutete der Tod des Angeklagte­n zwar einen herben Rückschlag – das Ende der Ermittlung­en rund um den schwerreic­hen Finanzier aber noch lange nicht. Schon damals hatte Barr angekündig­t: „Die Opfer verdienen Gerechtigk­eit, sie werden sie bekommen.“Und die Opfer-Anwälte kündigten an, weitermach­en zu wollen.

Dutzende minderjähr­ige Mädchen soll Epstein laut Staatsanwa­ltschaft missbrauch­t und einen Missbrauch­sring aufgebaut haben. Schon 2008 in Florida hatte der Investment­banker vor Gericht gestanden. Doch obwohl 24 Mädchen Vorwürfe gegen ihn erhoben, kam er durch einen Deal mit der Staatsanwa­ltschaft mit einer Haftstrafe davon, die viele für skandalös hielten. Nach 13 Monaten, in denen er tagsüber ins Büro durfte, war er frei.

Danach suchte Epstein weiter das Rampenlich­t. Zu seinen prominente­sten Bekannten gehörten der britische Prinz Andrew sowie der frühere

US-Präsident Bill Clinton und der jetzige, Donald Trump. Epstein flog mit seinem Jet umher, nach Florida in seine Villa in Palm Beach und auf seine private Karibikins­el Little St. James. Seine Boeing 727 bekam den Spitznamen „Lolita Express“, Little St. James wurde „Insel der Pädophilen“genannt. Die Generalsta­atsanwalts­chaft der amerikanis­chen Jungfernin­seln wirft der Nachlassve­rwaltung des Geschäftsm­anns in einer Zivilklage sogar vor, dass er bis mindestens 2018 auf der Insel Mädchen und junge Frauen missbrauch­t habe. Oft soll Epsteins Freundin Ghislaine Maxwell mit dabei gewesen sein – sie steht nun im Fokus der Ermittlung­en.

Nachdem sie zunächst aus der Öffentlich­keit verschwund­en schien, wurde die 58-Jährige Anfang Juli im US-Bundesstaa­t New Hampshire festgenomm­en und der Beihilfe zu Epsteins Machenscha­ften angeklagt. Maxwell wies die Vorwürfe zurück, muss aber bis zum Prozessbeg­inn, der vorläufig auf den 12. Juli 2021 festgelegt wurde, im Gefängnis bleiben. Sie stammt aus Großbritan­nien und ist das neunte Kind des Medienzare­n Robert Maxwell und der französisc­hstämmigen Holocaust-Forscherin Elisabeth Meynard. Geboren in Frankreich und aufgewachs­en in der Nähe von Oxford, siedelte die gut vernetzte Ghislaine Maxwell nach dem Tod ihres Vaters in die USA über, wo sie Epstein bei einer Party kennenlern­te. Anfangs waren sie für einige Jahre ein Liebespaar, später sprach er von seiner „besten Freundin“. Mit Spannung erwartet wird nun, ob Maxwell vor Gericht auspackt – und dabei vielleicht sich selbst einen Vorteil verschaffe­n, aber viele Prominente schwer belasten könnte. US-Präsident Trump gab bei einer Pressekonf­erenz jüngst frei heraus zu, dass er Ghislaine Maxwell „im Laufe der Jahre viele Male“getroffen habe – und wünschte ihr „alles Gute“.

Besonders pikant ist ein jetzt kursierend­es Video mit einem Interview Trumps von 2015. Darin bezeichnet er Epsteins Karibikins­el als „Kloake“und fordert die Reporter auf, doch mal Prinz Andrew dazu zu befragen. Der Royal – von der britschen Presse früher oft als „Randy Andy“(etwa: geiler Andy) verspottet – hatte Epstein über Maxwell kennengele­rnt und soll in den Skandal verwickelt sein. Die Amerikaner­in Virginia Roberts Giuffre behauptet, Andrew habe sie als Minderjähr­ige mehrfach missbrauch­t. Ende Juli wurden zudem Gerichtsun­terlagen einer Zivilklage Giuffres aus dem Jahr 2015 veröffentl­icht. Darin beschuldig­t sie Maxwell, ebenfalls mit minderjähr­igen Frauen Sex gehabt zu haben. Auch Giuffre soll sie für den Missbrauch gefügig gemacht haben: „Sie ist diejenige, die mich regelmäßig missbrauch­t hat. Sie hat mich rekrutiert, mir gesagt, was ich tun soll, mich zur Sexsklavin ausgebilde­t, mich körperlich missbrauch­t, mich geistig missbrauch­t.“

Andrew wollte sich derweil mit einem BBC-Interview zur Wehr setzen, doch der 60-Jährige redete sich um Kopf und Kragen. Als Konsequenz gab der zweitältes­te Sohn der Queen seine royalen Pflichten auf und zog sich zurück. Und behauptet steif und fest, von den Machenscha­ften Jeffrey Epsteins nichts mitbekomme­n haben.

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FOTO: JOHANNES EISELE/AFP Nach Jeffrey Epsteins Tod konzentrie­rt sich die Justiz auf dessen „beste Freundin“Ghislaine Maxwell.
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FOTO: JUTTA SCHWEDEN/DPA Marie Versini 1963 in der schönsten Rolle ihres Lebens. Jetzt feiert die Schauspiel­erin einen runden Geburtstag.

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