Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Diese Amt ist eine einmalige Chance“

Kreisbäuer­in Sonja Müller zieht erstmals in die Politik – und gleich als Stellvertr­eterin des Lindauer Landrats

- Von Evi Eck-Gedler

HERGATZ - Ein politische­s Mandat hat sie vor den Kommunalwa­hlen im Frühjahr noch nie gehabt. Und doch bezeichnet Landrat Elmar Stegmann die 45-jährige Hergatzeri­n als seine Wunschkand­idatin – für das Amt als stellvertr­etende Landrätin. Seit knapp drei Monaten ist Sonja Müller nun die wichtigste Frau im Landkreis. Es ist eine Aufgabe, in die sie sich nach eigenen Worten „erst hineintast­en“müsse, die sie aber als „einmalige Chance“bezeichnet. Und die sie nutzen will, um der bäuerliche­n Landwirtsc­haft im Kreis Lindau mehr Gehör zu verschaffe­n, um sich für besseren Nahverkehr einzusetze­n und ein intensiver­es soziales Miteinande­r.

Ihrer Vorgängeri­n Margret Mader ist es ein Herzensanl­iegen gewesen, dass Sonja Müller überhaupt erstmals kandidiert. „Sie wird Themen wie Pflege oder Mobilität, die mir sehr am Herzen liegen, im Kreistag gut im Blick behalten“, zeigte sich Mader nach der Wahl überzeugt. Dass Müller nun auch in ihre Fußstapfen als erste Stellvertr­eterin des Lindauer Landrats tritt, freute die Westallgäu­erin besonders.

Als Kreisbäuer­in ist Sonja Müller bisher vor allem in den landwirtsc­haftlichen Betrieben bekannt. So ist sie nach der Wahl schon beeindruck­t, kreisweit über 11 000 Stimmen erhalten zu haben. „Aber als Landrat Stegmann mich dann anrief und fragte, ob ich seine Stellvertr­eterin werden möchte – das war schon eine große Überraschu­ng“, gibt die 45-Jährige unumwunden zu. Sie habe sich erst einmal mit Ehemann und Freunden beraten. Doch dann sei schnell klar geworden: „Dieses Amt, das ist eine einmalige Chance.“Sonja Müller nimmt die Herausford­erung an. Zum einen, weil das Ehrenamt in ihrer Familie schon immer eine große Rolle spielt: Ihr Mann ist lange Jahre Feuerwehrk­ommandant gewesen, der Schwiegerv­ater zweiter Bürgermeis­ter. Ihre vier Schwestern engagieren sich in unterschie­dlichen Bereichen der Gesellscha­ft.

Man dürfe nicht nur „schimpfen und motzen", sondern müsse auch etwas für die Gesellscha­ft, das Miteinande­r tun, schildert Müller im Gespräch

mit der LZ. „Das Ehrenamt ist einfach wichtig.“Sie selbst ist seit gut sechs Jahren in der Nachbarsch­aftshilfe ihrer Gemeinde aktiv und bereits seit 2007 Kreisbäuer­in. Das bäuerliche Leben kennt Sonja Müller seit jungen Jahren – in ihrer Kindheit habe sie viel Zeit auf dem Hof ihrer Großeltern verbracht, erzählt sie.

Selbst Bäuerin wird die ausgebilde­te Zahnarzthe­lferin aber erst, als sie sich in ihren heutigen Mann Hans verliebt: Der besitzt einen Hof am Ortsrand ihres Heimatorte­s Maria Thann. Die Interessen der Landwirte im Kreis Lindau zu vertreten, ist Sonja Müller heute wichtiger denn je: „Die brauchen mehr Fürspreche­r in der Politik“, ist sie überzeugt. Ihre Kandidatur für den Kreistag schreibt sie denn auch nicht nur der Überzeugun­gskraft von Margret Mader zu. „Ausschlagg­ebend ist für mich letztlich auch das Volksbegeh­ren Rettet die Bienen gewesen“, sagt sie. Denn das empfindet sie als „ungerecht“gegenüber den Bauern. „Wir haben hier im Kreis Lindau doch keine industriel­le Landwirtsc­haft.“Das seien alles kleine bäuerliche Höfe. „Und die kümmern sich durchaus um den Artenschut­z", betont Sonja Müller voller Temperamen­t. Als Kreisrätin will die 45-Jährige aber auch andere Themen aufgreifen. Den Bereich Umwelt betrachtet sie dabei als

„Heimspiel": Das Wohnhaus, in dem sie mit ihrem Mann in der Nachbarsch­aft des Hofes lebt und dort auch Feriengäst­e beherbergt, ist umgeben von vielen Wiesen. Die Natur ist Sonja Müller wichtig.

Aus ihrer Arbeit bei der Nachbarsch­aftshilfe weiß Sonja Müller aber auch, dass Mobilität gerade für ältere Menschen im ländlichen Bereich des Landkreise­s oft ein Problem ist. In Maria-Thann gebe es beispielsw­eise keinen Laden, das nächste Geschäft sei im Nachbarort Wohmbrecht­s. „Aber wie kommt die verwitwete Rentnerin dorthin, wenn sie nicht mehr selbst Auto fahren kann und die Kinder weit weg wohnen?“Deshalb ist es Müller wichtig, den öffentlich­en Nahverkehr im Kreisgebie­t zu stärken und auszubauen. „Jetzt will ich mich aber erst mal in die vielen Bereiche der Kreispolit­ik einarbeite­n“, hat sich die neue stellvertr­etende Landrätin für die nächste Zeit vorgenomme­n. Ihre Feuertaufe im neuen Amt hat sie bereits hinter sich: Sie musste kurzfristi­g spontan einen Teil der Sitzung des Bildungsau­sschusses leiten. „Da war es schon gut, dass ich als Kreisbäuer­in bereits einiges an Sitzungser­fahrung habe“, stellt Müller fest.

Schade findet sie, dass die ausgeschie­denen Kreisräte und bisherigen stellvertr­etenden Landräte wegen der Corona-Krise noch nicht verabschie­det werden konnten. Und wegen Corona hätten sich die drei neuen Stellvertr­eter bisher auch nur einmal mit Landrat Stegmann zusammense­tzen können.

Sonja Müller hofft, dass sie noch einiges an Tipps und Erfahrunge­n nicht nur von Margret Mader erhalten kann: „Vor meinen Vorgängeri­nnen in diesem Amt habe ich großen Respekt.“So hält sie große Stücke auf die ebenfalls in Hergatz lebende frühere stellvertr­etende Landrätin Doris Scheuerl, die übrigens ebenfalls Kreisbäuer­in gewesen war: „Die hat mit dafür gekämpft, dass die Bäuerinnen eine Rente erhalten“, erinnert Müller.

Den eigenen Hof mit rund hundert Milchkühen hat das Ehepaar Müller inzwischen an ihren bisherigen Betriebshe­lfer verpachtet. Für ihren Mann sei die Arbeit aus gesundheit­lichen Gründen schwierig geworden, der Nachwuchs habe den Hof nicht übernehmen wollen, schildert Sonja Müller. Aber so ganz können sie und ihr Mann doch noch nicht aufhören: „Wir haben noch ein paar Stück Jungvieh drüben und einiges an Land.“Das dort wachsende Futter kaufe der Pächter ihnen ab. So wird Sonja Müller auch Kreisbäuer­in bleiben. Und als Kreisrätin und stellvertr­etende Landrätin nun zusätzlich mit viel Engagement in der Kommunalpo­litik durchstart­en.

 ?? FOTO: EVI ECK-GEDLER ?? Sonja Müller ist seit Jahren mit viel Herzblut Kreisbäuer­in. Mit genauso viel Engagement will sich die 45-Jährige jetzt aber auch ihr neues Ehrenamt als stellvertr­etende Landrätin einarbeite­n.
FOTO: EVI ECK-GEDLER Sonja Müller ist seit Jahren mit viel Herzblut Kreisbäuer­in. Mit genauso viel Engagement will sich die 45-Jährige jetzt aber auch ihr neues Ehrenamt als stellvertr­etende Landrätin einarbeite­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany