Heiteres und Nachdenkliches in Deuchelried
Josef Brustmann erklärt alltägliche, philosophische und politische Zusammenhänge
DEUCHELRIED - Ein Abend mit Josef Brustmann ist immer etwas Besonderes. Am Freitagabend packte er im Deuchelrieder Dorfgemeinschaftshaus seine allseits beliebten Geschichten, Lieder und auch die unterschiedlichsten Instrumente aus. Das Publikum dankte es ihm mit Lachen, Staunen und Applaus.
Geht das überhaupt? Sich in einem Saal mit Corona-Minimalbestuhlung und mehreren leeren Sitzplätzen auf ein Kabarettprogramm einzulassen? Braucht es da nicht die schnuckelige Atmosphäre der Hägeschmiede mit dicht an dicht sitzenden Freunden der Kleinkunst? Kabarettist Josef Brustmann hat es am Freitagabend im Dorfgemeinschaftshaus Deuchelried gezeigt: Es geht. Zwei Stunden lang zeigte er ein Programm, das angefüllt war von ebenso Heiterem wie Nachdenklichem.
Brustmann, der eigentlich eher ein Humorist oder noch besser ein Schelm als ein Komiker genannt werden muss, macht es seinem Publikum leicht. Keine fünf Minuten dauert es, bis er es für sich eingenommen hat. Zur allgemeinen Erheiterung erzählt er von einer Frau, die nach einem seiner Auftritte zugab, „seit dem Tod des Mannes nicht mehr so gelacht zu haben“. Oder von den beiden zerstrittenen Bauern, von denen der eine versprach, am Sterbebett des anderen Frieden schließen zu wollen. Dem dann aber doch Bedenken kamen: „Was ist, wenn er danach nicht stirbt?“Überaus witzig und mit dem nötigen Spritzer Sarkasmus gestaltet sich auch der Weg des Künstlers hin zum Eintauchen in die Welt der Emanzipation. Drei Jahre lang warb er mit ungezählten Liebesbriefen um die Gunst einer schönen Venezianerin. Bis diese den Überbringer dieser Post heiratete.
Nächste Szene: Eva im Paradies ist nackt, hat nichts anzuziehen. Frau Brustmann ist das zwar nicht, hat sich aber in das dritte Paar roter Schuhe verguckt. Adam, beziehungsweise Josef, findet, dass man Ressourcen sparen sollte. Sie wirft ihm vor, dass er immer eingepackte Lebensmittel aus dem Supermarkt mitbringt. Dann der den Programmtitel erklärende Spruch: „Das Leben ist kurz, kauf die roten Schuh!“Das Fazit: Zum Herstellen des Gleichgewichts schmeißt sie ein paar alte Schuhe von ihm weg.
Zu Gitarre, Quetschkommode und Zither singt Josef Brustmann seine gefühlvollen, frechen, manchmal zungenbrecherischen Lieder. Und das Publikum folgt ihm zu Menschen und Begebenheiten, wie er sie sieht oder gerne sehen möchte. Darunter das „Es wird Abend in Texas“, womit die schießwütigen US-Amerikaner thematisiert werden. Entgegen anderer Beispiele endet dieser Song jedoch positiv: „Eine verirrte Kugel trifft Donald Trump – und das Lied ist aus!“Natürlich kann Brustmann die Flüchtlingswelle nicht an sich vorbeiziehen lassen. Er führt vor Augen:
„1880 sind eine Million Deutsche nach Amerika ausgewandert. Darunter auch der Vater von Trump. Haben wir ein Glück gehabt!“Wie er daran erinnert, dass Terence Hill Italiener ist, als Kind sächsisch gesprochen hat und überhaupt „immer schon ein Kommen und ein Gehen war“.
Ja, und dann sind da auch noch die mit viel Poesie umwehten Gesangsstücke: das Sommerlied vom Löwenzahn, die Hymne von der Holzscheite transportierenden Moldau und das unvergängliche „Sound of Silence“von Simon und
Garfunkel, wobei die Disco-Kugel ihre magischen Flecken an die Saaldecke malt. Doch der Vielbegabte kann auch anders: „Highway to Hell“von AC/DC auf der Zither ist eine Wahnsinnsnummer!
Besonders erwähnenswert vielleicht der Augenblick, in dem Josef Brustmann still auf der Bühne steht und so versonnen ins Weite blickt, als ob er die Erinnerungen an längst Vergangenes in die Jetztzeit zurückholen möchte. Und dann erzählt er von seiner sangesfreudigen Familie. Vom Großvater, der Solo in der Kirche und „überhaupt überall“gesungen hat. Von seiner Mutter, die sich am Abend mit den Mägden zum zwei- und dreistimmig Gesang getroffen hat, und von ihm selber, der bereits mit acht Jahren im Kirchenchor beim Alt mit dabei war.
Immer stiller wird es im Saal, als Brustmann die Zeit ohne Fernseher, die Familie als „Selbstunterhalter“und die Kinder als Sternsänger beschwört und feststellt: „Dann kam das Wirtschaftswunder und es gelangten Zehnmarkscheine in den Sammeltopf, aber die Heiligen Dreikönige wurden nicht mehr ins Haus gelassen.“
Brustmann gesteht, dass er „ganz kurz auch mal modern war“. So mit Haaren bis auf die Schultern und den Liedern von Wolf Biermann. Und man habe ihn, den Oberbayern, plötzlich „Jo“genannt. Ganz unmodern dann wieder die Zugabe: Es ist ein Lied mit dem selbstgebastelten Alphorn aus Mundstück, Schlauch und Trichter.