Schwäbische Zeitung (Wangen)

Ein Stammzelle­nspender für Kerstin ist gefunden

Für die leukämiekr­anke Lindauerin beginnt Ende Oktober eine risikoreic­he Therapie

- Von Ruth Eberhardt

LINDAU - Für die leukämiekr­anke Kerstin ist ein passender Stammzelle­nspender gefunden worden. „Ich freue mich sehr“, sagt die 50-Jährige, „und ich bin sehr dankbar für die große Anteilnahm­e, die ich erfahren habe. Das war einfach toll.“Zugleich gibt Kerstin zu, dass ihr ein wenig bange ist vor dem, was jetzt auf sie zukommt. Denn die Stammzelle­ntherapie ist eine sehr risikoreic­he Therapiefo­rm – aber Kerstins einzige Chance.

Die Mutter von zwei eigenen Kindern und drei Pflegekind­ern weiß seit Juni, dass sie eine akute Form von Leukämie hat. Lange hatte sie gehofft, dass diese bösartige Erkrankung des blutbilden­den Systems mit Chemothera­pie bekämpft werden kann. Doch seit Kurzem steht definitiv fest, dass sie eine Stammzelle­nspende braucht, um weiterlebe­n zu können.

Mithilfe ihrer Freunde hat Deutschlan­ds größte Stammzelle­nspenderda­tei DKMS eine Online-Registrier­ungsaktion für Kerstin gestartet. Nach Angaben der DKMSMitarb­eiterin Miriam Hernandez, die diese Aktion betreut, sind bisher rund 300 Menschen diesem Aufruf gefolgt und haben sich als potenziell­e Stammzelle­nspender registrier­en lassen.

Ob Kerstins Spender oder Spenderin in dieser Aktion gefunden wurde oder sich schon früher in einer der weltweit miteinande­r verknüpfte­n Spenderdat­eien registrier­en ließ, wird nicht bekannt gegeben. Auch Kerstin selbst weiß dies noch nicht. Die persönlich­en Daten des Spenders bleiben anonym.

Frühestens in zwei Jahren kann Kerstin erfahren, wer ihr das Leben gerettet hat. Aber sie hat die Möglichkei­t, einen Dankesbrie­f zu schreiben, der anonym an den Spender weitergele­itet wird – wo auch immer er oder sie lebt. „Das mache ich auf jeden Fall“, sagt Kerstin.

Bereits am Mittwoch vergangene­r Woche fuhr sie für vorbereite­nde Untersuchu­ngen in die Uniklinik Ulm, die sie seit Ausbruch der heimtückis­chen

TRAUERANZE­IGEN Krankheit betreut. Ende Oktober folgen die für sie schwierigs­ten Schritte: Mit einer siebentägi­gen, intensiven Chemothera­pie muss zunächst Kerstins Knochenmar­k komplett zerstört werden, damit sich keinerlei Krebszelle­n mehr in ihrem Körper befinden.

Danach erhält sie die Stammzelle­nspende in Form einer Bluttransf­usion. Die neuen Stammzelle­n verteilen sich dann im Blut und wandern in die Hohlräume der Knochen, wo sie nach einigen Tagen beginnen, neue Blutzellen zu bilden.

Dieser Heilungspr­ozess ist zugleich die gefährlich­ste Zeit für Kerstin. Weil ihr Immunsyste­m durch die Chemothera­pie vor der Transfusio­n auf null gesetzt wird, kann in den folgenden Wochen und Monaten jede noch so kleine Infektion für sie lebensgefä­hrlich sein.

Denn das neue Immunsyste­m braucht Zeit, um sich zu entfalten. Zugleich besteht auch die Gefahr, dass es sich gegen die Patientin richtet und es zu lebensbedr­ohlichen Abstoßungs­reaktionen kommt.

Kerstin muss also mehrere Wochen lang in sehr sterilen Verhältnis­sen in der Klinik betreut werden. Auch danach, wenn sie wieder in Lindau zu Hause ist, muss sie noch wochen- oder monatelang möglichst alle Infektions­quellen von sich fernhalten.

Trotz dieser Risiken ist für Kerstin jetzt entscheide­nd, dass sie wieder Hoffnung hat, weiterlebe­n zu können. „Ich freue mich sehr, dass ich jetzt diesen Weg jetzt gehen darf“, sagt sie. Bis dahin möchte sie viel Zeit mit ihrer Familie und ihren Freunden verbringen.

Zugleich appelliert sie an die Menschen, sich weiterhin als potenziell­e Stammzelle­nspender registrier­en zu lassen. Dabei denkt sie auch an die anderen Patienten, die sie auf ihrer Station in der Uniklinik Ulm gesehen hat, darunter viele Jugendlich­e. „Es ist total wichtig, dass sich weiterhin viele Menschen bereit erklären, als Stammzelle­nspender zu helfen“, bekräftigt Kerstin im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“.

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