Café Herzraum im „Ludwig-Steimle-Haus“?
Antrag auf Umbenennung des „Alten Bürgermeisterhauses“gestellt
AMTZELL (scb/sz) - Das Café Herzraum öffnet ab Mittwoch, 14. Oktober, im „Alten Bürgermeisterhaus“in der Haslacher Straße 16 seine Türen für Besucher. Als „Räume für das Füreinander-Miteinander von Jung und Alt im Dorf“wird die neue Einrichtung des Vereins Füreinander-Miteinander offiziell bezeichnet. Geschaffen wurden die barrierefreien Räume durch das Land Baden Württemberg, die Gemeinde Amtzell, durch Spender, durch viel Eigenleistung von Vereinsmitgliedern und einem erheblichem Eigenbetrag des Vereins.
Wegen der coronabedingten Beschränkungen traf sich in der vergangenen Woche bereits ein kleiner Kreis zur Eröffnung. Das große Fest mitsamt Einweihung soll es dann im nächsten Jahr geben. Ab Mittwoch sind erste Besucher eingeladen, wobei eine vorherige Anmeldung unter der Rufnummer 07520 / 9189754 notwendig ist.
Wie lange das neu bezogene Gebäude allerdings umgangssprachlich noch „Altes Bürgermeisterhaus“heißen wird, ist ungewiss. Paul Locherer, langjähriger Amtzeller Bürgermeister und Vorstand des Vereins „Füreinander – Miteinander in Amtzell“, hat bei der Gemeindeverwaltung einen Antrag auf Umbenennung des Gebäudes eingereicht. „Wir haben bei Bürgermeister Clemens Moll den Antrag gestellt, dieses Gebäude künftig in „Ludwig Steimle Haus“umzubenennen“, berichtet er auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“.
Ludwig Steimle war von 1914 bis 1933 einer der Vorgänger von Locherer und Moll als Amtzeller Bürgermeister, bevor er im Jahr 1933 vonseiten des Staatskommissariats in Stuttgart seines Amtes enthoben wurde. „Er hat sich in der Zeit vor 1933 sehr kritisch über den Nationalsozialismus geäußert und vor den Gefahren gewarnt“, erklärt Locherer. Sein „mutiges Einschreiten als Demokrat gegen den Nationalsozialismus“habe ihn schließlich, direkt nach der Machtergreifung der Nazis 1933, seine Anstellung in Amtzell gekostet.
Nach Kriegsende war Steimle dann noch kurze Zeit Bürgermeister der Stadt Ravensburg. Die Tatsache, dass er 1946, nach nur wenigen Monaten im Amt, festgenommen und wegen des Vorwurfs der Untreue und Begünstigung im Amt, Nötigung und Kriegswirtschaftsverbrechen angeklagt wurde, hatte jetzt jedoch kurzfristig Zweifel an seiner Eignung als Namenspatron für das Haus aufkommen lassen. Der Wikipedia-Eintrag zur Person endet mit der Feststellung der Anklage, der Ausgang des Prozesses ist hier bislang nicht vermerkt.
Ein Blick ins Archiv der „Schwäbischen Zeitung“Ravensburg aus dem Jahr 1948 sorgt aber für Aufklärung. Darin heißt es: „Die Beweisaufnahme, [...], ergab die Haltlosigkeit der Beschuldigungen, so dass Staatsanwalt Uttenweiler in drei Anklagepunkten auf einen Strafantrag verzichtete und im vierten Fall die Schuldfrage in das Ermessen des Gerichts stellte. Rechtsanwalt Dr. Dölzer erklärte die Beschuldigungen als Schlechtmacherei im Zusammenhang mit dem Wahlkampf und bat das Gericht, Steimle durch Freispruch seine Ehre wieder zu geben. Nach mehrstündiger Beratung erfolgte am Mittwochvormittag die Urteilsverkündigung: Der Angeklagte wird freigesprochen.“
Damit habe man laut Locherer die nötige Klarheit, um an dem Vorschlag Steimles als Namensgeber für das Haus in der Halslacher Straße 16 festhalten zu können. Im Gegenteil sei damit sogar bewiesen, dass Steimle „auch nach 1945 nochmals politisch und menschlich übel mitgespielt wurde“. Locherer kündigte an, auch den Wikipedia-Artikel um diese Tatsache erweitern zu wollen.
Grundsätzlich ist die langjährige politische Arbeit Steimles eine wichtige, jedoch nicht die einzige Verbindung des Altbürgermeisters zu Amtzell, die eine Umbenennung in „Ludwig Steimle Haus“rechtfertigen würde. Auch die Tatsache, dass das „Alte Bürgermeisterhaus“1925 unter Steimles Führung überhaupt erst errichtet wurde, und dass eben jener Steimle im Jahr 1921 den Amtzeller Krankenpflegeverein gegründet hat, aus dem Jahrzehnte später der Verein „Füreinander - Miteinander in Amtzell“hervorgegangen ist, sprechen für eine solche Würdigung. Eine Tafel am Haus soll künftig auf das Leben und Wirken Steimles hinweisen.
Die Namensänderung würde „auch eine späte Rehabilitierung von Bürgermeister Ludwig Steimle bedeuten“, schreibt Locherer daher in seinem Antrag an Clemens Moll. Dieser habe die Idee sehr wohlwollend aufgenommen und angekündigt, sie dem Gemeinderat vorzustellen. „Er hat uns versichert, voll und ganz hinter dem Anliegen zu stehen“, freut sich Locherer.
Neben der Wiedereröffnung von Café und Treffpunkt stellt der Verein „Füreinander - Miteinander in Amtzell“am Mittwoch auch sein neues „Netzwerk Alna“vor. Alna steht für „Amtzell lässt niemand allein“und soll eine Anlaufstelle für all diejenigen bieten, die Unterstützung bei Problemen jeglicher Art benötigen. Das Angebot ist kostenfrei.
Für einen ersten Kontakt zum „Netzwerk Alna“bietet das Team an, im Büro in der Haslacher Strasse 16 persönlich vorbei zu schauen (bitte an eine MundNasen-Bedeckung denken). Die Bürozeiten sind immer donnerstags und freitags von 8.30 bis 11.30 Uhr. Zudem ist das Team unter alna@fm-amtzell.de und unter der Telefonnummer 07520 / 9189754 (Anrufbeantworter) erreichbar. Zusätzlich wird das Büro auch während der Öffnungszeiten des Cafés geöffnet sein. Die Café-Öffnungszeiten sind zukünftig immer mittwochs von 14 bis 17 Uhr und donnerstags von 8.30 bis 11.30 Uhr. Um eine telefonische Anmeldung wird gebeten.