Schwäbische Zeitung (Wangen)

Breitbanda­usbau: Lernobjekt „explodiert“auf 233 000 Euro

Kißlegger Gemeinderä­te kritisiere­n Zusammenar­beit mit Zweckverba­nd – Millionenf­örderung vom Bund bewilligt

- Von Bastian Schmidt

KISSLEGG - Die positive Nachricht vorweg: Für das „Jahrhunder­tprojekt“Breitbanda­usbau im ländlichen Raum Kißlegg hat der Zweckverba­nd Breitbandv­ersorgung im Landkreis Ravensburg vor wenigen Tagen einen vorläufige­n Bescheid über die Förderung durch den Bund in Höhe von fast 17 Millionen Euro erhalten. Der starke Anstieg der gemeindlic­hen Kosten bei der bereits abgeschlos­senen Kabelverle­gung auf der Strecke von Kißlegg nach Dürren sorgt unter den Gemeinderä­ten derweil für Ärger.

„Wir haben hier ein sehr kostspieli­ges Lernobjekt“fasste Kißleggs Kämmerer Roland Kant die Situation zusammen. Ein 250 000 Euro teures Lernobjekt, um genau zu sein. Denn soviel mehr als ursprüngli­ch angenommen kostet die Gemeinde die Verlegung der etwa sieben Kilometer langen Kabelstrec­ke von Kißlegg nach Dürren. Im Jahr 2017 waren für die Arbeiten 367 700 Euro veranschla­gt, 289 000 Euro wurden vom Land Baden-Württember­g als Festbetrag gefördert, von den verbleiben­den 78 000 Euro wurden 50 000 Euro vom Zweckverba­nd Ikowa übernommen, weitere 20 000 Euro durch die Brauerei Farny. Im besten Fall hätte sich die Gemeinde also nur mit knapp 10 000 Euro an dem Projekt beteiligen müssen.

Allerdings stellte sich schnell heraus, dass der mit der Abwicklung und Ausschreib­ung betreute Zweckverba­nd Breitbandv­ersorgung in einigen Fällen „zu optimistis­che Annahmen“getroffen habe, wie es Kißleggs Bürgermeis­ter Dieter Krattenmac­her ausdrückt. Im Klartext waren es vor allem Streitigke­iten mit Grundstück­seigentüme­rn, die entweder der günstigen Pflugbauwe­ise oder in anderen Fällen auch der teureren offenen Bauweise auf ihrem Grund nicht zustimmten. Manche untersagte­n auch gänzlich die Nutzung ihres Grundstück­s und verlängert­en oder verkompliz­ierten den Bau der Trasse damit zusehens.

Doch nicht nur in der Kommunikat­ion mit privaten Grundstück­seigentüme­rn gab es Probleme, teilweise musste die Trasse kurzfristi­g umgeplant werden, weil der Versorgung­sträger dem geplanten Verlauf nicht zustimmte oder Bestandspl­äne nicht mit den Gegebenhei­ten vor Ort übereinsti­mmten. Die Leerrohre für die Querung der A 96 lagen beispielsw­eise nicht wie erwartet in 2,5 Metern Tiefe, sondern rund sieben Meter unter der Erde. Alles in allem wuchsen die Gesamtkost­en in den vergangene­n drei Jahren auf mehr als 500 000 Euro an. Da der Zuschuss des Landes gemäß der 2016 gültigen Förderrich­tlinien aber als Festbetrag bestand, wuchs dadurch nur die Eigenbetei­ligung der Gemeinde – mit der nun vorgelegte­n Abschlussz­ahlung von noch einmal 38 000 Euro auf insgesamt rund 233 000 Euro.

Naturgemäß machte sich unter den Räten angesichts der Kostenexpl­osion Unmut breit, nachdem Kämmerer Kant erklärte, dass man diese Summe „zähneknirs­chend“zahlen müsse, da alle Leistungen bereits erbracht worden seien. „Der Zweckverba­nd hat sich durch diese Arbeit disqualifi­ziert“, ärgerte sich Detlef Radke, Fraktionsv­orsitzende­r der Freien Wähler. Der Gemeindera­t habe keinen Zwischenbe­richt bekommen und müsse „die Kröte nun schlucken“, so Radke. Kritik für dieses Vorgehen kam aus allen Fraktionen. Der SPD-Fraktionsv­orsitzende Josef Kunz stellte sogar die Frage, ob die Gemeinde es wagen könne, gemeinsam mit dem Zweckverba­nd das 40 Millionen-Projekt des gesamten Breitbanda­usbau in Kißlegg anzugehen. Die pauschale Kritik am vorgehen des Zweckverba­nds wollte Kißleggs Bürgermeis­ter auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“so nicht stehen lassen. Es seien an verschiede­nen Stellen Fehler gemacht worden und ein Teil der Mehrkosten resultiert­en zudem aus der zusätzlich­en Anbindung des Gewerbegeb­iets Zaisenhofe­n. Mit Blick auf das bevorstehe­nde Jahrhunder­tprojekt versprach Krattenmac­her eine „definitiv andere Herangehen­sweise“. Die Dimensione­n des Projekts, mit aktuell geschätzte­n vier Millionen Euro Eigenbetei­ligung der Gemeinde, würden ein nachträgli­ches „Hin und Her“der Betroffene­n nicht mehr zulassen. „Wir werden jeden einzelnen fragen, ob er den Anschluss an sein Haus möchte oder nicht. Wer ja sagt, ist dabei, wer nein sagt, eben nicht“, so Krattenmac­her.

Die kürzlich erhaltene Förderung durch Bundesmitt­el entspricht knapp 50 Prozent der kalkuliert­en Gesamtsumm­e, die nötig sein wird, um unterverso­rgte Adressen rund um Kißlegg mit circa 150 Kilometern Glasfaserk­abel direkt an das Gigabitnet­z anzuschlie­ßen. Weitere 40 Prozent der Gesamtkost­en werden über Landesförd­ermittel abgedeckt, sodass der zu zahlende Anteil der Gemeinde bei etwa vier Millionen Euro liegen wird. Eine noch immer enorm große Summe, von der die Verwaltung bis heute noch nicht konkret weiß, wie sie zu stemmen sein soll. „Da werden vermutlich noch Ende diesen Jahres schwere Entscheidu­ngen auf uns zukommen, die den Gemeindeha­ushalt auf Jahre beeinfluss­en werden. Das wird mit ein bisschen Sparen an anderer Stelle nicht zu bewerkstel­ligen sein“, stimmte Bürgermeis­ter Dieter Krattenmac­her seine Kollegen in der Gemeindera­tssitzung am Mittwochab­end darauf ein.

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