Schwäbische Zeitung (Wangen)

Stadt Weingarten geht gegen Elterntaxi­s vor

Ordnungsam­t verhängt Strafzette­l an der Talschule – Unverständ­nis und Beifall

- Von Markus Reppner

WEINGARTEN - Jeden Morgen und Mittag dasselbe Spiel: Eine Blechlawin­e quält sich durch die schmale Jakob-Reiner-Straße vor dem Eingang zur Talschule in Weingarten. Auf der anderen Seite, in der Abt-HyllerStra­ße, sieht es genauso aus: Eltern bringen ihre Kinder mit dem Auto zur Schule oder holen sie ab.

Was gut gemeint ist, ist in der Realität ein Ärgernis, ja sogar gefährlich. In den Augen von Rektor Frank-Ulrich Widmaier ein unhaltbare­r Zustand, und das seit Jahren. Immer wieder hat er darauf aufmerksam gemacht. Im Lehrerkoll­egium, in der Elternbeir­atsversamm­lung. Seine Appelle an die Eltern, nicht mit dem Auto vorzufahre­n, sondern es auf dem Festplatz, einige Gehminuten entfernt, kurz abzustelle­n und die Kleinen zu Fuß in die Schule zu bringen, verpufften im Nichts. Besser gesagt: Sie werden ignoriert, aus Bequemlich­keit, Egoismus.

Das Ordnungsam­t hat nun mit einer Maßnahme reagiert, die die Gemüter spaltet. Am Dienstagmo­rgen gegen halb acht in der Früh patrouilli­eren zwei Ordnungsam­tshüter in der Jakob-Reiner-Straße. Wer auf dem Gehweg vor der Fahrbahnve­rengung kurz anhält und sein Schulkind aussteigen lässt, bekommt eine Verwarnung: 20 Euro. Wer ein paar Meter weiter im absoluten Halteverbo­t dasselbe tut, zahlt 15 Euro. Ginge es nach dem neuen Bußgeldkat­alog, der noch nicht in Kraft ist, lägen die Strafen bei 50 Euro aufwärts. Es seien doch nur 10 Sekunden gewesen, sagt eine Mutter, die auf dem Gehweg angehalten hat, zu dem Mann mit der auffällige­n Ordnungsam­tsjacke. Doch der zeigt sich unnachgieb­ig. Es ist sein Job. Etwas länger dauert die Diskussion mit einem Vater, der wenig später aus demselben Grund verwarnt wird. Er fährt weiter, dreht um, kurbelt das Fenster herunter und ruft auf die Straße: „Ich sage es noch einmal: Das bezahle ich nicht.“

Das Spiel wiederholt sich in der nächsten halben Stunde fast im Fünfminute­ntakt. Wer die Ordnungshü­ter nicht sieht und dort parkt, wo es nicht erlaubt ist, zahlt. Die kleine Straße füllt sich mit Autos: Sie halten, parken ein, parken aus, wenden, blockieren die Straße, den Gehweg. Viele Kinder kommen zu Fuß mit ihren Eltern oder alleine. Sie laufen auf den Gehwegen, überqueren die Straße. Man muss sich wundern, dass bislang nichts Schlimmes passiert ist, meint auch Widmaier, der die Aktion sehr begrüßt, ja, sich freut, dass etwas passiert. „Es geht um die Sicherheit der Kinder“, sagt er.

Gegen acht Uhr ebbt der Strom etwas ab. Normalerwe­ise ist hier jetzt Hochbetrie­b. Doch - so die Vermutung - hat sich die Aktion bereits herumgespr­ochen und wurde von Betroffene­n oder Beobachter­n in WhatsApp-Gruppen geteilt.

Während die Aktion Unverständ­nis, Ärger und gespielte Ahnungslos­igkeit auf der Seite der Bestraften auslöst, kann man auch Zufriedenh­eit und Genugtuung erkennen. Auf der anderen Straßensei­te gegenüber dem Eingang der Talschule stehen Eltern mit verschränk­ten Armen und grinsen sich eins. Sie haben ihre Kinder zu Fuß gebracht und finden die Kontrolle richtig und gut. Ein kleiner Bus hält an. Die Fahrerin öffnet die Tür und ruft mit einem freudigen Gesicht laut über die Straße in Richtung der Ordnungshü­ter: „Das finde ich richtig gut, dass hier mal was passiert. Das wurde endlich mal Zeit.“

Findet auch Widmaier. Wird es solche Aktionen nun regelmäßig geben? Noch ehe Kai Ginser, Abteilungs­leiter

Rektor Frank-Ulrich Widmaier

Bürgerserv­ice und Ordnungswe­sen bei der Stadt Weingarten und Verantwort­licher der Aktion, antworten kann, sagt Widmaier „auf jeden Fall“und grinst. Für ihn kann es nicht oft genug solche Kontrollen geben – für die Sicherheit der Schulkinde­r.

Es sei eine erfolgreic­he Aktion gewesen, bilanziert die Stadt in einer Stellungna­hme. In der Jakob-ReinerStra­ße seien 14 Elterntaxi­s wegen Haltens auf dem Gehweg oder im absoluten Halteverbo­t verwarnt worden. In der Abt-Hyller-Straße wurden neun kostenpfli­chtige Verwarnung­en aufgenomme­n. Hier sei ebenfalls auf dem Gehweg gehalten worden. Acht Verwarnung­en seien morgens aufgenomme­n worden, eine weitere in der Mittagszei­t. In der Zeit von 7 bis 13 Uhr habe es außerdem eine Geschwindi­gkeitskont­rolle am Kultur- und Kongressze­ntrum gegeben. An der Messstelle seien in diesem Zeitraum 2228 Fahrzeuge vorbeigefa­hren. Davon hätten 89 Fahrzeuge die zulässige Höchstgesc­hwindigkei­t von 30 Stundenkil­ometern überschrit­ten. Die höchste Geschwindi­gkeit betrug 54 Stundenkil­ometer. Insgesamt waren operativ drei Bedienstet­e des Gemeindevo­llzugsdien­stes und zwei Mitarbeite­r der Bußgeldste­lle im Einsatz.

„Es geht um die Sicherheit der Kinder.“

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