Stadt Weingarten geht gegen Elterntaxis vor
Ordnungsamt verhängt Strafzettel an der Talschule – Unverständnis und Beifall
WEINGARTEN - Jeden Morgen und Mittag dasselbe Spiel: Eine Blechlawine quält sich durch die schmale Jakob-Reiner-Straße vor dem Eingang zur Talschule in Weingarten. Auf der anderen Seite, in der Abt-HyllerStraße, sieht es genauso aus: Eltern bringen ihre Kinder mit dem Auto zur Schule oder holen sie ab.
Was gut gemeint ist, ist in der Realität ein Ärgernis, ja sogar gefährlich. In den Augen von Rektor Frank-Ulrich Widmaier ein unhaltbarer Zustand, und das seit Jahren. Immer wieder hat er darauf aufmerksam gemacht. Im Lehrerkollegium, in der Elternbeiratsversammlung. Seine Appelle an die Eltern, nicht mit dem Auto vorzufahren, sondern es auf dem Festplatz, einige Gehminuten entfernt, kurz abzustellen und die Kleinen zu Fuß in die Schule zu bringen, verpufften im Nichts. Besser gesagt: Sie werden ignoriert, aus Bequemlichkeit, Egoismus.
Das Ordnungsamt hat nun mit einer Maßnahme reagiert, die die Gemüter spaltet. Am Dienstagmorgen gegen halb acht in der Früh patrouillieren zwei Ordnungsamtshüter in der Jakob-Reiner-Straße. Wer auf dem Gehweg vor der Fahrbahnverengung kurz anhält und sein Schulkind aussteigen lässt, bekommt eine Verwarnung: 20 Euro. Wer ein paar Meter weiter im absoluten Halteverbot dasselbe tut, zahlt 15 Euro. Ginge es nach dem neuen Bußgeldkatalog, der noch nicht in Kraft ist, lägen die Strafen bei 50 Euro aufwärts. Es seien doch nur 10 Sekunden gewesen, sagt eine Mutter, die auf dem Gehweg angehalten hat, zu dem Mann mit der auffälligen Ordnungsamtsjacke. Doch der zeigt sich unnachgiebig. Es ist sein Job. Etwas länger dauert die Diskussion mit einem Vater, der wenig später aus demselben Grund verwarnt wird. Er fährt weiter, dreht um, kurbelt das Fenster herunter und ruft auf die Straße: „Ich sage es noch einmal: Das bezahle ich nicht.“
Das Spiel wiederholt sich in der nächsten halben Stunde fast im Fünfminutentakt. Wer die Ordnungshüter nicht sieht und dort parkt, wo es nicht erlaubt ist, zahlt. Die kleine Straße füllt sich mit Autos: Sie halten, parken ein, parken aus, wenden, blockieren die Straße, den Gehweg. Viele Kinder kommen zu Fuß mit ihren Eltern oder alleine. Sie laufen auf den Gehwegen, überqueren die Straße. Man muss sich wundern, dass bislang nichts Schlimmes passiert ist, meint auch Widmaier, der die Aktion sehr begrüßt, ja, sich freut, dass etwas passiert. „Es geht um die Sicherheit der Kinder“, sagt er.
Gegen acht Uhr ebbt der Strom etwas ab. Normalerweise ist hier jetzt Hochbetrieb. Doch - so die Vermutung - hat sich die Aktion bereits herumgesprochen und wurde von Betroffenen oder Beobachtern in WhatsApp-Gruppen geteilt.
Während die Aktion Unverständnis, Ärger und gespielte Ahnungslosigkeit auf der Seite der Bestraften auslöst, kann man auch Zufriedenheit und Genugtuung erkennen. Auf der anderen Straßenseite gegenüber dem Eingang der Talschule stehen Eltern mit verschränkten Armen und grinsen sich eins. Sie haben ihre Kinder zu Fuß gebracht und finden die Kontrolle richtig und gut. Ein kleiner Bus hält an. Die Fahrerin öffnet die Tür und ruft mit einem freudigen Gesicht laut über die Straße in Richtung der Ordnungshüter: „Das finde ich richtig gut, dass hier mal was passiert. Das wurde endlich mal Zeit.“
Findet auch Widmaier. Wird es solche Aktionen nun regelmäßig geben? Noch ehe Kai Ginser, Abteilungsleiter
Rektor Frank-Ulrich Widmaier
Bürgerservice und Ordnungswesen bei der Stadt Weingarten und Verantwortlicher der Aktion, antworten kann, sagt Widmaier „auf jeden Fall“und grinst. Für ihn kann es nicht oft genug solche Kontrollen geben – für die Sicherheit der Schulkinder.
Es sei eine erfolgreiche Aktion gewesen, bilanziert die Stadt in einer Stellungnahme. In der Jakob-ReinerStraße seien 14 Elterntaxis wegen Haltens auf dem Gehweg oder im absoluten Halteverbot verwarnt worden. In der Abt-Hyller-Straße wurden neun kostenpflichtige Verwarnungen aufgenommen. Hier sei ebenfalls auf dem Gehweg gehalten worden. Acht Verwarnungen seien morgens aufgenommen worden, eine weitere in der Mittagszeit. In der Zeit von 7 bis 13 Uhr habe es außerdem eine Geschwindigkeitskontrolle am Kultur- und Kongresszentrum gegeben. An der Messstelle seien in diesem Zeitraum 2228 Fahrzeuge vorbeigefahren. Davon hätten 89 Fahrzeuge die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 Stundenkilometern überschritten. Die höchste Geschwindigkeit betrug 54 Stundenkilometer. Insgesamt waren operativ drei Bedienstete des Gemeindevollzugsdienstes und zwei Mitarbeiter der Bußgeldstelle im Einsatz.
„Es geht um die Sicherheit der Kinder.“