Wie ein Memminger Kinder besser schützen will
Der Missbrauchsfall von Bergisch Gladbach hat den Memminger Martin Raab schockiert – Er will, dass Sexualstraftäter künftig in einer öffentlichen Datenbank erfasst werden
MEMMINGEN - Lancieren bedeutet, etwas in die Öffentlichkeit zu bringen. Eine Schlagzeile gewissermaßen. Für einige davon sorgte im vergangenen Jahr der Missbrauchsskandal in Bergisch Gladbach. Ein Mann soll seine Tochter bereits im Alter von drei Monaten erstmals missbraucht haben, die Taten gefilmt und ins Internet gestellt haben. Vor Kurzem wurde er zu zwölf Jahren Haft verurteilt.
Bei den Ermittlungen dazu stießen Polizisten auf ein riesiges Netzwerk von Pädophilen und Kriminellen. Es gibt 30 000 Datenspuren wie IP-Adressen und Tarnnamen zu einer unbekannten Anzahl an Verdächtigen. Diese Aussage ließ den Memminger Martin Raab nicht in Ruhe. „Auf gut Deutsch heißt das: Es gibt weitaus mehr Kinder-Gefährder als angenommen und sie sind näher an unseren Kindern dran, als wir denken.“Für Raab steht deshalb fest, dass neben den Taten noch etwas anderes lanciert, also in die Öffentlichkeit gebracht werden muss: die Namen der Straftäter.
Geschehen soll dies durch eine öffentlich einsehbare Datenbank, in der verurteilte Sexualstraftäter aufgeführt sind. Somit könnten Eltern, laut Raab, der selbst Vater eines Kindes ist, „bei einem komischen Gefühl oder per se immer fremde neue Personen online checken, die alleine oder nahezu alleine Umgang und Zugang zu Kindern bekommen oder suchen“. Um das zu erreichen, startete der 41-Jährige die Petition „Lancierung bundesweiter Online-Datenbank zu Straftätern wegen Kindesmissbrauchs“an den Deutschen Bundestag. „Die Initiative ist der logische Schritt, um nicht noch länger solchen Horror-Schlagzeilen hilflos entgegenzusehen“, sagt er.
Eine Petition, also eine Bitte oder Beschwerde, darf nach Artikel 17 des Grundgesetzes jeder Deutsche an das Parlament, den Bundespräsidenten und Behörden verfassen. Der Empfänger ist verpflichtet, eine solche Petition zu beantworten. Im Bundestag gibt es dafür eigens einen Petitionsausschuss. Eine Antwort bedeutet freilich nicht, dass der Petition zugestimmt wird. Allerdings gibt es viele Petitionen, die ihr Ziel erreicht haben. So beschloss der Bundestag vor etwa einem Jahr beispielsweise, die Steuer auf Tampons und Binden von 19 Prozent auf sieben Prozent zu senken. Eine entsprechende Petition hatten mehr als 190 000 Menschen unterzeichnet. Unterstützerunterschriften sammelte auch Martin Raab. Dazu veröffentlichte er die Petition auf der Website openpetition.de. Dort konnten Gleichgesinnte sein Anliegen unterstützen, mit ihm in Kontakt treten und Verbesserungsvorschläge einreichen. „Es gab viele, die mir kurze Mutmach-E-Mails geschrieben haben und das Anliegen unterstützen“, erzählt Raab.
Petitionen, die innerhalb von vier Wochen mehr als 50 000 Unterstützer haben, werden in einer Sitzung des Petitionsausschusses öffentlich beraten. Die Petition von Martin Raab unterstützten 47 Menschen, dann reichte der Initiator sie offiziell beim Petitionsausschuss des Bundestags ein. Gehofft hatte Raab auf 80 bis 100 Unterstützer seiner Forderung.
Neu ist die Idee einer Datenbank, wie sie Raab fordert, nicht. In den USA gibt es sie bereits seit Langem, Polen führte sie 2018 ein. Gerade das System der Vereinigten Staaten kenne er gut, sagt Raab. Er arbeitet in der Finanzbranche für ein Schweizer Unternehmen, ist beruflich seit 14 Jahren regelmäßig im Süden der USA tätig. „Dort ist es nicht unüblich, dass die Vor- und Nachnamen von Zuzüglern in der Nachbarschaft auch mal durch die einschlägigen Online-Datenbanken gejagt werden“, sagt der gelernte Bankkaufmann. Das führt seiner Meinung nach dazu, dass Eltern „eine klipp und klare Einschätzung darüber erhalten, ob ein Wolf im Schafspelz in der Nähe ihrer Kinder lauert“.
Drei Wochen, nachdem er seine Petition beim Bundestag eingereicht hatte, erhielt Martin Raab Post aus Berlin. In dem Schreiben, das der „Memminger Zeitung“vorliegt, wird die Petition zur Einrichtung der Datenbank abgewiesen. Eine solche Forderung sei bereits früher Gegenstand einer Petition gewesen und damals schon abgelehnt worden, heißt es darin.
Raab will diese Antwort nicht einfach so akzeptieren. „Sie ist viel zu sehr auf den Täterschutz gemünzt und sehr tendenziös“, findet er. Eine Antwort an den Petitionssauschuss hat er bereits verfasst.
Raab ist Realist. Er weiß, dass er mit seiner Petition vermutlich nicht die gewünschte Gesetzesänderung erreichen wird. Es deshalb gar nicht erst zu probieren, komme für ihn aber nicht in Frage. Neben seiner Petition suchte er deshalb auch den Kontakt zu Politikern. Das griffigste Feedback habe er vom Allgäuer CSU-Bundestagsabgeordneten Stephan Stracke erhalten. „Inhaltlich treibt uns als CSU das Thema, das Herr Raab angesprochen hat, schon lange um“, teilt Stracke, familienpolitischer Sprecher der CSU im Bundestag, mit. Deshalb wolle seine Partei etwa, dass eine Verurteilung wegen Kindesmissbrauch lebenslang in das erweiterte Führungszeugnis eingetragen wird. Bisher werden derartige Einträge dort nach zehn Jahren gelöscht. „Herr Raab unterstreicht mit seiner Petition die Notwendigkeit zum Handeln und macht konkrete Vorschläge. Das begrüße ich sehr“, teilt Stracke mit.
Raab sieht den Vorschlag der CSU als ersten Erfolg seiner Bemühungen. „Das ist noch lange kein Transparenz-Standard auf Niveau einer Straftäter-Datenbank, aber immerhin ein erster Schritt.“Er glaube, dass es in den nächsten Jahren eine weitaus größere Öffentlichkeit dafür geben werde, den Täterschutz zurückzufahren – und dann vielleicht doch die Einführung einer Datenbank Schlagzeilen machen wird.