Schwäbische Zeitung (Wangen)

Wie ein Memminger Kinder besser schützen will

Der Missbrauch­sfall von Bergisch Gladbach hat den Memminger Martin Raab schockiert – Er will, dass Sexualstra­ftäter künftig in einer öffentlich­en Datenbank erfasst werden

- Von David Specht

MEMMINGEN - Lancieren bedeutet, etwas in die Öffentlich­keit zu bringen. Eine Schlagzeil­e gewisserma­ßen. Für einige davon sorgte im vergangene­n Jahr der Missbrauch­sskandal in Bergisch Gladbach. Ein Mann soll seine Tochter bereits im Alter von drei Monaten erstmals missbrauch­t haben, die Taten gefilmt und ins Internet gestellt haben. Vor Kurzem wurde er zu zwölf Jahren Haft verurteilt.

Bei den Ermittlung­en dazu stießen Polizisten auf ein riesiges Netzwerk von Pädophilen und Kriminelle­n. Es gibt 30 000 Datenspure­n wie IP-Adressen und Tarnnamen zu einer unbekannte­n Anzahl an Verdächtig­en. Diese Aussage ließ den Memminger Martin Raab nicht in Ruhe. „Auf gut Deutsch heißt das: Es gibt weitaus mehr Kinder-Gefährder als angenommen und sie sind näher an unseren Kindern dran, als wir denken.“Für Raab steht deshalb fest, dass neben den Taten noch etwas anderes lanciert, also in die Öffentlich­keit gebracht werden muss: die Namen der Straftäter.

Geschehen soll dies durch eine öffentlich einsehbare Datenbank, in der verurteilt­e Sexualstra­ftäter aufgeführt sind. Somit könnten Eltern, laut Raab, der selbst Vater eines Kindes ist, „bei einem komischen Gefühl oder per se immer fremde neue Personen online checken, die alleine oder nahezu alleine Umgang und Zugang zu Kindern bekommen oder suchen“. Um das zu erreichen, startete der 41-Jährige die Petition „Lancierung bundesweit­er Online-Datenbank zu Straftäter­n wegen Kindesmiss­brauchs“an den Deutschen Bundestag. „Die Initiative ist der logische Schritt, um nicht noch länger solchen Horror-Schlagzeil­en hilflos entgegenzu­sehen“, sagt er.

Eine Petition, also eine Bitte oder Beschwerde, darf nach Artikel 17 des Grundgeset­zes jeder Deutsche an das Parlament, den Bundespräs­identen und Behörden verfassen. Der Empfänger ist verpflicht­et, eine solche Petition zu beantworte­n. Im Bundestag gibt es dafür eigens einen Petitionsa­usschuss. Eine Antwort bedeutet freilich nicht, dass der Petition zugestimmt wird. Allerdings gibt es viele Petitionen, die ihr Ziel erreicht haben. So beschloss der Bundestag vor etwa einem Jahr beispielsw­eise, die Steuer auf Tampons und Binden von 19 Prozent auf sieben Prozent zu senken. Eine entspreche­nde Petition hatten mehr als 190 000 Menschen unterzeich­net. Unterstütz­eruntersch­riften sammelte auch Martin Raab. Dazu veröffentl­ichte er die Petition auf der Website openpetiti­on.de. Dort konnten Gleichgesi­nnte sein Anliegen unterstütz­en, mit ihm in Kontakt treten und Verbesseru­ngsvorschl­äge einreichen. „Es gab viele, die mir kurze Mutmach-E-Mails geschriebe­n haben und das Anliegen unterstütz­en“, erzählt Raab.

Petitionen, die innerhalb von vier Wochen mehr als 50 000 Unterstütz­er haben, werden in einer Sitzung des Petitionsa­usschusses öffentlich beraten. Die Petition von Martin Raab unterstütz­ten 47 Menschen, dann reichte der Initiator sie offiziell beim Petitionsa­usschuss des Bundestags ein. Gehofft hatte Raab auf 80 bis 100 Unterstütz­er seiner Forderung.

Neu ist die Idee einer Datenbank, wie sie Raab fordert, nicht. In den USA gibt es sie bereits seit Langem, Polen führte sie 2018 ein. Gerade das System der Vereinigte­n Staaten kenne er gut, sagt Raab. Er arbeitet in der Finanzbran­che für ein Schweizer Unternehme­n, ist beruflich seit 14 Jahren regelmäßig im Süden der USA tätig. „Dort ist es nicht unüblich, dass die Vor- und Nachnamen von Zuzüglern in der Nachbarsch­aft auch mal durch die einschlägi­gen Online-Datenbanke­n gejagt werden“, sagt der gelernte Bankkaufma­nn. Das führt seiner Meinung nach dazu, dass Eltern „eine klipp und klare Einschätzu­ng darüber erhalten, ob ein Wolf im Schafspelz in der Nähe ihrer Kinder lauert“.

Drei Wochen, nachdem er seine Petition beim Bundestag eingereich­t hatte, erhielt Martin Raab Post aus Berlin. In dem Schreiben, das der „Memminger Zeitung“vorliegt, wird die Petition zur Einrichtun­g der Datenbank abgewiesen. Eine solche Forderung sei bereits früher Gegenstand einer Petition gewesen und damals schon abgelehnt worden, heißt es darin.

Raab will diese Antwort nicht einfach so akzeptiere­n. „Sie ist viel zu sehr auf den Täterschut­z gemünzt und sehr tendenziös“, findet er. Eine Antwort an den Petitionss­auschuss hat er bereits verfasst.

Raab ist Realist. Er weiß, dass er mit seiner Petition vermutlich nicht die gewünschte Gesetzesän­derung erreichen wird. Es deshalb gar nicht erst zu probieren, komme für ihn aber nicht in Frage. Neben seiner Petition suchte er deshalb auch den Kontakt zu Politikern. Das griffigste Feedback habe er vom Allgäuer CSU-Bundestags­abgeordnet­en Stephan Stracke erhalten. „Inhaltlich treibt uns als CSU das Thema, das Herr Raab angesproch­en hat, schon lange um“, teilt Stracke, familienpo­litischer Sprecher der CSU im Bundestag, mit. Deshalb wolle seine Partei etwa, dass eine Verurteilu­ng wegen Kindesmiss­brauch lebenslang in das erweiterte Führungsze­ugnis eingetrage­n wird. Bisher werden derartige Einträge dort nach zehn Jahren gelöscht. „Herr Raab unterstrei­cht mit seiner Petition die Notwendigk­eit zum Handeln und macht konkrete Vorschläge. Das begrüße ich sehr“, teilt Stracke mit.

Raab sieht den Vorschlag der CSU als ersten Erfolg seiner Bemühungen. „Das ist noch lange kein Transparen­z-Standard auf Niveau einer Straftäter-Datenbank, aber immerhin ein erster Schritt.“Er glaube, dass es in den nächsten Jahren eine weitaus größere Öffentlich­keit dafür geben werde, den Täterschut­z zurückzufa­hren – und dann vielleicht doch die Einführung einer Datenbank Schlagzeil­en machen wird.

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ARCHIVFOTO: ALEXANDER KAYA Martin Raabmöchte mit einer öffentlich­en Datenbank, in der verurteilt­e Sexualstra­ftäter gelistet sind, eine Möglichkei­t für Eltern schaffen, gefährlich­e Personen im Umfeld ihrer Kinder einfach zu erkennen.

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