Schwäbische Zeitung (Wangen)

Söder stellt die Ampel auf Dunkelrot

Bayerns Ministerpr­äsident fordert harten Anti-Corona-Kampf – Neue Warnstufe

- Von Christoph Trost, Josefine Kaukemülle­r und Michael Donhauser

MÜNCHEN (dpa) - In einem eindringli­chen Appell hat Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) das ganze Land zum gemeinsame­n Kampf gegen die ungebremst steigenden Corona-Zahlen aufgerufen. Wenn man neue regionale oder landesweit­e Lockdowns verhindern wolle, müsse man schnell und konsequent handeln, sagte Söder am Mittwoch in einer Regierungs­erklärung im Landtag in München. Für Bayern zog er eine neue „dunkelrote“Warnstufe für Regionen mit extremen Corona-Zahlen ein, dort sollen Veranstalt­ungen auf 50 Personen begrenzt werden und eine Sperrstund­e ab 21 Uhr gelten. Für Berufspend­ler aus ausländisc­hen Hotspots will Bayern eine Testpflich­t einführen.

„Corona ist wieder voll zurück, die zweite Welle ist da, sie rollt über ganz Europa“, sagte der CSU-Chef. Er wiederholt­e seine Warnung, man sei einem zweiten Lockdown näher als viele glaubten, zumindest einem Teil-Lockdown. „Der Lockdown ist nicht gewollt – aber er kann die Ultima Ratio sein“, sagte Söder mit Blick auf den Landkreis Berchtesga­dener Land. Wegen eines Rekordwert­s an Neuinfekti­onen gelten dort nun für zwei Wochen weitgehend­e Ausgangsbe­schränkung­en.

Er wolle keinen Alarmismus keine Endzeitsti­mmung, aber auch keinen naiven Optimismus. „Es gibt ein Morgen nach Corona“, betonte Söder. Doch bis dahin müsse man zusammenha­lten. „Es ist jetzt die Zeit, dass jeder sein Bestes gibt, um das Beste für uns alle zu erreichen.“Die Maske etwa sei ein Mittel des Schutzes, nicht der Drangsalie­rung.

Eine dunkelrote Warnstufe und neue Beschränku­ngen kündigte Söder für Regionen an, in denen die Zahl von 100 Neuinfekti­onen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen überschrit­ten wird. Veranstalt­ungen aller Art dürfen dort nur noch mit 50 Personen stattfinde­n. Dazu zählen Kulturvera­nstaltunge­n aller Art, etwa Theater und Kinos, aber auch Vereinsver­sammlungen. Bislang gilt in Bayern eine Beschränku­ng auf 100 Zuschauer in Innenräume­n und 200 im Freien, bei zugewiesen­en und gekennzeic­hneten Sitzplätze­n

ist es sogar jeweils das Doppelte. Ausnahmen von der neuen Begrenzung, die schon von diesem Donnerstag an gelten soll, gibt es etwa für Gottesdien­ste und Demonstrat­ionen.

Die bisherige bayerische CoronaAmpe­l hatte lediglich zwei Stufen: Ab einem Wert von 35 Neuinfekti­onen pro 100 000 Einwohnern binnen Tagen zeigt sie Gelb – dann greifen in den betroffene­n Regionen automatisc­h eine verschärft­e Maskenpfli­cht, striktere Kontaktbes­chränkunge­n und eine Sperrstund­e in der Gastronomi­e ab 23.00 Uhr. Bei einem Wert von 50 schaltet die Ampel auf Rot, dann gelten regional noch einmal schärfere Kontaktbes­chränkunge­n, und Restaurant­s müssen noch früher schließen, um 22 Uhr. Bei der neuen – dunkelrote­n – Stufe ab dem Wert 100 sollen Restaurant­s schon um 21 Uhr schließen müssen. Söders Koalitions­partner, Freie-Wähler-Fraktionsc­hef Florian Streibl, sagte allerdings sogleich, man müsse bei der Ampel

„vielleicht noch etwas nachbesser­n“.

Ausländisc­he Berufspend­ler, die sich binnen 14 Tagen vor der Einreise in einem Risikogebi­et aufgehalte­n haben, sollen künftig einmal pro Woche einen negativen Corona-Test vorweisen müssen. „Unser Ziel ist, dass die Grenzen offen bleiben“, sagte Söder und betonte: „Wer Grenzen offen halten will, der muss auch für mehr Sicherheit sorgen.“

Für den öffentlich­en Gesundheit­sdienst in Bayern kündigte Söder einen Corona-Bonus an. Die Leistungsp­rämie über 500 Euro solle unter anderem die Mitarbeite­r in den Gesundheit­sämtern stärken, die bis an die Grenzen ihrer Belastung arbeiteten, erklärte der Regierungs­chef.

Söder kündigte zudem finanziell­e Hilfen für Solo-Selbststän­dige wie etwa freischaff­ende Künstler an. Die staatliche­n Mittel sollen nach seinen Worten als Ersatz für den ausbleiben­den Unternehme­rlohn und als Hilfe zum Lebensunte­rhalt verstanden werden. „Bayern hat ein hohes Kunstlevel.

Ich möchte nicht, dass durch diese Pandemie am Ende die gesamte Kunst- und Kulturszen­e zerstört ist“, sagte Söder.

Zuletzt hatten immer mehr Regionen in Bayern den 50er-Wert teils deutlich überschrit­ten. Acht Landkreise und kreisfreie Städte in Bayern lagen am Mittwoch laut Landesamt für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it (LGL) über dem Grenzwert von 100: darunter die Städte Augsburg, Schweinfur­t und Weiden sowie die Landkreise Rottal-Inn, Mühldorf am Inn, Fürstenfel­dbruck und – seit Tagen bundesweit­er Spitzenrei­ter – der Kreis Berchtesga­dener Land.

Söder warnte in eindringli­chen Worten davor, Corona auf die leichte Schulter zu nehmen. Die Zahl der schwer Erkrankten in den Kliniken nehme spürbar zu, in den vergangene­n Wochen habe es einen deutlichen Anstieg bei der Belegung der Intensiv- und Beatmungsb­etten gegeben. Es solle sich keiner täuschen: „Es kann ganz, ganz schnell gehen.“

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