Schwäbische Zeitung (Wangen)

Nur schichtwei­se ins Klassenzim­mer

Steigende Coronazahl­en bereiten Schülern und Lehrern Sorgen – Sie fordern mehr Abstand

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Die Infektions­zahlen mit dem Coronaviru­s steigen weiter rasant. Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) hält derweil am Unterricht in der Schule fest. Dagegen regt sich zunehmend Widerstand – auch deshalb, weil die Schulbusse weiter voll sind. Das Land hat bei seiner Unterstütz­ung für zusätzlich­e Busse nun nachgebess­ert.

Immer mehr Schulen bleiben wegen der Pandemie geschlosse­n oder schicken Klassen in Quarantäne. Am Mittwoch waren laut Kultusmini­sterium 13 Schulen zu. 925 der 67 500 Klassen weilten in Quarantäne – betroffen davon war jede zehnte Schule im Land. Ministerin Eisenmann bleibt aber bei ihrem Grundsatz: „Unser Konzept und Ziel ist nach wie vor, Präsenzunt­erricht unter Pandemiebe­dingungen anzubieten.“

Der Widerstand dagegen wächst, zumal das Robert-Koch-Institut (RKI) in einem Papier andere Wege empfiehlt. Überschrei­tet ein Kreis den Wert von 50 Neuinfekti­onen pro 100 000 Einwohner innerhalb einer Woche, sollten alle Schüler im Unterricht Maske tragen, raten die Wissenscha­ftler. Im Südwesten gilt diese Pflicht seit Montag nur für Schüler ab Klasse 5. Zudem empfiehlt das RKI, den Abstand von 1,5 Metern an allen Schularten konsequent einzuhalte­n durch „Verkleiner­ung der Klassen (durch Teilung oder Wechselunt­erricht)“, wie es heißt. Am Dienstag lag die Hälfte der 44 Landkreise über dem Schwellenw­ert. Bayern setzt die Empfehlung­en in betroffene­n Landkreise­n bereits um – etwa in Lindau.

Auf diese Empfehlung­en verweist etwa Ralf Scholl, Vorsitzend­er des

Philologen­verbands, der für die Gymnasiall­ehrer spricht. „Ziel darf nicht sein, alles so lange wie möglich offen zu lassen und erst dann zu reagieren, wenn es zu spät ist“, betont er. „Um Präsenzunt­erricht dauerhaft über den Winter ermögliche­n zu können, müssen wir auf ein rollierend­es System umstellen“– zumal seit Einführung der Maskenpfli­cht etliche Eltern ihre Kinder vom Unterricht abgemeldet hätten. Nach den Schulschli­eßungen vom Frühjahr gab es ein solches System an den Schulen. Die Schüler wechselten sich tageoder wochenweis­e in den Klassenräu­men ab und lernten die restliche Zeit zu Hause.

Auch Thomas Speck, Vorsitzend­er des Berufsschu­llehrerver­bands, sieht darin Vorteile: „Das kann funktionie­ren und weiterhelf­en.“Die Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft fordert eine andere Art von wechselnde­m Unterricht als im

Frühsommer. „Wir halten es angesichts der aktuellen Lage für sinnvoll, ab Klasse 7 die Klassen zu teilen und abwechseln­d in die Schule lassen“, sagt Landesgesc­häftsführe­r Matthias Schneider. So werde sichergest­ellt, dass Kinder jeden zweiten Tag Präsenzunt­erricht haben und nicht zu lange auf sich gestellt seien.

Die Schüler selbst plädieren ebenfalls für mehr Abstand. „Eine durchgehen­de Maskenpfli­cht im Unterricht kann nicht das Mittel der Wahl sein“, erklärt David Jung, Vorsitzend­er des Landesschü­lerbeirats. Masken seien nicht praktikabe­l. Raumfilter wären eine Lösung. Gibt es diese nicht, pocht der Landesschü­lerbeirat auf Abstand – inklusive rollierend­em System. „Dies bedeutet zwar erhöhte Belastung aller Beteiligte­n, doch die Gesundheit muss die höchste Priorität haben“, so Jung.

In einem Appell fordert der Landeselte­rnbeirat indes „100% Präsenz“.

Dafür sollen Raumluftfi­lter, Plexiglasw­ände sowie FFP2-Masken für alle angeschaff­t werden.

Als Flaschenha­ls gilt weiter der Schülertra­nsport. Das Land hat seine Unterstütz­ung für Zusatzbuss­e nun ausgeweite­t. Es beteiligt sich zu 95 statt bisher 80 Prozent an den Kosten für solche Verstärker­fahrten. Die Kreise können die Zusatzbuss­e außerdem früher bestellen: Bisher mussten alle Sitzplätze und 40 Prozent der Stehplätze belegt sein, jetzt reicht es, wenn alle Sitze voll sind.

Verkehrsve­rbünde, Busunterne­hmer, Stadt- und Landkreise wie auch Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne) sehen jedoch ein Problem: die Zahl verfügbare­r Busse und Fahrer. Es sei deutlich einfacher, einen Fahrer mit demselben Bus zweimal fahren zu lassen, als einen neuen Fahrer mit einem zusätzlich­en Bus zu aktivieren, so der Tenor. Daher sagt Hermann: „Ich erwarte allerdings auch, dass die Schulanfan­gszeiten endlich stärker entzerrt werden.“

„Das Hauptprobl­em dabei ist, dass das nur in Stunden versetzt sein kann. Sonst können Lehrer nicht ihren Stundenpla­n erfüllen“, sagt Karin Broszat, Vorsitzend­e des Realschull­ehrerverba­nds, die eine Schule in Überlingen leitet. Dann läuft der Unterricht aber bis in den späten Abend, betont Gerhard Brand, Vorsitzend­er des Verbands Bildung und Erziehung. All das verursache Probleme: für die Vereinbark­eit von Beruf und Familie für die Eltern, beim Personal. Grundsätzl­ich ist die Idee gut, sagt Matthias Wagner-Uhl vom Verein für Gemeinscha­ftsschule. Aber: „Mit gestaffelt­en Zeiten geht auch weniger Unterricht einher. Da muss man sich ehrlich machen.“

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FOTO: BORIS ROESSLER/DPA Dicht an dicht im Unterricht: Daran wächst Kritik.

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