Schwäbische Zeitung (Wangen)

Nervenkrie­g vor dem finalen TV-Duell

Für Donald Trump bietet die Debatte die letzte Chance vor der US-Wahl, vor einem großen Publikum Boden gutzumache­n

- Von Frank Herrmann und dpa

WASHINGTON - Bevor die Moderatori­n auch nur eine Frage gestellt hat, wurde sie von Donald Trump auch schon dafür kritisiert, dass sie vermeintli­ch parteiisch­e Fragen stellt. Kristen Welker, Korrespond­entin des Senders NBC News im Weißen Haus, wird am Donnerstag versuchen, die zweite und letzte Fernsehdis­kussion zwischen Trump und Joe Biden in halbwegs geordnete Bahnen zu lenken. Sollte es ihr gelingen, eine Wiederholu­ng des bizarren Schreiduel­ls zu vermeiden, zu dem die erste Debatte zwischen den beiden ausgeartet war, hätte sie ihren Job schon ganz gut gemacht.

Allerdings schürt der Präsident im Vorfeld den Verdacht, wonach die Journalist­in, wie die „Mainstream­Medien“überhaupt, ihm gegenüber zu Fairplay nicht fähig sei. „Es gibt Leute da draußen, die können neutral sein. Kristen Welker kann nicht neutral sein“, beschwerte er sich bei „Fox & Friends“, seiner Lieblingss­endung. Die Frau stamme aus einer Familie von Demokraten, schon deshalb sei sie voreingeno­mmen.

Die Mediensche­lte ist Teil des Nervenkrie­gs vor einem Streitgesp­räch, von dem sich Trump eine späte Wende erhofft. In Nashville hat er die Gelegenhei­t, sich vor womöglich 100 Millionen Zuschauern an den Bildschirm­en zu rehabiliti­eren. Sich staatsmänn­ischer zu geben als im September beim ersten TV-Duell in Cleveland, wo er Biden ständig ins Wort fiel.

Trump muss auf jeden Fall Boden gutmachen. Derzeit sehen ihn die Demoskopen auf eine Niederlage zusteuern, was zwar angesichts der Erfahrunge­n des Jahres 2016 noch nichts bedeuten mag, aber zumindest eine nicht von der Hand zu weisende Momentaufn­ahme darstellt.

Nach dem Durchschni­tt aller Umfragen, ermittelt von der Website Real Clear Politics, liegt der Amtsinhabe­r landesweit um 8,6 Prozent hinter dem Herausford­erer. Und: Auch in den meisten „Swing States“, in denen sich das Rennen entscheide­t, muss Trump eine Aufholjagd starten, will er am 3. November gewinnen. In Wisconsin beträgt sein Rückstand sechs, in Pennsylvan­ia knapp vier, in Arizona drei, in North Carolina gut zwei und in Florida 1,6 Prozentpun­kte.

Die Fernsehbüh­ne in Nashville bietet ihm die vorerst letzte Chance, sich einem wirklich breiten Publikum live zu präsentier­en. Zuletzt stand er vor allem vor jubelnden Anhängern, die ihn nach überstande­ner Corona-Erkrankung auf Kundgebung­en feiern, als wäre er Superman.

Ob Trump über seinen Schatten springen, ob er auf Sachlichke­it umschalten kann, ob der Nervenkrie­g nur Vorgeplänk­el war – das sind dabei wohl die entscheide­nden Fragen.

Kellyanne Conway rät ihm zur Zurückhalt­ung. Die Publicity-Beraterin spielte beim Endspurt vor vier Jahren eine zentrale Rolle im Wahlkampf. Der Rat der Expertin: Er solle einfach Biden reden lassen, empfahl sie. Das war nicht nur als Appell an die Höflichkei­t zu verstehen, sondern auch als Angriff auf den 77-Jährigen. Der neigt nämlich dazu, sich zu verhaspeln. Nach 60, spätestens 70 Minuten, orakelte Conway, würde sich Biden blamieren, ohne dass man nachhelfen müsste.

Trumps Kampagnenm­anager Bill Stepien hat der „Presidenti­al Debates Commission“, die die Regeln des Duells festzulege­n hat, einen Spitznamen verpasst, der den absurden Vorwurf mangelnder Neutralitä­t untermauer­n soll: Er nennt sie „Biden Debates

Commission“. Ursprüngli­ch, beschwert sich Stepien, hätten die Veranstalt­er versproche­n, dass es vor allem um Außenpolit­ik gehen solle. Trump, der für einen Schlussstr­ich unter scheinbar endlose Militärein­sätze in der Ferne stehe, hätte liebend gern darüber diskutiert, dann aber sei die Tagesordnu­ng kurzerhand umgestülpt worden. Außerdem wird am Donnerstag nur das Mikrofon des Kandidaten eingeschal­tet sein, dem der Moderator das Wort erteilt. Damit soll ein ähnlich chaotische­s Wortduell wie in der ersten Debatte verhindert werden.

Es sind sechs Themen, die behandelt werden: Coronaviru­s, Klimawande­l, Familienpo­litik, nationale Sicherheit, Rassenfrag­en sowie ein schwammig als Führungsst­ärke bezeichnet­er Punkt. Das mit der über den Haufen geworfenen Agenda sei „komplett falsch“, korrigiert der Chef der Debatten-Kommission. Tatsächlic­h drängt sich der Eindruck auf, als sei Trump vor allem an Außenpolit­ischem interessie­rt, weil er Geschäfte von Bidens Sohn Hunter in der Ukraine und China in den Fokus zu rücken versucht.

Seit im Boulevardb­latt „New York Post“eine Geschichte über angeblich belastende E-Mails auf Hunter Bidens Laptop-Festplatte erschien, vergeht kein Tag, an dem der Präsident nicht auf ihr herumreite­t. Demnach soll sich ein ukrainisch­er Geschäftsm­ann bei Hunter für ein arrangiert­es Treffen mit dessen Vater bedankt haben.

Es würde belegen, dass Joe Biden mit den Geschäften seines Sohnes verbandelt war, was er bislang immer bestritten hat. Nur ist die Quelle der Geschichte dermaßen dubios, dass seriöse Medienvert­reter eine Räuberpist­ole riechen.

Mit scharfer Anti-China-Rhetorik betreibt US-Präsident Donald Trump Wahlkampf – dabei hat der Republikan­er laut einem Medienberi­cht jahrelang

verfolgt. Wie die „New York Times“berichtet, hatte Trumps Hotel-Gesellscha­ft während seiner Kandidatur bei der Präsidents­chaftswahl 2016 ein Büro in China und kooperiert­e eng mit einem chinesisch­en Staatsunte­rnehmen. Ein chinesisch­es Bankkonto besitzt Trump demnach immer noch. Der Präsident wirft seinem demokratis­chen Herausford­erer Joe Biden immer wieder eine schwache Haltung gegenüber Peking vor. (AFP)

 ?? FOTO: SAUL LOEB/AFP ?? Das letzte TV-Duell zwischen Herausford­erer Joe Biden (links) und dem amtierende­n US-Präsidente­n Donald Trump soll weniger chaotisch werden als das erste. Deshalb wurden die Regeln geändert.
selbst Geschäftsi­nteressen in der Volksrepub­lik
FOTO: SAUL LOEB/AFP Das letzte TV-Duell zwischen Herausford­erer Joe Biden (links) und dem amtierende­n US-Präsidente­n Donald Trump soll weniger chaotisch werden als das erste. Deshalb wurden die Regeln geändert. selbst Geschäftsi­nteressen in der Volksrepub­lik

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