Schwäbische Zeitung (Wangen)

Zwischen Wahn und Wirklichke­it

Moritz Bleibtreu gibt mit dem Thriller „Cortex“sein Regiedebüt

- Von Christiane Bosch

Nachdem Moritz Bleibtreu in mehr als 90 Filmen als Schauspiel­er mitgewirkt hat, wagt er sich nun für seinen Kinofilm „Cortex“erstmals auf die andere Seite der Kamera. Für sein Regiedebüt hat er einen Stoff ausgewählt, der weit entfernt von klassische­n Drehbuchvo­rlagen ist. Denn „Cortex“ist ein Film wie ein Labyrinth. Mit Sackgassen, mit Irrwegen, scheinbar ohne Ausgang. Dabei ist der in Hamburg gedrehte Film mit seinen vielen Erzähleben­en gleichzeit­ig eine Mischung aus düsterem „Körpertaus­ch“-Film und einer deutschen und klaustroph­obischeren Version von „Inception“. Und am Ende fragt man sich: Was war jetzt eigentlich Traum und was Wirklichke­it?

Im Mittelpunk­t des unvorherse­hbaren, komplexen Thrillers steht der biedere Familienva­ter und Supermarkt-Sicherheit­smann Hagen (Bleibtreu). Der kann wegen seiner aufwühlend­en Träume nicht gut schlafen und ist tagsüber entspreche­nd gerädert. So müde, dass er sogar beim Autofahren an der Ampel und am Arbeitspla­tz einschläft. Dabei träumt er von einem jungen Mann (Jannis Niewöhner), den er zuvor noch nie gesehen hat. Aber hat ihn nicht genau dieser Mann erst kürzlich über die Videokamer­a des Supermarkt­es angeschaut? Hat am Ende genau dieser Kerl eine Affäre mit seiner Frau (Nadja Uhl)? Oder bildet er sich das nur ein? Déjà-vus, Flashbacks, Erinnerung­en, Wunschvors­tellungen – die Leben der beiden Männer verweben immer mehr zu einer gemeinsame­n Welt.

Wer ist hier eigentlich wer? Vermischen sich die Persönlich­keiten der beiden? Gibt es den zweiten Mann doch nur in Hagens Vorstellun­g? Am Ende des Films bleiben viele Fragen offen. Und genau das ist auch von Bleibtreu gewollt, wie er selbst sagt. Sogar die Hauptdarst­eller Niewöhner und Uhl mussten das

Buch mehrfach lesen und waren selbst dann nicht sicher, ob sie alles verstanden hatten. Die düstere Geschichte von „Cortex“wird ergänzt durch eine ebenso klare wie starke Bildsprach­e. Zum Teil erinnert sie an alte Hitchcock-Filme. Das ist großes Kino und macht visuell richtig viel Spaß. Auch inhaltlich hallt „Cortex“nach. Nach dem Film dürften viele Kinogänger die einzelnen Szenen nochmal abrufen, sortieren, nach verräteris­chen Spuren für eine mögliche Auflösung suchen. So mancher dürfte dabei aber ratlos zurückblei­ben.

Wer Kinofilme mit eindeutige­m Abschluss mag, wird den bei „Cortex“nicht finden. Die zahlreiche­n Fäden der Geschichte scheinen in der Luft hängen zu bleiben. Wer sich hingegen gern auf Gedankensp­iele einlässt, dürfte vom Bleibtreu-Debüt gut unterhalte­n werden. (dpa)

Cortex. Regie: Moritz Bleibtreu. Mit Moritz Bleibtreu, Jannis Niewöhner, Nadja Uhl. Deutschlan­d 2020, 96 Minuten, FSK ab 16.

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FOTO: WARNER BROS. Der biedere Familienva­ter Hagen (Moritz Bleibtreu) hat aufwühlend­e Träume und ist tagsüber entspreche­nd gerädert.

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