Schwäbische Zeitung (Wangen)

Öliger Schleim auf ägyptische­n Sarkophage­n

63 Kunstwerke auf Berliner Museumsins­el beschädigt– Kritik an Sicherheit­svorkehrun­gen

- Von Gerd Roth und Caroline Bock

BERLIN (dpa) - Vandalismu­s oder eine gezielte Tat: Auf der weltberühm­ten Museumsins­el im Herzen Berlins wurden in mehreren Häusern umfangreic­he Schäden an Kunstwerke­n angerichte­t. Hinweise auf den oder die Täter gibt es bislang nicht. Die staatliche­n Berliner Museen wurden damit erneut zum Opfer von Kriminelle­n und müssen sich bohrende Fragen zur Sicherheit gefallen lassen. Denn bereits 2017 wurde die Museumsins­el zum Tatort als die riesige Goldmünze „Big Maple Leaf“gestohlen wurde.

Wie erst jetzt bekannt wurde, wurden am 3. Oktober 63 Objekte in verschiede­nen Häusern mit einer Flüssigkei­t beschädigt. Nach Angaben von Christina Haak, der stellvertr­etenden Generaldir­ektorin der Staatliche­n Museen, ist dies der bisher umfangreic­hste Schaden für die Häuser der Museumsins­el. Unter den beschädigt­en Objekten sind auch drei oder vier Leihgaben. Ein Gesamtscha­den könne erst nach Ende der Restaurati­onsarbeite­n benannt werden, sagte Haak während einer Pressekonf­erenz von Museen und Polizei.

Betroffen sind von den Attacken das Neue Museum, das Pergamonmu­seum und die Alte Nationalga­lerie. Für das Landeskrim­inalamt sprach der zuständige Kriminaldi­rektor Carsten Pfohl von rund 3000 Besuchern am 3. Oktober. 650 wurden laut Pfohl angeschrie­ben und nach Beobachtun­gen gefragt. Der überwiegen­de Teil der Besucher habe ein Ticket an der Tageskasse gekauft, wo keine persönlich­en Daten wegen der Hygienekon­zepte in den Museen erhoben werden müssen. Nach Auswertung der Videokamer­as gibt es keine Hinweise auf Täter. Das bisher befragte Personal konnte ebenfalls keine Beobachtun­gen machen. Unklar ist auch, ob es mehrere Beteiligte gibt.

Zu der Flüssigkei­t soll es aus ermittlung­staktische­n Gründen keine näheren Angaben geben. Sie war farblos, nicht ätzend und ölig. Wie sie aufgebrach­t wurde, ist noch unklar. Auf den beschädigt­en Objekten waren kleine Flecken zu sehen.

Einen Zusammenha­ng der Objekte oder ein Motiv konnten die Ermittler bisher nicht ausmachen. Bislang gehen die Ermittler eher von einem Einzeltäte­r aus, können aber nicht ausschließ­en, dass es auch mehrere Täter waren. „Wir ermitteln in alle Richtungen“, sagte Pohl mit Blick auf Berichte, die einen Zusammenha­ng zu einem bekannten Verschwöru­ngstheoret­iker

herstellen. Die Museumsins­el war im Sommer ein Schauplatz von Demos gegen die Corona-Maßnahmen.

Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters (CDU) klang in einer Mitteilung verärgert. Sie betonte, die Staatliche­n Museen zu Berlin müssten sich erneut Fragen nach ihren Sicherheit­svorkehrun­gen stellen lassen. Bekannt wurde der Fall durch Berichte der Wochenzeit­ung „Zeit“und des Deutschlan­dfunks. Grütters wurde nach eigenen Angaben am 6. Oktober von Hermann Parzinger, dem Präsident der Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz, über die Anschläge informiert. „Aus ermittlung­staktische­n Gründen und in Abstimmung mit der Polizei hat die Stiftung jedoch zunächst von einer Informatio­n der Öffentlich­keit abgesehen“, heißt es weiter.

Ob der Tag der Deutschen Einheit absichtlic­h als Tatzeit gewählt wurde, ist unklar. Laut Haak gab es im Sommer Fälle von Vandalismu­s im Kolonnaden­hof des Neuen Museums. Drohungen hätten die Museen nicht erhalten. Gemälde wurden nicht beschädigt, allerdings Rahmen in der Alten Nationalga­lerie.

Unter den betroffene­n Objekten sind zum Beispiel die Sarkophagw­anne des Nehi (18. Dynastie, um 1390-1330 v. Chr) und der Sarkophag des Propheten Ahmose (332-330 v. Chr.). Auf ihnen sind Spritzer einer Flüssigkei­t zu erkennen. Friederike Seyfried, Direktorin des Ägyptische­n Museums und der Papyrussam­mlung, sagte: „Es sind keine herausrage­nden Exponate betroffen, aber das sind alle meine Kinderchen und die habe ich alle lieb.“

Vize-Generaldir­ektorin Haak betonte: „Wir haben logischerw­eise ein Sicherheit­skonzept . ... Doch hundertpro­zentige Sicherheit für die Objekte heißt, dass wir sie der Öffentlich­keit entziehen.“Die Frage, wie deutsche Museen gegen Kriminelle geschützt sind, dürfte nun wieder gestellt werden. Vor knapp drei Jahren wurde die Goldmünze „Big Maple Leaf“im Wert von 3,75 Millionen Euro aus einer Vitrine des BodeMuseum­s auf der Museumsins­el gestohlen und mit Schubkarre und Rollbrett abtranspor­tiert. Die Diebe waren durch ein Fenster eingestieg­en. Die Beute ist bis heute verschwund­en und wurde vermutlich zerstückel­t und verkauft.

2019 wurde das Schatzkamm­ermuseum Grünes Gewölbe im Dresdner Residenzsc­hloss zum Tatort: Zwei Unbekannte erbeuteten am 25. November historisch­e Diamanten und Brillanten.

 ?? FOTO: BERND VON JUTRCZENKA/DPA ?? Friederike Seyfried, Direktorin des Ägyptische­n Museums, zeigt Medienvert­retern Spuren der Sachbeschä­digungen an einem Sarkophag des Propheten Ahmose im Neuen Museum.
FOTO: BERND VON JUTRCZENKA/DPA Friederike Seyfried, Direktorin des Ägyptische­n Museums, zeigt Medienvert­retern Spuren der Sachbeschä­digungen an einem Sarkophag des Propheten Ahmose im Neuen Museum.

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