Schwäbische Zeitung (Wangen)

Der FC Memmingen stellt die Sinnfrage

Präsident, Schatzmeis­ter und Fans bezweifeln, ob die Saison in der Fußball-Regionalli­ga fortgesetz­t werden kann

- Von Dominik Prähofer

MEMMINGEN - Ortstermin auf dem Parkplatz vor der Stadiongas­tstätte des FC Memmingen: Ein bisschen gelangweil­t öffnet Markus Kramer den Kofferraum­deckel seines Autos. Zum Vorschein kommt eine neue, noch original verpackte Kaffeemasc­hine. Eigentlich – so war der Plan – wollte der 43-Jährige sie zum Kiosk bringen, der in die Haupttribü­ne der Memminger Arena integriert ist. Kramer, der insgesamt 28 Jahre lang für den FCM kickte, ist als gelernter Bankkaufma­nn Schatzmeis­ter des Traditions­vereins. Als solcher verantwort­et er auch den Bereich „Stadionbew­irtschaftu­ng“.

Kramers Neuanschaf­fung, die Kaffeemasc­hine, bleibt an diesem Oktober-Samstag völlig ungenutzt. Der Grund: Einen Tag vor dem geplanten Regionalli­ga-Heimspiel des FC Memmingen gegen den SV Wacker Burghausen hatte der FCM dem Bayerische­n Fußball Verband (BFV) mitgeteilt, dass sich ein Spieler aus seinem Regionalli­ga-Kader wegen eines positiven Covid-19-Falls in seinem schulische­n Umfeld in Quarantäne befinde. Der BFV setzte die Begegnung daraufhin ab. Am Samstag, einen Tag nach der Absage, wurde dann bekannt, dass ein A-Junioren-Akteur des Clubs positiv getestet worden sei. Über das Regionalli­ga-Team sagt FCM-Sprecher Andreas Schales: „Unser Vereinsarz­t wird am Montag alle Spieler, Trainer und Betreuer durchteste­n. Der betroffene Spieler wird ebenfalls am Montag zusammen mit seiner Schulklass­e getestet.“Anschließe­nd, so Schales weiter, „entscheide­n die Gesundheit­sbehörden über weitere Maßnahmen“. Sollte eine Quarantäne angeordnet werden, wäre das „fatal, denn bereits im Frühjahr mussten wir diese Erfahrung machen“. Das war der Stand von Montag, am Mittwochmo­rgen gab es Entwarnung: Der Test sei bei dem Spieler negativ ausgefalle­n, teilte der Verein mit.

Dieter Degenhart, früherer Vorsitzend­er des FC Memmingen

Weitere Ergebnisse von Fußballern aus seinem Umfeld standen aber noch aus. Der FCM zeigte sich aber zuversicht­lich, dass auch diese negativ ausfallen.

Trotzdem befürchtet Schales ganz allgemein drohende Quarantäne-Maßnahmen: Manche Arbeitgebe­r von FCM-Spielern „werden da sicher nicht mehr lange mitmachen“. Präsident Armin Buchmann, der die Fortführun­g des Spielbetri­ebs während der Pandemie schon im Frühjahr kritisch gesehen hatte, kommt nun noch stärker ins Grübeln: „Jetzt stellt sich die Frage, ob der Spielbetri­eb auf dieser Basis überhaupt noch Sinn macht. Die Lage wird sich in den nächsten Wochen

ja wohl eher noch verschlech­tern.“Hunderte Spielabsag­en gebe es im bayerische­n Fußball zurzeit Wochenende für Wochenende.

Zurück zu „Kiosk-Chef“Markus Kramer: Beim Blick auf den gepflegten Stadionras­en mischen sich Freude und Enttäuschu­ng zugleich in die Gesichtszü­ge des dreifachen Familienva­ters. „Der Rasen sieht gut aus, der wäre auf jeden Fall spielfähig“, sagt Kramer „Aber lamentiere­n hilft niemandem weiter, wir müssen das Beste daraus machen.“Hier im Umfeld des Viertligis­ten seien doch alle Mitarbeite­r ehrenamtli­ch tätig. Da sei es schon grenzwerti­g, immer wieder sich häufig verändernd­e und teils sehr kurzfristi­g angeordnet­e

Vorschrift­en umsetzen zu müssen. „Das macht wenig Spaß.“Kramer illustrier­t die Problemati­ken am Beispiel des Burghausen-Heimspiels: „Wir hatten natürlich Getränke und Semmeln bestellt für den Kiosk-Verkauf. Zumindest teilweise konnten wir die Bestellung­en noch rückgängig machen. Das ist aber alles sehr anstrengen­d.“Immerhin zwölf Mitarbeite­r sind an Heimspielt­agen an dem Catering-Verkaufsst­and beschäftig­t. Auch Kramers Mutter Rosemarie stellt ihre fleißigen Hände zur Verfügung. „Es ist schon bemerkensw­ert“, lobt Kramer, „dass es diese Helfer gibt, die da ehrenamtli­ch mitanpacke­n. Denen geht aber die aktuelle Lage natürlich auch an die Substanz, das ist doch ganz klar.“Offen gesteht Markus Kramer: „Ich hab‘ schon ein bisschen Angst, dass einige aufhören werden – auch, weil sie ständig diesen Mund-NasenSchut­z tragen müssen.“

Am Vormittag des abgesagten Spiels haben der langjährig­e frühere FCM-Vorsitzend­e Dieter Degenhart (83) und Fan Peter Rauth (67) an der Theke der Stadiongas­tstätte Platz genommen. Degenhart sagt unmissvers­tändlich: „Seit dem Zweiten Weltkrieg haben wir nicht mehr so etwas Schlimmes erlebt wie zurzeit.“Man habe doch früher „immer gespielt, bei Eis und Schnee, jahrzehnte­lang, und jetzt das.“Für die Vereinsfun­ktionäre bedeute die Corona-Zeit eine „sehr schwierige Situation“. Peter Rauth benennt ein zentrales Problem aller Amateurclu­bs während der Pandemie: „Der FCM hat zurzeit ja nur Ausgaben, aber keine Einnahmen.“Von den restriktiv­en Zuschauera­usschlüsse­n hält Rauth gar nichts. Denn: „Zwei Kilometer vom Stadion entfernt auf dem Memminger Wochenmark­t drängeln sich die Leute heute Vormittag großteils ohne Masken ...“

„Seit dem Zweiten Weltkrieg haben wir nicht mehr so etwas Schlimmes erlebt wie zurzeit.“

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FOTO: IMAGO IMAGES / NORDPHOTO Der Versuch von Normalität: Timo Gebhart (links) und der FC Memmingen – hier im Ligapokal gegen den TSV Rain – quälen sich mehr schlecht als recht durch die Regionalli­ga-Saison.

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