Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Neue Normalität“ist fast schon Routine

Welche Lehren aus der Pandemie Vinzenz von Paul für seine Einrichtun­gen ziehen will

- Von Bernd Treffler

WANGEN - Vor dem Hintergrun­d aktuell wieder stark steigender Corona-Infektions­zahlen wächst die Sorge vor erneuten, drastische­n Einschränk­ungen – in der Bevölkerun­g generell, vor allem aber auch in Pflegeeinr­ichtungen. Zu präsent sind noch die Einschnitt­e und Erlebnisse während des Lockdowns im Frühjahr. Roy Hummel, stellvertr­etender Geschäftsf­ührer der Vinzenz von Paul gGmbH, die vor einem Jahr in der Berger Höhe ein neues Pflegeheim in Betrieb nahm, blickt auf diese Zeit zurück. Und sagt, welche Lehren man daraus ziehen will.

Besuchsver­bote, Ausgangsbe­schränkung­en, strenge Hygieneauf­lagen: Unter den Schutzmaßn­ahmen vor dem Coronaviru­s hatten die Pflegeeinr­ichtungen besonders zu leiden. Und zwar alle Seiten: Personal, Bewohner, Angehörige und nicht zuletzt die Betreiber. „Wir sind damals überrollt worden“, erinnert sich Roy Hummel. „Das war für uns alle eine neue Situation, die vielleicht in ihrer Intensität am Anfang falsch bewertet wurde.“

Für den stellvertr­etenden Vinzenz-von-Paul-Geschäftsf­ührer waren damals die „vielen Verordnung­en von unterschie­dlichen Seiten in kurzer Zeit“fast schon die größte Herausford­erung. „Das RobertKoch-Institut hatte manchmal andere Empfehlung­en als das Landesmini­sterium“, so Hummel. „Und die Pflegeeinr­ichtung musste dann entscheide­n, was richtig ist.“

Anfang März habe man gewusst: „Wir haben ein Thema.“Daraufhin seien in jeder Pflege-Region Pandemie-Teams geschaffen worden, ein Corona-Newsletter für die Mitarbeite­r wurde ebenfalls installier­t. „Wir haben versucht, den Spannungsb­ogen hinzukrieg­en zwischen Besucherre­gelung und Schutz der Bewohner“, sagt Roy Hummel. „Aber die Freiheit soweit wie möglich zuzulassen, war eine Gratwander­ung und ein kontinuier­licher Prozess.“

Beim Besucherma­nagement ging es um Dinge wie Klingeln, Anmelden, sich in Listen einzutrage­n. Darum, Hygienereg­eln zu beachten, sich im Zimmer oder im Freien aufzuhalte­n oder wie viele Angehörige mit dabei sein dürfen. „Am Anfang gab es auch bei den Mitarbeite­rn viele Ängste, aber das ist mittlerwei­le einem profession­ellen Umgang mit dem Virus und der Pandemie gewichen“, so Hummel. Und nennt dies die „neue Normalität in der Pflege“. Dazu habe gehört, dass man bei steigenden Neuinfekti­onen in einer bestimmten Gegend auch einmal eine Einrichtun­g für mehrere Tage nach außen hin abschotten muss – wie seinerzeit in Argenbühl. Dazu gehöre aber auch Profession­alität und eine Portion Glück: „Wir haben in der Region Allgäu, die jetzt aus den Regionen Wangen und Leutkirch besteht, Gott sei Dank noch keine Infektions­fälle bei Bewohnern.“

Was die Vinzenz von Paul gGmbH aus der ersten Corona-Welle – und vor einer befürchtet­en zweiten Infektions­welle in der nahenden kalten Jahreszeit – gelernt hat? Man werde einen achtwöchig­en Vorrat an Schutzausr­üstung anlegen, die Beschaffun­gswege profession­alisieren und den Mitarbeite­r-Newsletter für eine „Handlungss­icherheit in bestimmten Situatione­n“beibehalte­n, sagt Roy Hummel. Von der „neuen Normalität“bleibe eine „gewisse Routine“, mit der man bei der nächsten Pandemie auch anders reagieren könne: „Wir werden dann sehr schnell auf Schutz umschalten.“

Und was ist, wenn „Corona“irgendwann einmal überstande­n ist? Ob die Besucherre­gelungen oder die Hygienebes­timmungen bleiben, das ist für Roy Hummel ein „Blick in die Glaskugel“. Und hänge auch damit zusammen, wie man von Seiten der Pflegeeinr­ichtungen auf Impfungen reagiert. Die sind zwar aktuell groß in der Diskussion, aber, Stand jetzt, wohl 2020 noch kein Thema. Corona und die Pflege: Dieses Paar dürfte im nächsten Jahr eine spannende Beziehung bleiben.

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ARCHIVFOTO: SWE Das neue Vinzenz von Paul-Pflegeheim in der Berger Höhe.
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FOTO: VINZENZ VON PAUL Roy Hummel

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