Das „Fräulein Maria“verabschiedet sich nach 45 Jahren
Wie sich Kindergarten-Pädagogik änderte und was Maria Gleich mit den Ortsvorstehern verbindet
NIEDERWANGEN - Der Vietnamkrieg endete. In Spanien ging mit dem Tod von Diktator Francisco Franko und der Wiedereinführung der Monarchie eine Ära zu Ende. Auch die Entführung des Berliner CDU-Vorsitzenden Peter Lorenz und der Start der Mars-Sonde Viking 1 durch die Nasa bestimmten das Weltgeschehen im Jahre 1975. Und im August begann Maria Gleich im Kindergarten St. Franziskus ihr Anerkennungsjahr. Die Hauswirtschaftsschule in Wangen und die schulische Ausbildung zu Erzieherin in Ravensburg hatte sie zu diesem Zeitpunkt hinter sich. „Und dann bin ich in Niederwangen hängengeblieben“, erzählt Gleich.
Aufgewachsen ist sie als zweitältestes von sechs Kindern auf einem Hof in Neuravensburg. „Ich selbst bin nie gerne in den Kindergarten“, erinnert sich die 64-Jährige: „Lieber war ich draußen, habe mit den Geschwistern und Nachbarskindern Hüttele gebaut oder wir sind in den Wald.“Ihre Naturverbundenheit hat sich Maria Gleich erhalten. Auch später im Beruf. Schwester Agathe leitete 1975 die kirchliche Einrichtung. Das „Fräulein Maria“, wie man die Erzieherin damals noch ansprach, hatte die Gruppenleitung inne und war mit 25 Kindern allein. Die „Mappe“gehörte damals zum Vorschulprogramm. Sie musste bis zum Schuleintritt gefüllt sein. „Wir arbeiteten lange Zeit im damals noch zweigruppigen Kindergarten St. Franziskus mit zwei Erzieherinnen, einer Vorpraktikantin und einer Reinigungskraft, die sich um Flur und Toiletten kümmerte. Die Gruppenräume haben wir selbst geputzt“, erinnert sich Gleich: „Das war damals noch gang und gäbe.“
1990 wurde Schwester Agathe von der Leitung entbunden, im Jahr darauf ins Mutterhaus der Franziskanerinnen nach Sießen abberufen und die Niederwangener SchwesternStation aufgelöst. Maria Gleich übernahm vor 30 Jahren die Kindergartenleitung. Durch ihre Hände ging schon Ortsvorsteher Roland Hasel. Sein Amtsvorgänger Berthold Riether kam – wie vor einigen Jahren auch Hasel – mit seinen Kindern: „Bei Berthold Riether sind derzeit drei Enkelkinder im Kindergarten.“Schön nennt Maria Gleich die Situation, dass Kinder oft als Eltern oder gar Großeltern in den Kindergarten zurückkehren und sich einbringen: „Wir haben in Niederwangen vieles gemeinsam gestemmt. Und das meist mit einem kleinen Budget.“Sie denkt dabei auch an einige Gartenaktionen.
Was sich in all‘ den Jahren geändert hat? „Vor allem die Pädagogik“, sagt Maria Gleich, die sich selbst als offenen Menschen beschreibt. Sie vervollständigt: „Man sieht Kinder heute als Persönlichkeit. Früher wurden ihnen vielfach Interessen übergestülpt. Heute sind sie selbstbewusster und selbstständiger.“Auch die Kinder haben sich verändert, seien heute offener, hinterfragen mehr: „Prägend für mich war aber immer die große Freude; zu erleben, wie Kinder zu begeistern sind.“
In die 45 Dienstjahre von Maria Gleich fiel auch der große Umbau in den Jahren 2013 bis 2015 und die dadurch mögliche und auch erfolgte Installation einer Kinderkrippe. Die langjährige Kindergartenleiterin erinnert sich noch gut an die immer wieder aufgetauchte Frage: „Braucht man das?“Die zehn Krippenplätze waren schnell ausgebucht und sind es noch immer. Auch für Maria Gleich und ihre Kolleginnen brachte das Änderungen mit sich, die sie aber auch als etwas Einzigartiges beschreibt: „Man erlebt die Entwicklung der Kinder noch früher mit. Die U3-Betreuung bedeutet in jedem Fall die Ausweitung von Vielfalt der pädagogischen Arbeit.“
Genau diese Vielfalt war es, die Maria Gleich ihr ganzes Berufsleben über genossen hat und die sie selbst auch ausmachten: Stricknadeln gehörten da ebenso dazu wie der Werkzeugkasten. Wenn Maria Gleich nach ihrem derzeitigen Urlaub zum Monatsende in den Ruhestand wechseln wird, bleibe eine zwar andere, aber „vielfältige Arbeit“, sagt Maria Gleich. Sie werde ihr Haus in Föhlschmitten richten, viel radeln, viel walken: „Ich möchte all‘ die Sachen machen, die ich bislang nur am Rande machen konnte und wofür ich mir immer Zeit stehlen musste.“Ganz wird sie ihrem Kindergarten aber nicht Ade sagen: „Ich werde noch Krankheitsvertretungen machen.“Maria Gleichs offizieller Abschied fand coronabedingt im „kleinen Rahmen“und in jeder Gruppe separat statt: „Die Kinder hatten kleine Sprüchle für mich, die Kolleginnen ein Kaspertheater.“Bereut hat sie ihre Berufswahl nie: „Ich bin immer gerne arbeiten gegangen. Es war einfach mein Kindergarten.“
Die Leitung wurde bereits zum 1. September auf Tanja Heumos übertragen. Sie habe da ein „gutes Gefühl“, sagt Maria Gleich: „Wichtig ist auch, dass man ein gutes Team hat, gemeinsam am selben Strang zieht. Dann kann man viel bewirken. In Niederwangen spürt man, dass das so ist.“Nicht umsonst lautet schließlich auch das Kindergarten-Motto: „Hier kann ich mich wohlfühlen.“