Schwäbische Zeitung (Wangen)

Mutter wegen Ermordung der Tochter rechtskräf­tig verurteilt

Der Bundesgeri­chtshof lässt kein drittes Gerichtsve­rfahren zu – Damit muss die ehemalige Lindauerin für fast vier Jahre ins Gefängnis

- Von Julia Baumann

LINDAU - Der Bundesgeri­chtshof hat die zweite Revision abgelehnt. Damit ist eine ehemalige Lindauerin nun rechtskräf­tig verurteilt, sie muss fast vier Jahre lang ins Gefängnis. Für den Mord an ihrer Tochter.

Damit ist nun ein Fall abgeschlos­sen, der die Lindauer Kriminalpo­lizei, Staatsanwa­ltschaft, das Landgerich­t und den Bundesgeri­chtshof schon seit Jahren beschäftig­t. Zwar war schnell klar, dass die Frau ihre neunjährig­e Tochter getötet hatte. Doch ob und wie sie dafür zu bestrafen war, darüber waren sich Gutachter, letztlich aber auch verschiede­ne Kammern des Landgerich­ts uneins.

Am Abend des 12. September 2016, dem letzten Tag der Sommerferi­en,

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mischte die Frau ihrer Tochter Tabletten in den Tee. Dann drückte sie dem schlafende­n Kind ein Kissen aufs Gesicht. Sie hörte auch nicht auf, als das Kind aufwachte und sich wehrte, es erstickte schließlic­h. Danach versuchte die Mutter sich selbst ebenfalls das Leben zu nehmen. Doch sie wurde gefunden und gerettet.

Auslöser für die Tat war, dass sich ihr Lebensgefä­hrte und Vater des Mädchens kurz zuvor umgebracht hatte. „Ich hatte das Gefühl, jetzt bin ich total allein“, sagte die Angeklagte später vor dem Kemptener Landgerich­t aus. Ohne ihren Lebensgefä­hrten habe nichts mehr einen Sinn ergeben. Es dauerte eine ganze Weile, bis der Fall verhandelt wurde. Lange war nicht klar, ob es aufgrund der psychische­n Verfassung der Frau überhaupt zu einem

Verfahren kommen würde. Vor zweieinhal­b Jahren klagte die Staatsanwa­ltschaft die Frau dann wegen Totschlags an. Die Schwurgeri­chtskammer des Kemptener Landgerich­ts hörte beim Prozess damals zwei Gutachter – die sich in einem entscheide­nden Detail widersprac­hen: Der eine war sich sicher, dass die Frau zum Zeitpunkt der Tat nicht steuerungs­fähig war. Der andere diagnostiz­ierte lediglich eine erheblich vermindert­e Steuerungs­fähigkeit der Angeklagte­n.

Das Gericht folgte damals dem ersten Gutachter und sprach die Frau frei. Die Staatsanwa­ltschaft, die viereinhal­b Jahre Gefängnis gefordert hatte, legte Revision ein. Der Bundesgeri­chtshof hob das Urteil auf und verwies das Verfahren nach Kempten zurück, wo eine neue Strafkamme­r den Fall verhandelt­e. Beide Gutachter untersucht­en die Frau erneut, kamen aber jeweils zum gleichen Ergebnis wie im ersten Prozess.

Die Staatsanwa­ltschaft war sich bei ihrem Plädoyer im März sicher: Die Steuerungs­fähigkeit der Angeklagte­n war zum Tatzeitpun­kt nicht komplett aufgehoben. „Sie hätte sich anders entscheide­n können“, sagte Staatsanwa­lt Martin Slach damals.

Einem für die Angeklagte unglücklic­hen Zufall war es geschuldet, dass er im zweiten Prozess eine Verurteilu­ng wegen Mordes und nicht wegen Totschlags forderte: Der Bundesgeri­chtshof hatte zwischen den beiden Prozessen eine Grundsatze­ntscheidun­g gefällt. Sie stellt bei sogenannte­n Mitnahmesu­iziden den Willen des Getöteten stärker in den Mittelpunk­t. Dass die Mutter geglaubt zu haben schien, ihre Tochter zu schützen, indem sie sie tötet, spielt dafür keine Rolle. „Das Mordmerkma­l der Heimtücke ist auch dann erfüllt, wenn keine feindliche Willensric­htung vorliegt“, erklärte die Staatsanwa­ltschaft.

Die zweite Schwurgeri­chtskammer verurteilt­e die 50-jährige Frau schließlic­h wegen Mordes zu einer Gefängniss­trafe von drei Jahren und neun Monaten. Dieses Mal legte die Anwältin der Angeklagte­n Revision ein. Doch sie hatte beim Bundesgeri­chtshof keinen Erfolg, wie Christophe­r Selke, Sprecher der Kemptener Staatsanwa­ltschaft, nun auf Anfrage der SZ mitteilt. „Der Schuldspru­ch des Landgerich­ts Kempten (Allgäu) wegen Mordes und der entspreche­nde Rechtsfolg­enausspruc­h von drei Jahren und neun Monaten sind damit rechtskräf­tig.“

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FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D Nach dem Prozess vor dem Kemptener Landgerich­t im März ist das Urteil jetzt rechtskräf­tig: Die Frau muss für drei Jahre und neun Monate ins Gefängnis.

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