Schwäbische Zeitung (Wangen)

Es braucht harte Debatten

- Von Katja Korf k.korf@schwaebisc­he.de

Die Kanzlerin macht Vorgaben, die Bundesländ­er folgen. Für ein Wirtshaus in Biberach gilt ab Montag dasselbe wie in Berlin, auch wenn die Infektions­zahlen sich erheblich unterschei­den. Damit sind selbst entschiede­ne Verfechter des Föderalism­us wie Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) vom Prinzip abgewichen, möglichst regionale Lösungen zu finden.

Katalysato­r dafür sind die Vorzeichen. Die täglichen Infektions­zahlen könnten sich ohne Eingriff bis kommende Woche verdoppeln. Intensivme­diziner warnen, die Lage auf den Stationen sei jetzt angespannt­er als im Frühjahr, trotz regionaler Unterschie­de. Es gebe zwar mehr Betten und Beatmungsg­eräte, aber nicht mehr Personal. Die Kontaktver­folgung gelingt selbst in bislang weniger stark betroffene­n Regionen wie Südwürttem­berg zum Teil nur noch mit Hilfe der Bundeswehr. Das einheitlic­he Vorgehen muss daher nicht falsch sein. Noch gut zu hören sind die Kritiker, die zuvor vor einem „Flickentep­pich“an Regeln warnten.

Doch das darf nicht zu einem Durchregie­ren aus Berlin führen. Es schlägt die Stunde der Parlamente. Ihre ureigenste Aufgabe als Ort der Debatte. An Fakten orientiert­es Handeln muss die Regierung dort erklären – und im Zweifel korrigiere­n. Ein Beispiel: die Debatte um Beherbergu­ngsverbote. Selbst die meisten Infektiolo­gen zweifelten an ihrem Sinn, sie sorgten für Unsicherhe­it und Ärger. Gut begründete­s Regierungs­handeln sieht anders aus.

Gleichzeit­ig illustrier­t der Fall, dass der Rechtsstaa­t funktionie­rt. Gerichte kippten die Verbote, weil sie unverhältn­ismäßig schienen. Wir leben also mitnichten in einer „Corona-Diktatur“, von der Zündler bereits schwadroni­eren.

Doch die Bereitscha­ft, der Regierung zu folgen, sinkt. Der erste Lockdown hat den zweiten nicht verhindert, Betriebe werden pleite gehen. Darum braucht es harte Debatten um den richtigen Weg – und diese gehören in die Parlamente.

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