Harter Einschnitt, schnelle Hilfe
Finanzminister kündigt unbürokratische Vergabe der Corona-Überbrückungshilfen an
BERLIN - Die Regierung will die wirtschaftlichen Folgen des Wellenbrecher-Lockdowns durch besonders großzügig bemessene Hilfen „zielgenau“ausgleichen. „Die Fokussierung auf bestimmte Branchen hilft uns, das zu stemmen“, sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch in Berlin. Da diesmal nur eine begrenzte Zahl von Branchen betroffen sei, könne die Regierung die betreffenden Unternehmen und Selbstständigen die Ausfälle mit „massiven“Zahlungen und unbürokratisch ausgleichen. Insgesamt will er mit den neuen Instrumenten zehn Milliarden Euro in die Wirtschaft pumpen.
Die Mittel sollen möglichst schnell verfügbar sein, beteuerte der Finanzminister – ohne ein konkretes Datum nennen zu können. Abweichend von der bisherigen Praxis will die Regierung diesmal einen Großteil des Umsatzes ausgleichen, der den Unternehmern durch die Einschränkungen entgeht. Dazu wollen die Behörden sich künftig an den Einnahmen des gleichen Monats im Vorjahr orientieren. Da die Beschränkungen zunächst nur für den November gelten, soll also der Umsatz von November 2019 die Grundlage für die Zahlung sein. Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern erhalten 75 Prozent des Vorjahresumsatzes, größere Firmen können mit 70 Prozent rechnen.
Der Umsatz sei die Bezugsgröße geworden, weil er den Finanzämtern bereits bekannt sei, sagte Scholz. Sowohl Firmen als auch Selbstständige melden laufend ihre Umsatzsteuer an die Behörden, sodass sich dieser Wert dort abfragen lässt. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) räumte ein, dass der Umsatz als Maßstab ebenfalls Schwächen hat – schließlich ziehen die Unternehmen unterschiedliche hohe Gewinne aus ihren Brutto-Einnahmen. Es sei aber darum gegangen, auf die Schnelle einen brauchbaren Richtwert zu bestimmen. „Der Umsatz ist eine Grundlage für die Hilfen, der unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten einfach nachvollziehbar ist.“
Solo-Selbstständige mit stark schwankendem Einkommen wie Musiker oder Fotografen können auch den Durchschnitt mehrerer Monate für die Hilfen zugrunde legen lassen. Für Restaurants gilt generell der November als Anhaltspunkt, weil sich die Umsätze je Saison unterscheiden. Falls ein Geschäft im vergangenen Jahr noch gar nicht eröffnet war, lässt sich aushilfsweise auch dieser Oktober zugrunde legen. Unternehmen, die zwar nicht direkt von den Einschränkungen betroffen sind, dafür aber indirekt, sollen bei entsprechender Begründung ebenfalls einen Antrag stellen können. Das könnten etwa Reinigungsbetriebe sein oder Zulieferer für die Gastronomie.
Die Minister Scholz und Altmaier halten das Paket insgesamt für ausreichend groß bemessen, um trotz der Einschränkungen ein Durchsacken der Konjunktur im November zu verhindern. Die zehn Milliarden überträfen die Umsätze der Branchen, denen jetzt die Einschränkungen gelten. Es sollte also genug Geld vorhanden sein, um einen Konjunktureinbruch zu verhindern. Die Politiker von SPD und CDU verweisen zudem auf weitere Unterschiede zu den Kontaktbeschränkungen im März. Damals hätten auch die Läden schließen müssen; zudem hätten wegen Grenzschließungen viele Fabriken ihre Arbeit einstellen müssen. Damals sei die Wirtschaft fast zum Stillstand gekommen, während heute nur die Gastronomie, die Veranstaltungen und die Kultur betroffen seien.
Die Erstattung des Umsatzes greift eine oft wiederholte Forderung der Veranstaltungsbranche und der einzeln arbeitenden Selbstständigen auf. Diese hatten beklagt, dass die bisherigen Hilfen zwar allerlei Kosten ersetzen – die „Eigenleistung“, die die Unternehmer erwirtschaften, aber nicht. Ein selbstständiger Tänzer, Fotograf oder Musiker, der keine Mitarbeiter beschäftigt, kein Büro mietet und bei dem allenfalls Fahrtkosten anfallen, behält die – oft geringen – Einnahmen von seinen Auftraggebern meist komplett als sein persönliches Einkommen. Gerade solche Erwerbstätige standen jedoch wegen der Kontaktbeschränkungen vor dem Ruin. Im Rahmen der Umsatzerstattung erhalten sie nun drei Viertel der Vorjahreseinnahmen vom Staat ausgezahlt.
Das Geld für die am Donnerstag angekündigte Nothilfe soll aus dem Topf für Überbrückungshilfen stammen. Von den dafür vorgesehenen 25 Milliarden Euro wurden bislang erst rund 1,5 Milliarden Euro abgerufen.
Im gleichen Zug lässt Altmaier auch den „Schnellkredit“der KfW auf notleidende Kleinunternehmen ausweiten. Bisher konnten nur Firmen mit mehr als elf Mitarbeitern diese Geldspritze beantragen. Jetzt ist das auch für Betriebe mit weniger Angestellten möglich. „So stellen wir ebenfalls Liquidität zur Verfügung.“