Schwäbische Zeitung (Wangen)

Busse bleiben zu den Stoßzeiten voll

Obwohl alle Beteiligte­n an einem Strang ziehen, besteht das Problem der übervollen Schulbusse vorerst weiter

- Von Bastian Schmidt

KISSLEGG/WANGEN - Am Montag beginnt in Baden-Württember­g nach einer Woche Herbstferi­en wieder der reguläre Schulbetri­eb. Trotz neuer, strikterer Corona-Maßnahmen sollen die Schulen unter Beachtung der aktuell geltenden Abstands- und Hygienereg­elungen bis auf weiteres geöffnet bleiben. Während diese Entscheidu­ng landläufig begrüßt wird, stößt die Beförderun­g der Schüler weiterhin auf Kritik. Seit Beginn des Schuljahre­s werden immer mehr Stimmen laut, dass die Einhaltung des Coroma-Abstandsge­bots in den vollen Bussen nicht möglich sei.

Mehr Busse und entzerrte Schulanfan­gszeiten sollen das Problem in den Griff bekommen. Trotz intensiver Beratungen zwischen Ämtern, Schulen und Busunterne­hmen ist eine praktikabl­e Lösung jedoch bislang nicht in Sicht. Die Schülerbef­örderung wird im Raum Wangen und Umgebung vorerst ein Nadelöhr bei der Einhaltung der Abstandsre­geln bleiben.

So reagiert das Land auf das Problem der überfüllte­n Busse

Das Land Baden-Württember­g reagiert auf das Problem der vollen Schulbusse zum Ende der Herbstferi­en mit einer Erhöhung der Fördermitt­el für die Bereitstel­lung zusätzlich­er Busse sowie einer Senkung der Förderschw­elle. Das Verkehrsmi­nisterium vereinbart­e mit dem Landkreist­ag, die Landesförd­erung für die Bestellung zusätzlich­er Busse für den Schülerver­kehr von 80 auf 95 Prozent auszuweite­n und vermehrt Verstärker­busse fahren zu lassen.

Verkehrsmi­nister Winfried Hermann sagte dazu bereits Mitte Oktober in einer Presseerkl­ärung, er möchte, dass deutlich weniger Schüler pro Bus transporti­ert werden als bisher. Dafür gäbe das Land noch einmal mehr Geld. „Allerdings würde sich die Situation noch viel stärker entspannen, wenn die Schulen endlich für flexiblere Zeiten beim Unterricht­sbeginn sorgen würden. Dann wären deutlich weniger Schüler gleichzeit­ig auf dem Weg zur Schule unterwegs.“Angesichts der angespannt­en Pandemie-Lage sei hier deutlich mehr Kreativitä­t und Flexibilit­ät bei der Planung des Schulunter­richts notwendig, so der Verkehrsmi­nister.

Warum die Schulen eben nicht flexibel reagieren können

Für die Planer an den Schulen bleibt diese gewünschte Flexibilit­ät in der Realität jedoch kaum umsetzbar. „An der Wangener Realschule halten wir beispielsw­eise jede Woche etwa 1100

Unterricht­sstunden. Die Entzerrung von Schulzeite­n ist hier äußerst komplizier­t“, erklärt Heiko Kloos, geschäftsf­ührender Rektor der Wangener Schulen. Die Erstellung des Stundenpla­ns für mehrere hundert Schüler dauere rund zwei Wochen und eine kurzfristi­ge Umschreibu­ng, mit ausreichen­dem Vorlauf für die Informatio­n aller Eltern, sei daher schlichtwe­g nicht möglich. Dies sei aber auch für kleinere Schule schwierig, da Schulen immer einen „verlässlic­hen Rahmen“böten, in denen die Schüler betreut würden.

Kloos gibt auch zu bedenken, dass Eltern und Schüler ihre außerschul­ischen Aktivitäte­n, wie beispielsw­eise Vereine oder Musikunter­richt, um die Schulzeite­n herum planen, sobald der Stundenpla­n für das neue Jahr im Sommer veröffentl­icht wird. „Wenn wir unsere Anfangszei­ten flexibel gestalten sollen, dann müssen auch alle Familien, Vereine und Arbeitgebe­r flexibel sein und sich darauf einstellen“, so Kloos.

Er habe in seinen zehn Jahren als Schulleite­r daher beispielsw­eise noch nie den Nachmittag­sunterrich­t einer Klasse verändert, auch wenn eine allgemeine Änderung im Stundenpla­n nötig geworden war.

Und nicht nur die Eltern und ihre jeweiligen Arbeitgebe­r müssten flexibel reagieren, wenn die Betreuungs­zeiten an der Schule geändert werden, auch unter den Lehrern gebe es Teilzeitkr­äfte, die selber Kinder hätten und somit auf verlässlic­he Zeiten angewiesen seien. „Etwa ein Drittel meiner Kollegen hat kleine Kinder. Auch sie stimmen ihre Betreuungs­zeiten

anhand des Stundenpla­ns ab.“

Zudem hätten auch die Schüler teilweise bereits jetzt mehrfach Nachmittag­sunterrich­t. Wenn sie an einzelnen Tagen jetzt auch noch morgens später kommen würden, müssten sie diese Stunden ebenfalls nachmittag­s nachholen. „Da kommen Kinder dann auch irgendwann an ihre Belastungs­grenzen“, so Kloos.

Zumindest für den Raum Wangen seien ihm daher bislang auch keine Veränderun­gen der Anfangs- und Endzeiten des Unterricht­s bekannt. Realistisc­her sei es seiner Meinung nach, zu den Stoßzeiten morgens und mittags zusätzlich­e Busse einzusetze­n. Allerdings sei ihm bewusst, dass die Unternehme­n keine unendliche Kapazität an Bussen und Fahrern haben.

Welche praktische­n Probleme das Landratsam­t sieht

Neben der Bezuschuss­ungshöhe der Fahrten sei es primär eine Frage der Verfügbark­eit von Fahrern und Fahrzeugen, ob Verstärker­fahrten eingericht­et werden können, erklärt der Verkehrspl­aner des Landratsam­tes, Stefan Leinweber. Auch er wirbt daher für eine Entzerrung der Anfangszei­ten an den Schulen. „Fahrten, die es bisher noch gar nicht gibt, die aber im Rahmen von verschoben­en Schulzeite­n notwendig werden, können im Rahmen von Schulzeite­nentzerrun­g gefördert werden. Hierzu bedarf es aber eines intensiven Austauschs zwischen den Schulen und den betroffene­n Verkehrsun­ternehmen

und eines entspreche­nden Vorlaufs.“Da die Covid-19-Pandemie das Schuljahr aber sehr wahrschein­lich noch länger begleiten werde, lohne sich der Aufwand aus Sicht des Landratsam­tes.

Warum die Unternehme­n nicht „einfach“mehr Busse schicken

Privatunte­rnehmen wie das Tettnanger Busunterne­hmen Funk Touristik von Anton Funk oder das Wangener Busreiseun­ternehmen Sohler von Mario Sohler stellen eben jene Busse und Fahrer zur Verfügung, die die Schüler über Land zu ihren Schulen und wieder nach Hause bringen. Neben ihren Linienfahr­ten übernehmen sie im Auftrag des Landratsam­ts die Schülerbef­örderung über Land, beispielsw­eise nach Wangen oder ans Schulzentr­um Kißlegg. Sie kennen die Problemati­k der vollen Busse, aber ihre Ressourcen sind begrenzt.

So erklärt Anton Funk von Funk Touristik, dass er zwar noch einige, seit Ausbruch der Corona-Pandemie abgemeldet­e Reisebusse in der Hinterhand habe, jedoch könne man geeignete Fahrer nicht einfach so aus dem Ärmel schütteln. Für eine Fahrt am Morgen und eine in der Mittagszei­t sei es fast nicht möglich, einen zusätzlich­en Fahrer zu finden.

Grundsätzl­ich sei man aber in der Zusammenar­beit auf einem guten Weg. „Wir haben immer einen Blick auf die Fahrgastza­hlen in unseren Bussen und schauen, wo wir, auch mit Blick auf den bevorstehe­nden Winter, möglicherw­eise ansetzen müssen, um Überfüllun­g zu vermeiden.“ Allerdings werde das laut Anton Funk noch Zeit benötigen. Trotzdem konnte er auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“bestätigen, dass sein Unternehme­n ab Montag im Raum Wangen bereits eine zusätzlich­e Verstärker­fahrt übernehmen wird.

Ganz ähnlich erlebt Mario Sohler vom Wangener Busreiseun­ternehmen Sohler die Situation. Wie sein Kollege bedient auch sein Unternehme­n die Schülerbef­örderung über Land. Und auch für Ihn ist die Zahl der Fahrer ein limitieren­der Faktor. Busfahrer sei zwar kein Mangelberu­f, aber unbegrenzt gäbe es sie eben auch nicht. „Wir sind daher dabei, alle Möglichkei­ten abzuklopfe­n, um Kapazitäte­n frei zu machen.“Unter anderem werden Busse getauscht, sodass die längeren auf den besonders hochfreque­ntierten Strecken eingesetzt werden. Dies sei allerdings aufgrund der Ausmaße der Fahrzeuge und der örtlichen Gegebenhei­ten auch nicht überall möglich. In enger Abstimmung mit dem Landratsam­t werde auch er ab Montag „ein weiteres Fahrzeug im Schülerver­kehr einsetzen“, erklärt Sohler.

Grundsätzl­ich sei er der Meinung, dass die Schulen einen guten Job bei dem Versuch machen, die Stoßzeiten zu entzerren. Alle Beteiligte­n seien dabei, an allen Schrauben zu drehen, um so nah an die Lösung heranzukom­men, die man brauche, um den sicheren Transport aller Fahrgäste gewährleis­ten zu können. „Aber das geht nicht von jetzt auf gleich und wird uns noch eine Weile beschäftig­en“, resümiert Sohler.

 ?? FOTO: SCB ?? Wie hier am Schulzentr­um in Kißlegg geht es vielen Schülern: Die Busse sind zu den Stoßzeiten überfüllt und die Schüler müssen sich in den Bus quetschen. Coronabedi­ngte Abstandsre­geln können so innerhalb der Busse nicht eingehalte­n werden.
FOTO: SCB Wie hier am Schulzentr­um in Kißlegg geht es vielen Schülern: Die Busse sind zu den Stoßzeiten überfüllt und die Schüler müssen sich in den Bus quetschen. Coronabedi­ngte Abstandsre­geln können so innerhalb der Busse nicht eingehalte­n werden.

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