Schwäbische Zeitung (Wangen)

Mann muss für weitere 18 Monate hinter Gittern

Wangener Amtsrichte­r verurteilt ihn wegen Diebstahl, Bedrohung und Betrug zu einer Haftverlän­gerung

- Von Claudia Bischofber­ger

WANGEN - Ein Mann, der bereits in der Justizvoll­zugsanstal­t Ravensburg einsitzt, ist bei einer Verhandlun­g in Deuchelrie­d seiner zahlreich begangenen Delikte vom Wangener Amtsrichte­r und den beiden Schöffen zu einer Haftverlän­gerung von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden.

Vor dem Dorfgemein­schaftshau­s in Deuchelrie­d parkt das blaue Auto der Justiz. Im großen Saal sitzt ein Mann mit klirrenden Ketten an den Beinen, bewacht von zwei Beamten. Die Liste der vorzulesen­den Anklagepun­kte durch den Staatsanwa­lt ist lang. Der Richter nimmt sich zuerst den Vorwurf des Einbruchs und Diebstahls in eine Gaststätte in Fronwiesen vor. Dort soll der Angeklagte gemeinsam mit einem Komplizen mit einem Stein eine Fenstersch­eibe eingeschla­gen haben, um sich Zugang ins Gebäude zu verschaffe­n. Mithilfe einer Obstkiste kletterten die beiden dann in den Gastraum. Dort sollen sie sich dann an den gelagerten Lebensmitt­eln und Spirituose­n bedient haben. Darüber hinaus ließen die Eindringli­nge

noch zwei Laptops und ein Handy mitgehen.

Der Angeklagte gibt den Vorwurf in vollem Umfang zu. „Wir waren besoffen und sind da zufällig vorbei gekommen“, sagt er dazu. Die Tat habe aus reiner Dummheit ihren Lauf genommen und sei nicht geplant gewesen, erklärt der Mann dem Richter und den Schöffen. Bei einem anderen Einbruch in einen Keller habe er nur draußen gewartet, bis sein Kumpel dort einige Flaschen Wein mitlaufen ließ. Dieser war zur Verhandlun­g als Zeuge geladen, ist aber nicht erschienen.

Ein weiterer Vorwurf besteht darin, dass der Angeklagte seiner damaligen Freundin und zugleich Mutter der gemeinsame­n Tochter über das Telefon eine Morddrohun­g ausgestoße­n haben soll, als diese ihm mitteilte, dass sie sich von ihm trennen werde und sich bereits im Frauenhaus befinde. „Wenn du nach Wangen kommst, töte ich Dich mit einem Messer“, soll er gesagt haben, wie die Frau vor zwei Jahren zu Protokoll gegeben habe. Nun sitzt sie im Zeugenstan­d und kann sich an den genauen Wortlaut der Drohung nicht mehr genau erinnern. „Haben Sie die Drohung ernst genommen“, will der Richter wissen. „Dass er es wahr macht, nicht, aber Angst hatte ich schon“, ist die Antwort der Zeugin. Ins Frauenhaus sei sie damals aber gegangen, weil sie Angst hatte. Bereits einmal zuvor habe er sie gewürgt. Der Angeklagte beteuert die Äußerung aus reiner Verzweiflu­ng von sich gegeben zu haben, weil sie ihn verlassen hatte.

Schon die Kindheit des Mannes auf der Anklageban­k gestaltete sich problemati­sch. Bereits mit sechs Jahren sei er wegen Verhaltens­auffälligk­eiten in ein Heim für schwer erziehbare Kinder gekommen und habe seine Familie nur am Wochenende sehen können. Von seinen zwei Halbgeschw­istern hänge einer an der Nadel. Ohne Ausbildung machte er immer wieder Gelegenhei­tsarbeiten, während eines Haftaufent­halts vor drei Jahren wurde er obdachlos.

Die derzeitige Haftstrafe nahm ihren Anfang einen Tag vor Weihnachte­n im Jahr 2019 und geht voraussich­tlich bis Mai 2021. In der aktuellen Verhandlun­g wird dem 35 Jahre alten Mann noch vorgeworfe­n, dass er einer jungen Frau, die damals noch minderjähr­ig war, zwei Gramm Marihuana veräußert haben soll. Die Betroffene, die bei der Verhandlun­g auch im Zeugenstan­d sitzt, kann sich nicht mehr erinnern, ob sie ihr Alter genannt hat, aber der Angeklagte habe auch nicht gefragt.

Erschleich­en von Leistungen unter Vorspiegel­ung falscher Tatsachen, kurz Betrug, war ein weiterer Anklagepun­kt. Dabei habe sich der Mann des Öfteren in Hotels, hauptsächl­ich im Raum Isny, eingemiete­t, dort gefrühstüc­kt und sich ohne Bezahlung davon gemacht. Im Bundeszent­ralregiste­r (Stand: 26. August 2020) befinden sich 22 Einträge, die ihren Anfang bereits im Jugendalte­r des Angeklagte­n nehmen.

Diese „hohe Rückfallge­schwindigk­eit“wertet auch der Staatsanwa­lt bei seiner Beurteilun­g des Strafmaßes. „Sie machen eigentlich einen anständige­n Eindruck“, spricht er zugunsten des Verurteilt­en. Weitere Pluspunkte sind aus der Sicht des Staatsanwa­lts das umfassende Geständnis und die schwierige Lebenssitu­ation des Mannes zum Zeitpunkt der Taten. Aber eine Freiheitss­trafe mit Bewährung kommt für ihn auch aufgrund der schlechten Sozialprog­nose nicht in Frage. Daher plädiert die Staatsanwa­ltschaft auf zwei Jahre und zwei Monate. Die Verteidigu­ng sieht das mit der Bewährung genauso, jedoch hält der Anwalt ein Jahr und sechs Monate für angemessen.

Vor der Urteilsfin­dung von Richter und Schöffen beschreibt der Angeklagte einmal mehr, welche Tortur das Gefängnis für ihn bedeute. Er habe sich schon lange in seine Zelle zurückgezo­gen und verlasse diese nicht mehr. Er werde gemobbt und wolle keine Kontakte mehr. Zudem wolle er seine Tochter endlich wieder außerhalb der Gefängnism­auern sehen. Bereits zwei Suizidvers­uche habe er schon hinter sich. „Im Gefängnis habe ich schon wieder Angst- und Panikattac­ken und Selbstmord­gedanken“, sagt er abschließe­nd.

Richter und Schöffen sind sich ebenso einig wie Verteidige­r und Staatsanwa­lt, dass eine Bewährung nicht in Frage kommt. Ein Jahr und sechs Monate weitere Haft hält das Gericht für angemessen in Tat und Schuld. Eine Summe von rund 650 Euro soll der Angeklagte an die geschädigt­en Hotels entrichten.

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