Mann muss für weitere 18 Monate hinter Gittern
Wangener Amtsrichter verurteilt ihn wegen Diebstahl, Bedrohung und Betrug zu einer Haftverlängerung
WANGEN - Ein Mann, der bereits in der Justizvollzugsanstalt Ravensburg einsitzt, ist bei einer Verhandlung in Deuchelried seiner zahlreich begangenen Delikte vom Wangener Amtsrichter und den beiden Schöffen zu einer Haftverlängerung von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden.
Vor dem Dorfgemeinschaftshaus in Deuchelried parkt das blaue Auto der Justiz. Im großen Saal sitzt ein Mann mit klirrenden Ketten an den Beinen, bewacht von zwei Beamten. Die Liste der vorzulesenden Anklagepunkte durch den Staatsanwalt ist lang. Der Richter nimmt sich zuerst den Vorwurf des Einbruchs und Diebstahls in eine Gaststätte in Fronwiesen vor. Dort soll der Angeklagte gemeinsam mit einem Komplizen mit einem Stein eine Fensterscheibe eingeschlagen haben, um sich Zugang ins Gebäude zu verschaffen. Mithilfe einer Obstkiste kletterten die beiden dann in den Gastraum. Dort sollen sie sich dann an den gelagerten Lebensmitteln und Spirituosen bedient haben. Darüber hinaus ließen die Eindringlinge
noch zwei Laptops und ein Handy mitgehen.
Der Angeklagte gibt den Vorwurf in vollem Umfang zu. „Wir waren besoffen und sind da zufällig vorbei gekommen“, sagt er dazu. Die Tat habe aus reiner Dummheit ihren Lauf genommen und sei nicht geplant gewesen, erklärt der Mann dem Richter und den Schöffen. Bei einem anderen Einbruch in einen Keller habe er nur draußen gewartet, bis sein Kumpel dort einige Flaschen Wein mitlaufen ließ. Dieser war zur Verhandlung als Zeuge geladen, ist aber nicht erschienen.
Ein weiterer Vorwurf besteht darin, dass der Angeklagte seiner damaligen Freundin und zugleich Mutter der gemeinsamen Tochter über das Telefon eine Morddrohung ausgestoßen haben soll, als diese ihm mitteilte, dass sie sich von ihm trennen werde und sich bereits im Frauenhaus befinde. „Wenn du nach Wangen kommst, töte ich Dich mit einem Messer“, soll er gesagt haben, wie die Frau vor zwei Jahren zu Protokoll gegeben habe. Nun sitzt sie im Zeugenstand und kann sich an den genauen Wortlaut der Drohung nicht mehr genau erinnern. „Haben Sie die Drohung ernst genommen“, will der Richter wissen. „Dass er es wahr macht, nicht, aber Angst hatte ich schon“, ist die Antwort der Zeugin. Ins Frauenhaus sei sie damals aber gegangen, weil sie Angst hatte. Bereits einmal zuvor habe er sie gewürgt. Der Angeklagte beteuert die Äußerung aus reiner Verzweiflung von sich gegeben zu haben, weil sie ihn verlassen hatte.
Schon die Kindheit des Mannes auf der Anklagebank gestaltete sich problematisch. Bereits mit sechs Jahren sei er wegen Verhaltensauffälligkeiten in ein Heim für schwer erziehbare Kinder gekommen und habe seine Familie nur am Wochenende sehen können. Von seinen zwei Halbgeschwistern hänge einer an der Nadel. Ohne Ausbildung machte er immer wieder Gelegenheitsarbeiten, während eines Haftaufenthalts vor drei Jahren wurde er obdachlos.
Die derzeitige Haftstrafe nahm ihren Anfang einen Tag vor Weihnachten im Jahr 2019 und geht voraussichtlich bis Mai 2021. In der aktuellen Verhandlung wird dem 35 Jahre alten Mann noch vorgeworfen, dass er einer jungen Frau, die damals noch minderjährig war, zwei Gramm Marihuana veräußert haben soll. Die Betroffene, die bei der Verhandlung auch im Zeugenstand sitzt, kann sich nicht mehr erinnern, ob sie ihr Alter genannt hat, aber der Angeklagte habe auch nicht gefragt.
Erschleichen von Leistungen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen, kurz Betrug, war ein weiterer Anklagepunkt. Dabei habe sich der Mann des Öfteren in Hotels, hauptsächlich im Raum Isny, eingemietet, dort gefrühstückt und sich ohne Bezahlung davon gemacht. Im Bundeszentralregister (Stand: 26. August 2020) befinden sich 22 Einträge, die ihren Anfang bereits im Jugendalter des Angeklagten nehmen.
Diese „hohe Rückfallgeschwindigkeit“wertet auch der Staatsanwalt bei seiner Beurteilung des Strafmaßes. „Sie machen eigentlich einen anständigen Eindruck“, spricht er zugunsten des Verurteilten. Weitere Pluspunkte sind aus der Sicht des Staatsanwalts das umfassende Geständnis und die schwierige Lebenssituation des Mannes zum Zeitpunkt der Taten. Aber eine Freiheitsstrafe mit Bewährung kommt für ihn auch aufgrund der schlechten Sozialprognose nicht in Frage. Daher plädiert die Staatsanwaltschaft auf zwei Jahre und zwei Monate. Die Verteidigung sieht das mit der Bewährung genauso, jedoch hält der Anwalt ein Jahr und sechs Monate für angemessen.
Vor der Urteilsfindung von Richter und Schöffen beschreibt der Angeklagte einmal mehr, welche Tortur das Gefängnis für ihn bedeute. Er habe sich schon lange in seine Zelle zurückgezogen und verlasse diese nicht mehr. Er werde gemobbt und wolle keine Kontakte mehr. Zudem wolle er seine Tochter endlich wieder außerhalb der Gefängnismauern sehen. Bereits zwei Suizidversuche habe er schon hinter sich. „Im Gefängnis habe ich schon wieder Angst- und Panikattacken und Selbstmordgedanken“, sagt er abschließend.
Richter und Schöffen sind sich ebenso einig wie Verteidiger und Staatsanwalt, dass eine Bewährung nicht in Frage kommt. Ein Jahr und sechs Monate weitere Haft hält das Gericht für angemessen in Tat und Schuld. Eine Summe von rund 650 Euro soll der Angeklagte an die geschädigten Hotels entrichten.