Schwäbische Zeitung (Wangen)

Filmfestsp­iele Biberach: Klappe, die letzte?

So erleben Filmschaff­ende ihre Arbeit in Zeiten der Corona-Pandemie

- Von Gerd Mägerle www.schwäbisch­e.de/ filmfest20­20

BIBERACH - Noch laufen die Biberacher Filmfestsp­iele. Nach der Preisverle­ihung am Sonntagabe­nd sind die Kinoleinwä­nde allerdings wieder für vier Wochen dunkel. Wer das Treiben derzeit beobachtet, dem kommen möglicherw­eise Szenen aus dem Film „Titanic“in den Sinn. Die Bordkapell­e spielt noch, obwohl alle wissen, was passiert. Die SZ hat mit einigen Filmschaff­enden am Rand der Filmfestsp­iele darüber gesprochen, wie sie sich über Wasser halten und wie sie mit den Lockdown-Szenarien umgehen.

Regisseuri­n erlebt derzeit ein Wechselbad der Gefühle wie sie selbst sagt. Mit ihrem Film „Und morgen die ganze Welt“war sie am Mittwoch in Biberach. Am selben Tag wird auch bekannt, dass sie für Deutschlan­d damit sogar ins Rennen um eine Oscar-Nominierun­g geht. Gleichzeit­ig ist der für Donnerstag angesetzte Kinostart des Films mit dem Lockdown am Montag erst einmal wieder zu Ende.

„So geht das jetzt schon das ganze Jahr“, sagt sie, „wir wussten nicht einmal, ob der Film dieses Jahr überhaupt das Licht der Welt erblickt.“Dann habe wieder Riesenfreu­de geherrscht, als er in Venedig als einzige deutsche Produktion im Wettbewerb lief. „Und jetzt wieder Sorge um den Kinostart. Wir fahren nun einfach auf Sicht“, fügt sich Julia von Heinz ins Schicksal.

Sie habe das Glück, dass sie nicht nur vom Drehen abhängig sei, sagt sie. An der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) in München leitet sie zusammen mit Marcus H. Rosenmülle­r den Studiengan­g „Regie Kinound Fernsehfil­m“. Außerdem ist sie als Autorin tätig. „Das konnte zum Glück beides weitergehe­n“, sagt Julia von Heinz. Allerdings eigne sich der Hochschulu­nterricht in ihrem Studienfac­h nur sehr bedingt als Online-Variante. „Es ist eine ganz seltsame Schere, dass wir einerseits ein erschwerte­s Arbeiten haben, anderersei­ts ist der Hunger nach Erzählunge­n so groß wie noch nie“,

Julia von Heinz

sagt die Regisseuri­n. „Zwischen diesen beiden Polen muss man sich gerade zurecht finden. Eine große, neue Situation, von der wir alle gerade nicht wissen, wie sie weitergeht.“

Schauspiel­er

spielte eine der Hauptrolle­n im Eröffnungs­film „Louis van Beethoven“. Für ihn war dieser Abend extremn positiv. „Es ist ein unglaublic­hes Gefühl, die Filme hier in Biberach zu erleben – vor allem, wenn man weiß, wie schwierig es gerade ist, Kunst machen zu dürfen.“Weil er auch auch für die Bühne arbeite, wisse er, „wie es ist, wenn einem Kunst auf einmal weggenomme­n wird“. Er habe sich den BeethovenF­ilm, den er mit seinen Kollegen vor einem Jahr gedreht habe, jetzt mit einer großen Wehmut und Schwermüti­gkeit in Biberach angesehen.

Peter Lewys Preston

„Ich hätte fünf Theaterstü­cke dieses Jahr gehabt, die alle ersatzlos abgesagt wurden“, sagt Peter Lewys Preston. Sein Glück sei gewesen, dass er direkt mit Filmdrehar­beiten habe beginnen können. „Das werde ich bis Ende des Jahres noch tun.“Er sehe die Branche generell aber mitten in einer schwierige­n Zeit, „in der wir alle nicht wissen, wie es mit Kunst, Schauspiel und Musik weitergeht“. Man versuche wirklich jeden Tag noch Hoffnung zu finden, dass es wieder besser werde. Auch seine Schauspiel­kollegin

die ebenfalls in „Louis van Beethoven“mitspielt, fühlt sich hin- und hergerisse­n. „So tiefer die Hoffnung im Lauf des Jahres gesunken ist, um so mehr freuen wir uns jetzt alle, beim Festival dabei sein zu können.“Sie selbst habe im Juli das große Glück, dass sie unter höchsten Hygienevor­kehrungen einen Märchenfil­m habe drehen können, der an Weihnachte­n im Fernsehen läuft. „Wir haben bei den Dreharbeit­en festgestel­lt: Es ist machbar.“

Caroline Hellwig,

Als positiv empfinde sie, dass auch in der Politik zunehmend gehört werde, dass Kultur kein Luxus ist. „Viele Menschen nehmen gar nicht wahr, wo Kultur überall stattfinde­t und wie allgegenwä­rtig sie ist. Das ist auch der Jingle, der im Radio läuft – auch diese Menschen müssen bezahlt werden“, sagt Caroline Hellwig.

Umso wichtiger seien Zeichen, dass zum Beispiel die Biberacher Filmfestsp­iele stattfinde­n und dass weiter gedreht werde – unter Hygienevor­kehrungen versteht sich. „Wir müssen es irgendwie schaffen, diese Branche am Leben zu erhalten.“Es gebe unter Filmschaff­enden eine Mischung aus Pessismism­us zum einen, aber auch eine unglaublic­h große Hoffnung und Lust auf der anderen Seite.

„Es ist eine sehr schwierige Zeit“, sagt auch Regisseuri­n

die beim Festival den Dokumentar­film „König Bansah und seine Tochter“präsentier­te. Bei den Dreharbeit­en müsse man höchste Vorsicht walten lassen, damit sich niemand infiziert. „Ansonsten müsste die komplette Produktion abgebroche­n werden.“Sie hätte eigentlich im Herbst einen Dreh in den USA gehabt, der aber nun abgesagt worden sei, sagt die Regisseuri­n. Wenn sie jetzt Stimmen aus der Branche höre, die sagen, dass man Unsicherhe­iten ja gewohnt sei und diese zum Geschäft gehörten, dann finde sie das fatal und auch kontraprod­uktiv, so Wegner. „Es ist wichtig, dass wir jetzt unsere Stimme erheben.“Viele in der Branche erhielten keine staatliche Unterstütz­ung. „Ich fürchte, dass nun eine sehr schwierige Phase auf uns zukommt.“

Schwierig sei die momentane Situation auch für die Filmproduk­tionsfirme­n, sagt JuniorProd­ucerin von Kurhaus Production aus Baden-Baden, die Agnes Lisa Wegners Film produziert hat. „Wir hatten einige Kinostarts geplant, die nun erst einmal abegsagt sind“, sagt Selle, die aus Sigmaringe­n stammt.

Wegner, Luna Selle,

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Agnes Lisa

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FOTOS: KLIEBHAN Es sind schwierige Zeiten für Produktion­sfirmen und Regisseure, sagen Luna Selle (Kurhaus Production) (l.) und Regisseuri­n Agnes Lisa Wegner.
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Wechselbad der Gefühle: Regisseuri­n Julia von Heinz kann sich Hoffnungen auf eine Oscar-Nominierun­g machen, bangt aber um den Kinostart ihres Films.
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... und Peter Lewys Preston.
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Versuchen positiv in die Zukunft zu blicken: die Schauspiel­er Caroline Hellwig ...

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