Filmfestspiele Biberach: Klappe, die letzte?
So erleben Filmschaffende ihre Arbeit in Zeiten der Corona-Pandemie
BIBERACH - Noch laufen die Biberacher Filmfestspiele. Nach der Preisverleihung am Sonntagabend sind die Kinoleinwände allerdings wieder für vier Wochen dunkel. Wer das Treiben derzeit beobachtet, dem kommen möglicherweise Szenen aus dem Film „Titanic“in den Sinn. Die Bordkapelle spielt noch, obwohl alle wissen, was passiert. Die SZ hat mit einigen Filmschaffenden am Rand der Filmfestspiele darüber gesprochen, wie sie sich über Wasser halten und wie sie mit den Lockdown-Szenarien umgehen.
Regisseurin erlebt derzeit ein Wechselbad der Gefühle wie sie selbst sagt. Mit ihrem Film „Und morgen die ganze Welt“war sie am Mittwoch in Biberach. Am selben Tag wird auch bekannt, dass sie für Deutschland damit sogar ins Rennen um eine Oscar-Nominierung geht. Gleichzeitig ist der für Donnerstag angesetzte Kinostart des Films mit dem Lockdown am Montag erst einmal wieder zu Ende.
„So geht das jetzt schon das ganze Jahr“, sagt sie, „wir wussten nicht einmal, ob der Film dieses Jahr überhaupt das Licht der Welt erblickt.“Dann habe wieder Riesenfreude geherrscht, als er in Venedig als einzige deutsche Produktion im Wettbewerb lief. „Und jetzt wieder Sorge um den Kinostart. Wir fahren nun einfach auf Sicht“, fügt sich Julia von Heinz ins Schicksal.
Sie habe das Glück, dass sie nicht nur vom Drehen abhängig sei, sagt sie. An der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) in München leitet sie zusammen mit Marcus H. Rosenmüller den Studiengang „Regie Kinound Fernsehfilm“. Außerdem ist sie als Autorin tätig. „Das konnte zum Glück beides weitergehen“, sagt Julia von Heinz. Allerdings eigne sich der Hochschulunterricht in ihrem Studienfach nur sehr bedingt als Online-Variante. „Es ist eine ganz seltsame Schere, dass wir einerseits ein erschwertes Arbeiten haben, andererseits ist der Hunger nach Erzählungen so groß wie noch nie“,
Julia von Heinz
sagt die Regisseurin. „Zwischen diesen beiden Polen muss man sich gerade zurecht finden. Eine große, neue Situation, von der wir alle gerade nicht wissen, wie sie weitergeht.“
Schauspieler
spielte eine der Hauptrollen im Eröffnungsfilm „Louis van Beethoven“. Für ihn war dieser Abend extremn positiv. „Es ist ein unglaubliches Gefühl, die Filme hier in Biberach zu erleben – vor allem, wenn man weiß, wie schwierig es gerade ist, Kunst machen zu dürfen.“Weil er auch auch für die Bühne arbeite, wisse er, „wie es ist, wenn einem Kunst auf einmal weggenommen wird“. Er habe sich den BeethovenFilm, den er mit seinen Kollegen vor einem Jahr gedreht habe, jetzt mit einer großen Wehmut und Schwermütigkeit in Biberach angesehen.
Peter Lewys Preston
„Ich hätte fünf Theaterstücke dieses Jahr gehabt, die alle ersatzlos abgesagt wurden“, sagt Peter Lewys Preston. Sein Glück sei gewesen, dass er direkt mit Filmdreharbeiten habe beginnen können. „Das werde ich bis Ende des Jahres noch tun.“Er sehe die Branche generell aber mitten in einer schwierigen Zeit, „in der wir alle nicht wissen, wie es mit Kunst, Schauspiel und Musik weitergeht“. Man versuche wirklich jeden Tag noch Hoffnung zu finden, dass es wieder besser werde. Auch seine Schauspielkollegin
die ebenfalls in „Louis van Beethoven“mitspielt, fühlt sich hin- und hergerissen. „So tiefer die Hoffnung im Lauf des Jahres gesunken ist, um so mehr freuen wir uns jetzt alle, beim Festival dabei sein zu können.“Sie selbst habe im Juli das große Glück, dass sie unter höchsten Hygienevorkehrungen einen Märchenfilm habe drehen können, der an Weihnachten im Fernsehen läuft. „Wir haben bei den Dreharbeiten festgestellt: Es ist machbar.“
Caroline Hellwig,
Als positiv empfinde sie, dass auch in der Politik zunehmend gehört werde, dass Kultur kein Luxus ist. „Viele Menschen nehmen gar nicht wahr, wo Kultur überall stattfindet und wie allgegenwärtig sie ist. Das ist auch der Jingle, der im Radio läuft – auch diese Menschen müssen bezahlt werden“, sagt Caroline Hellwig.
Umso wichtiger seien Zeichen, dass zum Beispiel die Biberacher Filmfestspiele stattfinden und dass weiter gedreht werde – unter Hygienevorkehrungen versteht sich. „Wir müssen es irgendwie schaffen, diese Branche am Leben zu erhalten.“Es gebe unter Filmschaffenden eine Mischung aus Pessismismus zum einen, aber auch eine unglaublich große Hoffnung und Lust auf der anderen Seite.
„Es ist eine sehr schwierige Zeit“, sagt auch Regisseurin
die beim Festival den Dokumentarfilm „König Bansah und seine Tochter“präsentierte. Bei den Dreharbeiten müsse man höchste Vorsicht walten lassen, damit sich niemand infiziert. „Ansonsten müsste die komplette Produktion abgebrochen werden.“Sie hätte eigentlich im Herbst einen Dreh in den USA gehabt, der aber nun abgesagt worden sei, sagt die Regisseurin. Wenn sie jetzt Stimmen aus der Branche höre, die sagen, dass man Unsicherheiten ja gewohnt sei und diese zum Geschäft gehörten, dann finde sie das fatal und auch kontraproduktiv, so Wegner. „Es ist wichtig, dass wir jetzt unsere Stimme erheben.“Viele in der Branche erhielten keine staatliche Unterstützung. „Ich fürchte, dass nun eine sehr schwierige Phase auf uns zukommt.“
Schwierig sei die momentane Situation auch für die Filmproduktionsfirmen, sagt JuniorProducerin von Kurhaus Production aus Baden-Baden, die Agnes Lisa Wegners Film produziert hat. „Wir hatten einige Kinostarts geplant, die nun erst einmal abegsagt sind“, sagt Selle, die aus Sigmaringen stammt.
Wegner, Luna Selle,
Weitere Inhalte zum Filmfest gibt es unter
TRAUERANZEIGEN
Agnes Lisa