Abgeordnete mehr einbinden
Muss das wirklich sein? Müssen wirklich die Parlamente, in denen so mancher Redner sich selbst am liebsten zuhört, auch noch mitreden, wenn es um schnelle Entscheidungen in der Corona-Krise geht? Und ist es nicht nur Symbolpolitik, wenn Abgeordnete sich zu Vorhaben äußern dürfen, die aufgrund der Mehrheiten im Bundestag doch längst beschlossene Sache sind? Klare Antwort: Ja, das muss sein – und es ist eben nicht nur Symbolpolitik. In einer Demokratie muss es eine parlamentarische Kontrolle der Regierenden geben. Wenn das nicht funktioniert, ist das politische System in Gefahr. Und deshalb ist es eben nicht unerheblich, dass in Deutschland seit acht Monaten Corona-Verordnungen erlassen werden – und zwar weitgehend an den Parlamenten vorbei.
Das neue Infektionsschutzgesetz von Union und SPD, das am Freitag im Bundestag beraten wurde, wird daran wenig ändern. Denn dieses Gesetz dient in erster Linie eben nicht dem Zweck, die Parlamente mehr einzubinden, sondern es geht darum, die Corona-Entscheidungen juristisch weniger angreifbar zu machen. Ein Hin und Her wie beispielsweise beim Beherbergungsverbot, das zunächst verkündet und kurz darauf von den Gerichten wieder einkassiert wurde, soll künftig vermieden werden. Dass diese Art von Verwirrung in einer Zeit, die ohnehin wirr genug ist, niemand braucht, kam offensichtlich in der Großen Koalition an. Doch der zweite Schritt, Abgeordnete als Vertreter der Wähler mitentscheiden zu lassen, wenn es um Eingriffe in die Grundrechte der Bürger geht, fällt Regierungsvertretern in Bund und Ländern schwer.
Natürlich erzwingt eine Pandemie schnelle Entscheidungen zum Schutz der Bevölkerung. Doch das Regieren via Verordnungen kann kein Dauermodus sein – zumal sich das Coronavirus anschickt, zum Dauerzustand zu werden. Umso wichtiger wäre in dieser Situation ein direkter Draht zwischen Politikern und Bürgern – von deren Einsicht es schließlich abhängt, ob der Kampf gegen Corona erfolgreich ist. Abgeordnete, die in ihren Wahlkreisen verankert sind und zudem in Entscheidungsprozesse eingebunden werden, könnten dabei gute Dienste leisten.